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       # taz.de -- Nach Brand im Lager Moria: EU verweist auf Merkel
       
       > 13.000 Geflüchtete sind nach dem Brand im griechischen Flüchtlingslager
       > Moria obdachlos. Aufnehmen will sie bislang keines der EU-Länder.
       
   IMG Bild: Im ausgebrannten Lager: die Bereitschaft der EU-Länder, Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen ist gering
       
       Kommt eine „europäische Lösung“ für die Flüchtlinge aus dem Lager Moria?
       Die EU-Kommission und der Ministerrat waren am Donnerstag vollauf damit
       beschäftigt, die Schuld für das europäische Versagen in Moria weit von sich
       zu weisen und nach dem deutschen Ratsvorsitz in Berlin zu rufen.
       
       Wenn es eine „europäische Lösung“ geben sollte, so müssten sich Kanzlerin
       Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer darum bemühen, so die
       vorherrschende Meinung in Brüssel. [1][Schließlich habe Deutschland bis
       Ende des Jahres den EU-Vorsitz inne]. Merkel und Seehofer geben die Agenda
       vor, nun wartet Brüssel auf Initiativen aus Berlin.
       
       Doch bislang kommt von dort lediglich die Zusage, insgesamt 400
       Minderjährige aus Moria aufzunehmen. Auf mehrere Länder, darunter
       Frankreich, verteilt.
       
       EU-Diplomaten erinnern an [2][2016, als Merkel schon einmal versucht hatte,
       eine „Koalition der Willigen“ aufzubauen] – ohne Erfolg. Die Kanzlerin lud
       zwar zu konspirativen Treffen in die österreichische EU-Vertretung in
       Brüssel, an denen Frankreich, Belgien und einige andere Staaten teilnahmen.
       Doch einen „Deal“ gab es nicht.
       
       ## Österreich und Niederlande unwillig
       
       Auch vier Jahre später scheint die Bereitschaft der EU-Länder, Flüchtlinge
       aus Moria aufzunehmen, gering. Die Visegrádstaaten Polen, Ungarn, die
       Slowakei und Tschechien scheiden ohnehin aus – sie haben sich schon bisher
       einer gemeinsamen Asyl- und Flüchtlingspolitik verweigert. Ungarn hat sogar
       seine Grenzen geschlossen.
       
       Aber auch Österreich und die Niederlande sagen Nein. „Wir müssen sehr
       vorsichtig sein, dass wir hier nicht Signale ausschicken, die dann eine
       Kettenreaktion auslösen, der wir vielleicht nicht mehr Herr werden“,
       [3][sagte der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg], der in
       Wien einer schwarz-grünen Regierung angehört.
       
       Sobald die Tür nach Europa einen Spalt weit offen sei, würden sich sofort
       wieder viele Migranten auf den Weg machen. „Wir müssen die Debatte
       de-emotionalisieren, wir müssen sie rationalisieren.“ Es helfe nicht, bei
       jedem Zwischenfall oder einer Notlage nach Verteilung zu rufen. „Das kann
       nicht die Lösung sein“, so Schallenberg.
       
       Ganz ähnlich klingt es in Den Haag. „Die Niederlande haben immer den
       Standpunkt vertreten, dass wir keine Menschen übernehmen“, sagte die
       Staatssekretärin im Justizministerium, Ankie Broekers-Knol. Die
       niederländische Regierung hatte Griechenland zuvor humanitäre Hilfe
       zugesagt. „Aber Flüchtlinge zu übernehmen, wie Deutschland das tun will, da
       ist die Antwort: Nein.“
       
       ## Merkel soll es richten
       
       Auch aus Belgien kam bisher kein Signal der Solidarität. Das Land steckt
       mitten in einer Regierungskrise und versucht zudem, Flüchtlinge an der
       belgischen Küste von der Überfahrt nach England abzuhalten. Anders als
       Luxemburg, das sich zur Aufnahme von Minderjährigen aus Moria bereit
       erklärt hat, wartet Belgien lieber ab.
       
       Dies gilt auch für die meisten anderen EU-Länder. Niemand möchte sich aus
       der Deckung wagen, alle warten auf eine Initiative aus Deutschland. Merkel
       soll es richten – genau wie 2016. Nicht einmal jene Mitgliedsstaaten, die
       sich im vergangenen Herbst zur Aufnahme von Flüchtlingen in Seenot bereit
       erklärt hatten, sind bisher an Bord.
       
       [4][Im vergangenen September hatte Seehofer auf Malta eine kleine
       „Koalition der Willigen“ versammelt.] Damals waren Deutschland, Frankreich,
       Italien und Malta vorgeprescht. Außerdem hatten Kroatien, Finnland, Irland,
       Litauen, Luxemburg und Portugal ihre Beteiligung zugesagt. Doch auch diese
       Gruppe kam letztlich nie zum Einsatz.
       
       Eine „europäische Lösung“ liegt in weiter Ferne, genau wie 2016.
       
       10 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Deutsche-EU-Ratspraesidentschaft/!5697814/
   DIR [2] https://apps.derstandard.at/privacywall/story/2000030908453/wien-laedt-zu-eu-sondergipfel-zur-fluechtlingskrise
   DIR [3] https://orf.at/stories/3180789/
   DIR [4] /Innenministertreffen-zur-Seenotrettung/!5629312/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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