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       # taz.de -- Montenegro nach der Parlamentswahl: Der grüne Mehrheitsbeschaffer
       
       > Dritan Abazović kämpft gegen Nationalismus und hat die Korruption unter
       > Langzeitherrscher Đukanović satt. Seine Partei URA steckt in der
       > Zwickmühle.
       
   IMG Bild: Anhänger von Oppsitionsgruppen bejubeln den Wahlausgang in Podgorica, Montenegro am 31. August
       
       Split taz | Nach der [1][Parlamentswahl in Montenegro Ende August] kommt
       jetzt die junge Generation zum Zug, die das schmutzige Spiel der alten
       Eliten nicht mehr mitspielen will. Der 1985 geborene Dritan Abazović konnte
       mit seiner grünen und sozialliberalen Partei „Vereinigten Reformaktion“
       (URA) vier Sitze im Parlament gewinnen.
       
       Gemeinsam mit dem von Bürgerrechtlern und Intellektuellen getragenen
       Bündnis „Schwarz auf Weiß“ nahm die Partei die Fünfprozenthürde und wird
       jetzt zum Zünglein an der Waage. Denn die Partei DPS des Präsidenten Milo
       Đukanović und ihre Verbündeten verfügen nur noch über 40 der 81 Sitze, die
       vereinte Opposition käme auf 41.
       
       Für URA ist das eine Zwickmühle: Geht sie ein Bündnis mit der DPS ein,
       enttäuscht sie ihre Wähler; verbündet sie sich mit der proserbischen Partei
       DF, besteht die Gefahr, von klerikalen Radikalen und serbischen
       Nationalisten vereinnahmt zu werden. Nach den Übergriffen von serbischen
       Nationalisten auf Muslime sofort nach Verkündung des Wahlergebnisses
       [2][demonstrierten am Sonntag 50.000 Menschen in Podgorica] gegen den
       Nationalismus.
       
       Den Großteil seines Erwachsenenlebens hat Abazović unter der Herrschaft des
       ehemaligen Kommunisten und kapitalistischen Autokraten Đukanović zugebracht
       – jetzt hat er die Möglichkeit, seine Partei zu entthronen. Er will die von
       Korruption und autoritären Verhaltensweisen geprägte Gesellschaft
       Montenegros gründlich modernisieren.
       
       ## Engagement gegen Nationalismus
       
       Abazović gehört der albanischen Minderheit an und kommt aus dem albanisch
       geprägten Ort Ulcinj im Süden des Landes. Er steht für ein junges, modernes
       Montenegro, das die Grenzen ethnischer Herkunft überwinden will und nach
       Europa blickt.
       
       Den Krieg der 1990er Jahre hat er als Kind miterlebt. Er zog eine
       persönliche und politische Konsequenz daraus: Nach der Schule entschied er
       sich für ein Politikstudium an der Philosophischen Fakultät in Sarajevo –
       also im Nachbarland Bosnien und Herzegowina. Nach einem Abschluss mit
       Auszeichnung im Jahr 2008 ging Abazović nach Montenegro an die dortige
       Universität, wo er 2019 an der Fakultät für politische Wissenschaften seine
       Doktorarbeit abschloss.
       
       Zwischendurch studierte er auch in Oslo und den USA und publizierte 2010
       sein Buch „Kosmopolitische Kultur und globale Gerechtigkeit“. Auch bei
       seinem Aktivismus und Engagement für Menschenrechtsgruppen trat er für die
       multinationale und multikulturelle Gesellschaft und gegen Nationalismus
       ein.
       
       Durch seine Kontakte zu internationalen Nichtregierungsorganisationen
       konnte sich Abazović weiterbilden und den politischen Standpunkt
       entwickeln, der ihn schließlich an die Spitze der Oppositionspartei URA
       führte, der er sich 2015 angeschlossen hatte. Schon 2012 gründete er die
       liberale Partei „Positives Montenegro“, die bei den Wahlen 7 der 81 Sitze
       im Parlament gewann, aber wieder rasch fiel.
       
       Nun stehen die jungen Grünen von URA, die erst im Juni in die
       [3][Europäische Grüne Partei (EGP)] aufgenommen worden sind, vor einer
       komplexen Herausforderung. Dritan Abazović ist plötzlich zu einer
       Schlüsselfigur der montenegrinischen Politik geworden.
       
       9 Sep 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Erich Rathfelder
       
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