URI: 
       # taz.de -- Schäuble-Vorstoß für Räte: Mit Heinz im Lostopf
       
       > Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble will mit zufällig gelosten Räten
       > die Demokratie stärken. Aber Menschenrechte vertraut man nicht dem Los
       > an.
       
   IMG Bild: Mehr direkte Demokratie wagen? Wolfgang Schäuble vor Beginn der 177. Sitzung des Bundestages
       
       Um die Demokratie zu stärken, hat Bundestagspräsident [1][Wolfgang
       Schäuble] einen konkreten Vorschlag: Räte. Räte, in denen sich Bürger*innen
       zusammenfinden, politisch relevante Themen diskutieren und anschließend
       Reformvorschläge machen. Diese sollen die Parteien ergänzen und insgesamt
       die Partizipation der Bevölkerung stärken, [2][sagte Schäuble der
       Süddeutschen].
       
       Schäubles Filmtrailer klingt wie aus einem politischen Disney-Movie, das
       ein Happy End für alle verspricht, während auf cute gezeichnete Tiere im
       Wald zusammen tanzen zu optimistischer Flötenmusik im Hintergrund. Was auf
       den ersten Blick wie die Lösung der Demokratiekrise aussieht, hat ein
       entscheidendes Problem: Ich – als Nafri – vertraue diesen ganzen
       Bürger*innen nicht. Ich muss bloß die Tageszeitung oder das Internet
       öffnen, um zu verstehen, dass dieses Skript nur in einem katastrophalen
       Kompromiss enden kann.
       
       Wolfgang Schäuble schlägt nämlich vor, die Räte per Losverfahren zu
       besetzen. Vorbilder gibt es in anderen Ländern, dort setzen sich die Räte
       entweder komplett mathematisch zufällig zusammen, [3][oder immerhin nach
       Bevölkerungsgruppen quotiert]. Klingt super, was auf diese Weise aber auch
       passieren könnte: Im Rat für Reproduktionsrechte von Frauen sitzen ein paar
       Maskulinisten. Zur Ratssitzung „Lösungen für die Klimakrise“ fahren einige
       Mitglieder mit dem SUV vor. Außerdem bin ich sicher, dass es einen „Rat für
       Migration und Integration“ geben wird – weil es in Deutschland immer einen
       „Rat für Migration und Integration“ geben wird.
       
       Dort sitzen dann per Los ausgewählt dieser Polizist (der sich für den
       privaten Gebrauch persönliche Daten aus dem Dienstcomputer zieht), Heinz
       aus Süd-Neukölln (er fährt nicht mehr U-Bahn, weil er findet, diese
       „Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ sind rücksichtslos. Außerdem
       weigert sich Heinz, Maske zu tragen) und der [4][Chef der Essener Tafel]
       (der bedürftigen Ausländers keine Lebensmittel mehr spenden wollte, so im
       Sinne von: „deutsche Oma vor Roma“). Alice Schwarzer sitzt auch im Rat zur
       Abschaffung der Nafris. Sie durfte sich als VIP einen Rat aussuchen. Und
       mittlerweile sind ihr „Migration und Integration“ viel wichtiger als die
       Reproduktionsrechte von Frauen.
       
       ## Nicht per Los Menschenrechte anvertrauen
       
       Eine Sache muss ich Schäuble lassen. Und ich hätte kaum geglaubt, dass ich
       ihm mal zustimmen würde, aber here we go: Schäuble hat recht, wenn er an
       direkter Demokratie kritisiert, dass die breite Bevölkerung uninformiert
       über existenzielle Fragen abstimmen soll. Bestes Beispiel: der Brexit (mir
       ist der Niedergang des britischen Ex-Empire absolut egal, aber es ist
       tatsächlich ein gutes Beispiel). Noch fataler als uninformierte
       Entscheidungen sind aber in Deutschland sehr gut informierte und geplante
       Kompromisse. Wie gesagt, vertraue ich diesen Bürger*innen einfach nicht.
       Schon gar nicht möchte ich ihnen per Los Menschenrechte, das Klima oder gar
       meine Existenz anvertrauen.
       
       1 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wolfgang-Schaeuble/!t5008301/
   DIR [2] https://www.sueddeutsche.de/politik/schaeuble-bundestagspraesident-buergerraete-1.5044696
   DIR [3] /Buergerraete-beraten-Regierung-beim-Klima/!5666915
   DIR [4] /Auslaenderstopp-an-der-Essener-Tafel/!5485643/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mohamed Amjahid
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Die Nafrichten
   DIR Mehr Demokratie
   DIR Krise der Demokratie
   DIR Bundespolizei
   DIR Rechtsextremismus
   DIR Kolumne Die Nafrichten
   DIR Großbritannien
   DIR Volksabstimmung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bürgerräte zu Außenpolitik: Querschnitt gegen den Populismus
       
       In einem Forum sollen 160 ausgeloste Bürger:innen mit der Bundespolitik ins
       Gespräch kommen. Welchen Einfluss das Experiment hat, bleibt noch offen.
       
   DIR Nach „Querdenken“ und Pegida-Demo: „Meinungsfreiheit“ in Sachsen
       
       In Leipzig prügelten Nazis auf Journalist:innen ein und in Dresden durfte
       am 9. November Pegida Kundgebungen abhalten. Es schmerzt.
       
   DIR Coronamaßnahmen in Deutschland: Hört auf den Koran
       
       Gesicht verdecken, Alkoholverbot, Senior*innen schützen oder Händewaschen.
       Die lebensrettenden Maßnahmen in der Pandemie stehen so auch schon im
       Koran.
       
   DIR Bürgerräte beraten Regierung beim Klima: Klimaschutz vom Volk empfohlen
       
       Wie wird Großbritannien klimaneutral? Die Regierung lässt sich von
       repräsentativen „Bürgerräten“ beraten. Die fordern: weniger Autos, mehr
       Solar.
       
   DIR Politologin über Bürgerräte: „Streit wird dort gezähmt“
       
       Volksabstimmungen vertiefen die bestehenden Gräben in der Gesellschaft,
       sagt die Politologin Patrizia Nanz. Sie plädiert für Bürgerräte als
       Demokratieschulen.
       
   DIR Energie: Stöß will Bürgerräte
       
       Der Landesvorstand der SPD empfiehlt dem Abgeordnetenhaus, das
       Energietisch-Volksbegehren anzunehmen. CDU-Fraktion lehnt das ab.