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       # taz.de -- Den Rechten endlich Paroli bieten: „Die Gesamtscheiße ist am Dampfen!“
       
       > Bannmeilen am Bundestag werden die Demokratie nicht retten. Die
       > sogenannte bürgerliche Mitte muss ihre unpolitische Haltung aufgeben. Die
       > Termine.
       
   IMG Bild: „Ruhig bleiben!“: Widerspruch war am Sonntag im Mauerpark nicht erwünscht
       
       Genau drei Leute widersprechen am Sonntag laut, als [1][Anselm Lenz] und
       seine Anhänger*innen ihre Verschwörungsideologie im Mauerpark kundtun. Von
       Fünfergruppen der Polizei werden sie blitzschnell aufgefordert, ruhig zu
       bleiben.
       
       Ansonsten zeigt sich das „unpolitische“, aber „kritische“ Flohmarkt- und
       Parkpublikum durchaus interessiert an der farbenfrohen Versammlung mit
       Musik. Prenzlbürger*innen umarmen süddeutsche „Pädagogen für Aufklärung“.
       Allein die Frage ob jetzt „Kampf“ oder „Liebe“ zentral sei, spaltet die
       Versammlung ein wenig.
       
       Anselm Lenz – der in der Vergangenheit auch für die taz schrieb – wird am
       Sonntag vorübergehend festgenommen. Denn er schreit „Tötet Merkel!“ Als
       neuer Schlingensief will er gesehen werden, als Rote-Linien-Überschreiter.
       
       Offener Rassismus ist im Mauerpark nicht zu sehen, ein Transparent
       verkündet sogar: „Hier keine Bühne für AfD, Pegida, Nazis“. Doch die Leute
       jubeln, als Lenz zum Naziaufmarsch am Samstag erklärt: „Wir haben gestern
       gesehen, was für friedliche, tolle Leute hier unterwegs sind.“
       
       Was hilft ein Transparent, wenn über die dominierende und gewaltvolle
       Präsenz von Nazis, Reichsbürgern, AfD-Leuten schlicht hinweggegangen wird,
       genauso wie über die Gefahr, die eine Covid-19-Infektion für besonders
       verletzliche Menschen bedeutet?
       
       Seit Monaten machen „Omas gegen Rechts“, „Reclaim Rosa-Luxemburg-Platz“,
       „Reclaim Club Culture“, „Aufstehen gegen Rassismus“, Attac und viele
       weiteren Gruppen und Einzelpersonen auf diese überschrittene rote Linie
       aufmerksam und gehen trotz der eigenen unsicheren Situation auf die Straße,
       um die Wirkung der rechtsoffenen Verschörungsdemos zu brechen.
       
       Sie, nicht Polizist*innen, die am Samstag ihren Brotjob machten, sollten
       nach Bellevue geladen werden. Doch die Engagierten haben wahrscheinlich
       besseres zu tun, einen Monat bevor der „Dritte Weg“ am 3. Oktober wieder
       nach Berlin mobilisiert.
       
       Nein, mehr Polizei, ein Graben und eine Dauerbannmeile um das
       Reichstagsgebäude werden die Demokratie nicht retten. Denn längst sitzen
       die Völkischen drinnen und längst haben ihre rechtsextremen Mitarbeiter
       Hausausweise. Währenddessen bleibt die Berliner „[2][Vereinigung der
       Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten]“, eine der Stützen des
       Gegenprotestes am Samstag, weiter kriminalisiert.
       
       Auch linken Freiräumen in der Stadt geht es so, denn mit Verweis auf das
       Märchen vom links-rechten Hufeisen, sind sie leichter zu räumen. Ein
       Demokratiefördergesetz, dass die gesellschaftliche Konfliktbearbeitung
       institutionell verankern würde, gibt es Seehofers Zögern wegen noch immer
       nicht.
       
       Wenn es jetzt heißt, dass die sich mit den Nazis gemein machen, die am
       Samstag mitliefen, ist das richtig. Noch gefährlicher aber sind die, die
       auf das Abklingen der schockierenden Bilder warten und zugunsten einer
       Flohmarkt-Bürgerlichkeit untätig bleiben.
       
       Ein widerständiger Freiraum für Aktive ist das [3][Kubiz in Weißensee],
       dass am Wochenende sein elfjähriges Bestehen feiert. Workshops, gutes Essen
       und Vernetzungsmöglichkeiten soll es hier geben. (Samstag, 5. 9., ab 11
       Uhr, Bernkasteler Straße 78.)
       
       Während der Görlitzer Park für die einen Ruhe und Entspannung verspricht,
       laufen Schwarze Menschen und People of Colour dort Gefahr, rassistische
       Kriminalisierung zu erfahren. Tagtäglich lässt sich beobachten, wie
       Polizist*innen bei „verdachtsunabhängigen Kontrollen“ nicht-weiße Menschen
       durchsuchen, Platzverweise aussprechen und schikanieren. „Gegen Racial
       Profiling und rassistische Polizeigewalt“ heißt es jetzt bei einer
       Kundgebung im Görli. (5. 9., 14 Uhr, Görlitzer Park, Eingang
       Falkensteinstraße)
       
       Mietenwahnsinn, Pflegenotstand, gravierende Einkommens- und
       Vermögensungleichheit: „Die Gesamtscheiße ist am Dampfen!“, schreibt das
       sogenannte Quartiersmanagement Grundewald im Aufruf zur Opern-Kundgebung
       „[4][Grunewalddämmerung]“. „Mit Höchstkultur und ordentlich Pathos
       erläutern wir den Grunewalder:innen die Alternativlosigkeit der
       Umverteilung und begeistern sie für das schöne Leben für Alle!“ (Samstag,
       5. 9., 15 Uhr, Johannaplatz)
       
       2 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Demonstration-gegen-Corona-Regeln/!5706392&s=Anselm+Lenz/
   DIR [2] https://vvn-bda.de/
   DIR [3] http://www.kubiz-wallenberg.de/language/de/
   DIR [4] https://www.facebook.com/events/1246602865679704/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Hunglinger
       
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