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       # taz.de -- Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen: Das Drei-Parteien-System
       
       > In NRW können sich Grüne und CDU als Sieger fühlen. Selbst die gebeutelte
       > SPD sieht eine „Trendwende“. FDP, Linke und AfD bleiben chancenlos.
       
   IMG Bild: Personifizierte Erleichterung: Armin Laschets Kanzlerambitionen sind durch die NRW-Wahlen gestärkt
       
       Bochum taz | Armin Laschet braucht gute Nachrichten. „Die CDU hat
       gewonnen“, tönt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident deshalb am
       Sonntagabend mit Blick auf die landesweit 34,3 Prozent, die seine
       Christdemokraten bei den Kommunalwahlen erreicht haben. Laschet, der mitten
       [1][im Kampf um CDU-Bundesvorsitz und Kanzlerkandidatur] steckt, gibt sich
       erleichtert.
       
       „Sensationell“ seien die 20 Prozent der Grünen, freut sich auch deren
       Landeschefin Mona Neubaur. Und für die SPD erklärt der aus NRW stammende
       Co-Bundesvorsitzende Norbert Walter-Borjans die 24,3 Prozent der
       Sozialdemokraten in ihrem einstigen Stammland zur „Trendwende“.
       
       Wirklich zufrieden kann aber keine der drei Parteien sein. Laschets CDU hat
       das schlechteste Kommunalwahlergebnis seit 1946 eingefahren, die SPD
       sowieso. Landesweit dazugewonnen haben die Grünen – bei den Kommunalwahlen
       2014 kamen sie auf 11,7, bei der katastrophalen Landtagswahl 2017 sogar nur
       auf 6,4 Prozent. Mehr erhofft haben dürften sich Neubaur und ihr
       Co-Landesvorsitzender Felix Banaszak trotzdem: Noch vor 12 Tagen sah eine
       Umfrage [2][die Grünen auf Platz zwei] – vor den Sozialdemokraten. FDP,
       Linke und AfD spielen mit 5,6 Prozent, 3,8 und 5 Prozent bei den
       NRW-Kommunalwahlen dagegen kaum eine Rolle.
       
       Die Grünen aber sind trotz der leicht entäuschenden Ergebnisse vom Sonntag
       dabei, sich neben CDU und SPD als zweite oder dritte Volkspartei zu
       etablieren. Stark sind sie vor allem in Groß- und Universitätsstädten: In
       Köln und Bonn stellen die Grünen mit 28,5 und 27,8 Prozent künftig die
       größte Ratsfraktion. Und ausgerechnet in Laschets Heimatstadt Aachen, wo
       der amtierende CDU-Oberbürgermeister Marcel Philipp nicht mehr antreten
       wollte, gelang ihnen die Demütigung der Christdemokraten: Bei den
       Stadtratswahlen hat die CDU mit 24,8 Punkten mehr als 10 Prozentpunkte
       verloren. Mit Abstand stärkste Kraft im Aachener Kommunalparlament sind
       stattdessen jetzt die Grünen mit 34,1 Prozent.
       
       ## Es geht ums Personal
       
       Auch bei der Direktwahl zur Rathauschefin liegt die grüne Kandidatin, die
       Kulturmanagerin Sibylle Keupen, mit fast 39 Punkten weit vor den Kandidaten
       von CDU und SPD, die im ersten Wahlgang auf knapp 25 und 23 Prozent kamen.
       Auch in Bonn hat die grüne Oberbürgermeisterkandidatin Katja Dörner ein
       gutes Ergebnis eingefahren: Sie holte mehr als 27,5 Prozent – gegen
       CDU-Amtsinhaber Ashok-Alexander Sridharan, der auf knapp 34,5 Punkte kam.
       
       Kommunalwahlen bleiben damit zumindest in Nordrhein-Westfalen
       Personenwahlen, bei denen die amtierenden Oberbürgermeister nicht selten
       mit einem Vertrauensvorschuss ins Rennen gehen – und bei denen die alte
       Bündniskonstellation Rot-Grün oft noch funktioniert. So wurden die von den
       Grünen unterstützten Rathauschefs von Bochum und der bergischen Städte
       Remscheid und Solingen, Thomas Eiskirch, Burkhard Mast-Weisz und Tim
       Kurzbach, mit absoluten Mehrheiten von knapp 62 beziehungsweise 61 und 56
       Prozent schon im ersten Wahlgang wiedergewählt, müssen also nicht in die
       Stichwahl zwischen Erst- und Zweitplatziertem.
       
       In Nordrhein-Westfalens größter Stadt Köln verpasste die von CDU und Grünen
       unterstützte Oberbürgermeisterin Henriette Reker die absolute Mehrheit
       überraschend deutlich. Die parteilose Rathauschefin holte etwas mehr als 45
       Prozent. Reker war bei der letzten Umfrage noch auf mehr als 60 Prozent
       taxiert worden war, muss damit überraschend in die Stichwahl gegen
       SPD-Herausforderer Andreas Kossiski, für den sich knapp 27 Prozent der
       Wähler*innen entschieden.
       
       In Wuppertal liegt der von der CDU unterstützte Grünen-Kandidat Uwe
       Schneidewind knapp vorn: Der Ex-Geschäftsführer des Wuppertal-Institus für
       Klimaforschung kam auf 40,8, der amtierende SPD-Oberbürgermeister Andreas
       Mucke auf 37 Prozent.
       
       ## Immerhin: SPD-Sieg in einigen traditionellen Hochburgen
       
       Für die CDU wurden in den 22 Großstädten Nordrhein-Westfalens im ersten
       Wahlgang nur Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen mit mehr als 54 Prozent
       sowie Christoph Tesche in Recklinghausen mit 60,8 Prozent wiedergewählt.
       Allerdings hatte sich die sozialdemokratische Konkurenz in Essen zuvor
       selbst zerlegt: Die SPDler hatten sich um Folgen und Kosten des Zuzugs von
       Geflüchteten und Migrant*innen aus Südosteuropa verstritten– im Konflikt um
       die Integrationspolitik war Essens SPD-Vize Karlheinz Endruschat Anfang
       2020 sogar aus der Partei ausgetreten.
       
       Auf dem Land konnten die Christdemokraten ihre traditionelle Stärke oft
       behaupten: So siegte im ostwestfälischen Höxter an der Grenze zu
       Niedersachsen der CDU-Kandidat Michael Stickeln mit überdeutlichen 72,9
       Prozent.
       
       Die SPD konnte sich in Teilen des Ruhrgebiets über traditionelle
       Wahlergebnisse freuen: So holte Bottrops amtierender Rathauschef Bernd
       Tischler bei der Direktwahl zum Oberbürgermeister mehr als 73 Prozent. In
       Herne kam sein Amtskollege und Parteifreund Frank Dudda auf mehr als 63
       Prozent.
       
       In Dortmund muss [3][SPD-Kandidat Thomas Westphal] mit knapp 36 Prozent in
       die Stichwahl gegen den Christdemokraten Andreas Hollstein, der auf knapp
       26 Prozent kam. Der CDU-Mann, der bisher Oberbürgermeister im
       sauerländischen Altena war und dort 2017 wegen seiner liberalen
       Migrationspolitik Opfer einer Messerattacke wurde, bemühte sich sofort um
       die Grünen, die im Rat mit knapp 25 Prozent die zweitstärkste Fraktion nach
       der SPD stellen: Er sei „ein Brückenbauer“, erklärte der Christdemokrat,
       der auch auf der Wahlparty der Dortmunder Grünen dafür warb, die
       Sozialdemokraten abzulösen, die in Dortmund seit 1946 durchgehend den
       Oberbürgermeister stellen.
       
       Ob Dortmunds Grüne um ihre Spitzenkandidatin Daniela Schneckenburger aber
       tatsächlich eine Wahlempfehlung für Hollstein aussprechen, bleibt
       abzuwarten: Bei ihrer traditionell links tickenden Dortmunder Wählerschaft
       könnte das die Grünen viele Stimmen kosten.
       
       Ähnlich ist die Lage auch in der Landeshauptstadt Düsseldorf, wo der grüne
       Spitzenkandidat Stefan Engstfeld im Rennen um das Amt des Rathauschefs mit
       17 Prozent auf Platz drei landete. In die Stichwahl gehen Stephan Keller
       von der CDU mit 34 und SPD-Amtsinhaber Thomas Geisel mit 26 Prozent. Der
       Grüne Engstfeld hat allerdings schon angedeutet, dass es am Rhein eine
       Wahlempfehlung geben könnte – wohl zugunsten des Sozialdemokraten: Im
       Stadtrat jedenfalls haben die Grünen in den vergangenen sechs Jahren mit
       SPD und FDP kooperiert.
       
       14 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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