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       # taz.de -- Afrikanische Schweinepest in Brandenburg: Totes Schwein versaut Exporte
       
       > In Brandenburg wird erstmals ein infizierter Kadaver entdeckt. Kritiker
       > machen die Massentierhaltung verantwortlich.
       
   IMG Bild: Aufpassen mit den Kollegen aus Brandenburg: bayerisches Wildschwein
       
       Berlin taz | Die Afrikanische Schweinepest hat Deutschland erreicht. Die
       für Menschen ungefährliche Seuche wurde erstmals bei einem toten
       Wildschwein in Brandenburg nahe der Grenze zu Polen nachgewiesen, wie
       Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) am Donnerstag in Berlin
       mitteilte.
       
       Daraufhin verhängte Südkorea ein sofortiges Importverbot für deutsches
       Schweinefleisch, denn das Virus könnte zum Beispiel über rohe Wurst auf die
       dortigen Tiere übertragen werden. Der Verband der Fleischwirtschaft geht
       davon aus, dass auch die Ausfuhren nach China, Deutschlands größtem
       Abnehmer, bald „vollständig zum Erliegen kommen“.
       
       Klöckner betonte zwar, dass es ungefährlich sei, möglicherweise
       kontaminiertes Fleisch zu essen. Aber in der Landwirtschaft könnte die
       Krankheit große Schäden anrichten. Denn für Schweine ist die Seuche fast
       immer tödlich. In betroffenen Betrieben und deren Umfeld werden in der
       Regel alle Tiere getötet, um eine weitere Verbreitung zu verhindern. Die
       Tierseuchenkasse erstattet den Höfen zwar den Wert. Aber dem im vergangenen
       Jahr zweitgrößten Zweig der deutschen Landwirtschaft könnten wichtige
       Absatzmärkte wegbrechen.
       
       Nach China gingen im ersten Halbjahr 2020 laut Statistischem Bundesamt 27
       Prozent der deutschen Schweinefleischexporte. Das entsprach nach einer
       taz-Schätzung etwa 10 Prozent der deutschen Schlachtmenge. „Das ist schon
       marktentscheidend“, sagte Marktanalyst Josef Efken vom bundeseigenen
       Thünen-Agrarforschungsinstitut der taz. Das Ausland kauft insgesamt
       ungefähr die Hälfte der deutschen Schlachtmenge.
       
       ## Bitten an China, Verbote in Brandenburg
       
       Deshalb will das Bundesagrarministerium jetzt mit Abnehmern wie China
       verhandeln, dass sie nur Fleisch aus der betroffenen Region in Brandenburg
       sperren. Dort werden wenige Schweine gehalten – anders als in Hochburgen
       wie dem niedersächsischen Emsland.
       
       Gleichzeitig wollen die Behörden den Infektionsherd begrenzen. Der Fundort
       des Wildschweinkadavers liege im Landkreis Spree-Neiße, sagte Brandenburgs
       Verbraucherministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). In einer Zone mit einem
       Radius von 15 Kilometern um die Stelle werde ein Jagdverbot angeordnet, um
       Wildschweine nicht aufzuschrecken.
       
       Veranstaltungen mit Schweinen wie Hoffeste oder Agrarschauen werden
       untersagt. Später solle auch eine Kernzone mit einem Radius von mindestens
       3 Kilometern eingerichtet werden. Landestierarzt Stephan Nickisch sagte,
       sie solle eingezäunt, das Betreten verboten werden.
       
       Das [1][Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit] hatte in der Nacht
       drei Proben des toten Wildschweins untersucht. Alle seien eindeutig positiv
       gewesen, sagte Amtsleiter Thomas Mettenleiter. Der Ausbruch könnte nach
       seinen Worten mit dem in Westpolen zusammenhängen. „Es bleibt jetzt zu
       analysieren, ob das ein Einzelfall ist, ob sich die Seuche schon
       ausgebreitet hat.“
       
       ## Vorbild Tschechien und Belgien
       
       Das tote Tier sei stark verwest gewesen und habe dort „sicherlich schon
       einige Zeit“ gelegen. Mettenleiter verwies darauf, dass es auch anderen
       Ländern gelungen sei, wieder seuchenfrei zu werden. [2][Tschechien und
       Belgien] hätten es 2017/18 „geschafft, mit sehr rigorosen, konsequenten
       Maßnahmen die Seuche wieder zu tilgen“.
       
       Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, forderte,
       Wildschweine konsequent zu „bejagen“ und einen stabilen Zaun zu bauen. „Wir
       brauchen zwingend eine wildschweinfreie Zone an der polnischen Grenze“,
       sagte er. Reisende dürften Wurstbrote und andere Essensreste nicht
       unachtsam wegwerfen, weil das Virus darin überleben könne.
       
       Der Deutsche Tierschutzbund hingegen lehnte eine verstärkte Bejagung von
       Wildschweinen ab. Da die Tiere durch die Jagd aufgescheucht werden und sich
       versprengen, würde dies das Infektionsrisiko massiv steigern.
       
       „Leider müssen wir erneut, wie so oft in Seuchengeschehen, auch die
       Systemkritik erneuern“, sagte Verbandspräsident Thomas Schröder: „Die
       Intensivhaltung von Schweinen in immer größeren Beständen sowie die
       Spezialisierung der Betriebe, verbunden mit häufigen Tiertransporten auch
       über Landesgrenzen hinweg, bergen das Risiko, dass sich notwendige
       Maßnahmen bis hin zur Tötung nicht mehr regional und auf wenige Tiere
       begrenzen lassen.“
       
       ## Kritik an Klöckner
       
       „Mit Blick auf die seuchenhygienische Gefahr sind vor allem Regionen mit
       einer sehr hohen Konzentration in der Schweinehaltung einem hohen Risiko
       ausgesetzt“, ergänzte der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag,
       Friedrich Ostendorff. Agrarministerin Klöckner müsse Antworten darauf
       geben, wie die Dezentralisierung und Entzerrung der [3][Schweinehaltung und
       der Schlachtung] erreicht werden könne.
       
       Die tierschutzpolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Susanne Mittag,
       teilte mit, die hohen Tierbestände in Deutschland, die oberhalb des
       Selbstversorgungsgrads liegen, erhöhten den Krankheitsdruck im Seuchenfall.
       „Der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland sollte Frau
       Klöckner zu konsequenterem Umdenken bringen.“
       
       10 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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