# taz.de -- Boris Johnson vs. BBC: Immer draufhauen
> Premierminister Johnson disst die BBC mal wieder als
> weltfremd-linksliberal abgedriftetes Etwas. Senderchef Davie springt brav
> über die Stöckchen.
IMG Bild: Gute alte Zeit: „Last Night of the Proms“ in den 1960ern weit weg von weltfremd-linksliberal
Die „Promenaders“ sind das Herz des größten Klassikfestivals der Welt. Bis
zu 2.000 von ihnen stehen jeden Abend in der Londoner Royal Albert Hall und
geben den BBC Promenad Concertos ihren Namen. Die Stehplatzkarten sind
billig, keiner kommt im Anzug und Biertrinken während der Vorstellung ist
anders als auf den 3.000 Sitzplätzen ausdrücklich erlaubt. In diesem Jahr
sieht die BBC-Sause coronabedingt natürlich anders aus. Doch auch 2020
endet alles mit der berühmten [1][„Last Night of the Proms“ (Sa., 12. 9.,
21.45, NDR]).
Letzte Woche machte in rechten Kreisen plötzlich das Gerücht die Runde, die
BBC wolle bei der „Last Night“ aus Respekt vor der „Black Lives
Matter“-Bewegung auf patriotische-koloniale Gassenhauer wie „Land of Hope
and Glory“ oder „Rule, Britannia“ verzichten. Ein gefundenes Fressen für
Premierminister Boris Johnson, der trump-like in die Debatte einmarschierte
und die BBC mal wieder als weltfremd-linksliberal abgedriftetes Etwas
disste.
Was an der Sache dran war, spielte da schon keine Rolle mehr. Denn beide
Stücke sind im Programm, die BBC setzt lediglich auf Instrumentalversionen.
Denn wegen der Abstandsregeln dürfen so wenig Menschen rein, dass das
übliche Rudelsingen ziemlich dünn und seltsam ausfiele.
## Davie macht Beschwichtigungspolitik
Das Ganze ließe sich als spleenig-britische Posse abtun, wenn es den
Konservativen nicht so ernst mit der [2][Zerschlagung der für sie schlicht
zu unbequemen BBC] wäre. Und was macht [3][der neue BBC-Chef Tim Davie]? Er
springt brav über die Stöckchen, die ihm die BBC-Gegner*innen hinhalten.
Davie nennt als sein Hauptziel „sicherzustellen, dass die BBC „jeden Teil
unseren Landes repräsentiert“. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch so
abgedriftet wie Johnson und sein durchgeknallter Top-Berater Dominic
Cummings behaupten, ist die BBC nicht. Das belegen aktuelle Umfragen und
Nutzungszahlen.
Doch Davie versucht sich lieber in Appeasement. Zahlreiche Kabarett- und
Comedyformate sollen angeblich gestrichen werden, weil sie „unfair zu den
Tories, zu Donald Trump und zu anti Brexit“ seien. Das frohlockt jedenfalls
Johnsons Sprachrohr, der Daily Telegraph. Von Davie, der in einem früheren
Leben mal für die Tories in der Londoner Lokalpolitik aktiv war, kommt dazu
kein Ton. Er führt lieber brav den von der Regierung angeordneten Sparkurs
weiter und baut Hunderte Stellen im Nachrichten- und Informationsbereich
ab.
Unwidersprochen bleiben bislang auch Berichte, Davie könne sich als neues
Finanzierungsmodell für die BBC ein Abo-System wie bei Netflix vorstellen
und dafür auf die Rundfunkgebühr verzichten. Wenn es dazu käme, wäre am
Ende wohl die „Last Night of the BBC“ die logische Konsequenz. Dann aber
garantiert mit patriotischen Songs, von Boris Johnson mit Leib und Seele im
Rudel mitgebrüllt.
3 Sep 2020
## LINKS
DIR [1] https://www.ndr.de/fernsehen/programm/epg/Last-Night-of-the-Proms-2020,sendung1069298.html
DIR [2] /BBC-in-Coronakrise/!5672739
DIR [3] /Britische-Rundfunkanstalt/!5688208
## AUTOREN
DIR Steffen Grimberg
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