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       # taz.de -- Räumung der Liebig 34: Politische Strategie: Chaos
       
       > Die linksradikale Szene will die angekündigte Räumung des Hausprojekts
       > Liebig 34 militant verhindern. Schule und Kitas bleiben geschlossen.
       
   IMG Bild: Linksradikale Trutzburg: liebig 34
       
       Berlin taz | Der 9. Oktober ist Tag X. Der Tag der angekündigten Räumung
       des [1][queerfeministischen Hausprojekts Liebig34] wird zum Großkampftag –
       für die linksradikale und autonome Szene ebenso wie für die Polizei. Für
       die Anwohnenden im Friedrichshainer Nordkiez wird der Tag – werden
       womöglich schon die Tage zuvor – mit allerlei Einschränkungen verbunden
       sein.
       
       Bereits klar ist, dass an jenem Freitag die Justus-von-Liebig-Grundschule,
       nur wenige Meter von der autonomen Trutzburg entfernt, geschlossen bleiben
       wird. 600 Kinder, davon 400 hortberechtigt, müssen zu Hause bleiben oder
       auf eine Notbetreuung in eine andere Schule ausweichen. Laut Informationen
       der taz ist auch eine Schließung am Vortag ein mögliches Szenario, das noch
       diskutiert wird. Zuvor war die Polizei an die Schulleitung herangetreten,
       weil sie die Sicherheit der Kinder nicht gewährleisten könne.
       
       Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirkssprecherin Sara Lühmann bestätigte dies im
       Gespräch mit der taz: „Ein sicherer und ordnungsgemäßer Schulbetrieb ist an
       diesem Tag nicht möglich“ – vor allem, weil der Zugang zur Schule für
       Kinder, Lehrer oder auch das Catering nicht sichergestellt werden kann. Die
       Entscheidung sei im Einvernehmen von Schule, Senatsbildungsverwaltung und
       Bezirksamt getroffen worden.
       
       Zusätzlich werden auch ein halbes Dutzend Kitas und Kinderläden am
       Räumungstag ihren Betrieb einstellen. Betroffen sind allein drei
       AWO-Kindergärten in der Liebigstraße und am Weidenweg, zudem drei kleinere
       Kitas in der Rigaer Straße. Das bestätigten die Einrichtungen auf Anfrage
       der taz.
       
       ## Kommt die Sperrzone?
       
       Im Kiez befürchten viele die Einrichtung einer Sperrzone bereits ab Montag.
       Die Polizei könnte ein Gebiet in einem Hunderte Meter großen Radius um die
       Liebig34 quasi abriegeln und Ausweiskontrollen durchsetzen. Die Polizei
       äußerte sich auf Anfrage nicht zu den geplanten Maßnahmen. Stattdessen hieß
       es: „Sollten im Rahmen der Planungen Umstände eintreten, die sich auf
       Anwohnende und Anliegende auswirken könnten, werden diese zeitnah von der
       Polizei Berlin darüber unterrichtet.“ Bislang ist dies nicht geschehen.
       
       Zu erwarten ist jedoch, dass mit frühzeitigen Absperrungen Blockadeaktionen
       direkt vor dem 1990 besetzten Haus verhindern werden sollen. Schon bei der
       Räumung der Neuköllner Kneipe Syndikat im August hatte die Polizei durch
       eine abgeriegelte Straße den ungehinderten Zugang für sich und den
       Gerichtsvollzieher sichergestellt. Auch die Autonomen stellen sich auf
       dieses Szenario ein. In einem Text der Liebig34 heißt es: Sitzblockaden
       „erwiesen sich gegen massive Cop-Aufgebote als nicht effektiv, vor allem
       wenn, wie bei der Räumung des Syndikats, die strategisch sinnvollen
       Blockadepunkte in Sperrzonen liegen“.
       
       Die öffentlich diskutierte Strategie geht daher in eine andere Richtung:
       „Das Potenzial von zielgerichtetem Chaos ist hoch“, schreibt das Kollektiv.
       Mit Barrikaden und Angriffen auf Infrastruktur soll die Polizei gebunden
       werden.
       
       Ein Mobi-Video bekräftigt diesen Aufruf. Im Rückgriff auf die Proteste
       gegen die [2][Räumung der gegenüberliegenden Liebigstraße 14 im Jahr 2011],
       bei denen Autonome einen Sachschaden in Millionenhöhe verursacht hatten,
       ist eine Stimme zu hören, die sagt: „Gruppen von Gewalttätern in
       unterschiedlicher Stärke, zwischen 20 und 200, zogen in blinder
       Zerstörungswut durch Friedrichshain.“ Dabei attackierten sie Geschäfte, die
       Arena am Ostbahnhof, Gebäude von Polizei und Liegenschaftsfonds.
       
       ## Rechtliche Auseinandersetzung
       
       Das Ziel des neuerlichen Krawallaufrufs ist es laut Liebig34, Zeit zu
       gewinnen. Die Hausbewohner*innen argumentieren, dass der [3][Räumungstitel
       gegen den falschen Verein erlassen wurde]. Inzwischen seien zwei andere
       Vereine im Besitz der Räumlichkeiten, gegen die jedoch kein Titel vorliege.
       Werde die Räumung für einige Zeit aufgehalten, könne dagegen „anwaltlich
       interveniert werden“.
       
       Trotz der militanten Drohungen, die parteiübergreifend verurteilt werden,
       ist die Räumung für den rot-rot-grünen Senat heikel. Die Szene versteht die
       Räumungen ihrer Objekte – womöglich folgen der Jugendclub Potse, die Kneipe
       Meuterei und der Köpi-Wagenplatz in den nächsten Monaten – als
       Generalangriff, für den die Regierung verantwortlich ist, selbst wenn deren
       Handlungsspielräume begrenzt sind.
       
       In einem offenen Brief fordern die Jugendorganisationen von Grünen und
       Linken von Innensenator Andreas Geisel (SPD), alles zu tun, „was in Ihren
       Kompetenzen liegt“, um die Räumung zu verhindern. Die Liebig34 wird als
       Vernetzungsort für Proteste gegen Nazis oder Abtreibungsgegner*innen
       beschrieben: „Fällt diese Arbeit weg, möchten wir uns gar nicht vorstellen,
       was das für den Zusammenhalt in unserer Stadt bedeutet.“
       
       Protestaktionen wird es ab nun fast täglich geben. Am Donnerstag will das
       Bündnis Zwangsräumung verhindern mit einer Videokundgebung am Büro des
       Liebig34-Eigentümers Gijora Padovicz demonstrieren. Samstagabend ist eine
       Demo durch Friedrichshain angekündigt. Im Aufruf unter dem Titel „Chaos
       statt Räumung“ heißt es: „Wenn die Liebig geht, kommt ein weiterer Ball der
       Gentrifizierung ins Rollen.“ Sonntag folgt eine Kundgebung mit Konzerten
       auf dem Dorfplatz.
       
       30 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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