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       # taz.de -- Geldnöte niedersächsischer Unis: Der Lehre abgespart
       
       > Die Unis in Hannover und Göttingen beklagen massive Finanzierungsprobleme
       > bei Sanierungen. Das nötige Geld nehmen sie aus Forschung und Lehre.
       
   IMG Bild: Es bröckelt der Putz, es blühen die Graffitis: Uni Hannover
       
       Hamburg taz | Wenn man genau hinsieht, bröckelt an den Anbauten des
       Welfenschlosses, in dem die Leibniz Universität Hannover ihren Hauptsitz
       hat, der Putz: 25 bis 30 Millionen Euro bräuchte die Uni laut eigener
       Angabe jährlich, um all ihre Sanierungs- und Baumaßnahmen zu finanzieren.
       Doch nur etwa vier Millionen Euro stünden ihr dafür zur Verfügung,
       kritisiert Unipräsident Volker Epping. Er fordert vom Land Niedersachsen
       eine Aufstockung der Mittel für Sanierungen. Das Wissenschaftsministerium
       ist angesichts der Coronapandemie mit Versprechungen zögerlich.
       
       Schon seit 15 Jahren sei die Finanzierung viel zu knapp bemessen, sagt
       Epping. Damit die Universität die wichtigsten Sanierungsmaßnahmen trotzdem
       durchführen könne, nutze sie dafür Geld, das eigentlich der Forschung und
       Lehre zustehe. „Wir haben keine andere Möglichkeit.“
       
       ## Regnet durch Fenster
       
       Und die Uni Hannover steht mit diesem Problem nicht alleine da: An der
       Georg-August-Universität Göttingen habe sich mittlerweile ein Rückstau für
       Sanierungen, Modernisierungen und Neubauten von knapp einer Milliarde Euro
       angesammelt, sagt Uni-Präsident Reinhard Jahn.
       
       Die Situation werde immer prekärer, da in Zukunft noch mehr Mittel benötigt
       würden.Gerade die Sechziger- und Siebzigerjahre-Bauten seien, das beklagt
       auch die Uni Hannover, in einem schlechten Zustand: „Energetisch sind sie
       eine Katastrophe und teilweise regnet es durch die Fenster“, sagt Jahn.
       
       Zu welchen Problemen diese unzureichende Finanzierung führt, zeigt sich an
       beiden Universitäten deutlich. Auch in Göttingen wird das Geld für die
       wichtigsten Baumaßnahmen dort weggenommen, wo es noch irgendwie möglich
       ist: Von der Verwaltung oder aus den Mitteln für Forschung und Lehre.
       Besonders besorgt ist Jahn darüber, dass die Universität womöglich Gebäude
       oder gar ganze Fakultäten schließen muss.
       
       Der erste Bauabschnitt der Sanierung der chemischen Fakultät sei zwar
       abgeschlossen, jedoch fehlten nun 130 bis 140 Millionen Euro für die
       weiteren Baumaßnahmen. Wenn das Gewerbeaufsichtsamt Zweifel an der
       Sicherheit habe, würde eine Kernfakultät mit Exzellenzcluster wegbrechen:
       „Ich will gar nicht darüber nachdenken, was dann passiert.“
       
       Auch die Uni Hannover sieht sich mit dem Problem konfrontiert, dass sie
       Labore schließen muss, wenn sie nicht mehr den Sicherheitsstandards
       entsprechen. Das hätte negative Auswirkungen auf Lehre und Forschung: „Wir
       könnten weniger Studierende aufnehmen“, sagt Epping.
       
       Außerdem bestehe die Gefahr, nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. „Wer will
       eine Professur annehmen, wenn es durch das Dach regnet oder wenn nicht
       gesichert ist, dass die Labore genutzt werden können?“
       
       Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur erklärt, dass
       man für die energetische Sanierung in diesem Jahr noch 120 Millionen Euro
       zur Verfügung stellen werde. Vor allem käme das Geld den Universitäten in
       Hannover, Braunschweig und Göttingen zugute.
       
       ## Ziel sind mehr Investitionen
       
       2017 habe es außerdem durch das Gesetz über das „Sondervermögen zur
       Nachholung von Investitionen bei den Hochschulen in staatlicher
       Verantwortung“ 150 Millionen Euro für notwendige Sanierungsmaßnahmen
       gegeben. Momentan stehe auch ein Fördertopf für besonders dringende
       Baumaßnahmen bereit, sagt Margit Kautenburger, Sprecherin des Ministeriums.
       
       Ziel sei es, die Investitionen weiter zu erhöhen. Insbesondere wegen der
       Coronakrise würden die Finanzierungsspielräume aber mittelfristig enger.
       
       Dass wegen der Coronakrise Mittel gekürzt würden, kann Jahn durchaus
       nachvollziehen, allerdings bestünde das Problem schon seit zehn bis 15
       Jahren: „Ich kenne kein anderes Bundesland, das trotz eines
       Milliardenüberschusses die Gelder für Universitäten gekürzt hat.“ Die
       derzeitige Landesregierung setze die falschen Prioritäten.
       
       ## Unis in Geldnöten
       
       Laut Peter-André Alt, dem Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz,
       besteht das Finanzierungsproblem jedoch in allen Bundesländern, seitdem die
       Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau von Bund und Ländern im Jahr 2010
       ausgelaufen ist. Einige Bundesländer hätten allerdings bereits langfristige
       Finanzierungsprogramme auf den Weg gebracht.
       
       Besonders hebt Alt das Heureka Projekt hervor, mit dem das Bundesland
       Hessen seit 2007 dem Sanierungs- und Neubaustau entgegengewirkt. Bis 2025
       will die Landesregierung vier Milliarden Euro in die Erneuerung der Unis
       und Hochschulen investieren.
       
       Eine ähnliche Finanzplanung wünschen sich auch die Unis in Hannover und
       Göttingen. „Der Finanzminister und der Ministerpräsident müssen dem
       Wissenschaftsministerium mehr Ressourcen bereitstellen“, fordert Epping.
       „Ohne Universitäten geht es nicht. Wir beeinflussen die Zukunftsfähigkeit
       eines Landes.“ Doch mit Wissenschaft lasse sich „eben keine Wahl gewinnen“.
       
       Alt von der Hochschulrektorenkonferenz sieht auch den Bund in der
       Verantwortung. Es sei unzureichend, dass nur die Länder für die
       Finanzierung zuständig seien: „Bund und Länder müssen sich verständigen,
       wie die Finanzierungsverantwortung zwischen den zwei Ebenen reorganisiert
       werden kann.“
       
       8 Oct 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Regina Seibel
       
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