# taz.de -- „Tatort“ aus dem Schwarzwald: Männer in der Krise
> Êine Frau wird vergewaltigt und die Kommissare stehen vor einem
> moralischen Dilemma: Brechen sie das Gesetz, um den Täter zu finden?
IMG Bild: Idyllisch haben sie's, die Kommissare Berg (Hans-Jochen Wagner) und Tobler (Eva Löbau)
Es braucht kaum Worte, um klarzumachen, was hier passiert ist. Die Bilder
erzählen es: eine unsichere Frau wird von einer Ärztin ausgezogen – „die
Unterhose bitte auch“. Ihr Körper ist übersät mit blauen Flecken, am Kopf
eine Wunde. Mit gespreizten Beinen sitzt sie auf einem gynäkologischen
Stuhl, die Ärztin nimmt einen Vaginalabstrich.
Es gab ein Weinfest am Abend zuvor, die Frau (Victoria Trauttmansdorff)
tanzte, trank viel, flirtete mit einem Mann und lief allein nach Hause.
Dann setzt ihre Erinnerung aus.
Die Schwarzwaldkommissare Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner)
finden einen ähnlichen Fall auf der französischen Rheinseite. Das damalige
Opfer ist nach der Vergewaltigung gestorben, der Täter wurde nie gefasst.
Die deutschen Kommissare bitten die französischen Kollegen um Auskunft –
und die können helfen.
Theoretisch zumindest, denn die Franzosen wissen mehr als die Deutschen
wissen dürfen. In Frankreich ist zu dem Zeitpunkt, zu dem der „[1][Tatort]“
spielt, schon erlaubt, was in Deutschland [2][erst Ende 2019 erlaubt wird]:
die erweitere DNA-Analyse, mit der Alter, Haut-, Haar- und Augenfarbe von
einem Täter ermittelt werden können.
## Das Gesetz übergehen, um den Täter zu finden?
Tobler und Berg stehen vor einem moralischen Dilemma: Übergehen sie das
deutsche Gesetz und besorgen sich die Informationen? Oder halten Sie sich
an ihre Chefin, die [3][die erweiterte DNA-Analyse verdammt]?
Die Kommissare kreisen schließlich drei potentielle Täter ein. Ein
wirkliches Motiv hat keiner, und damit irgendwie doch alle. Jeder geht
gerade durch eine Krise und löst sie auf seine sehr männliche Art:
sexistisch, aggressiv, mit Alkohol.
Nicole Armbruster und Barbara Kulcsar, die Autorin und die Regisseurin des
Films, haben sich viel vorgenommen für diesen Fall: Es geht um sexuelle
Gewalt, um gekränkte Männlichkeit, um Rassismus und die Stigmatisierung von
Minderheiten. Das ist viel für 90 Minuten, und so gerät einiges, das gut
erdacht ist, holzschnittartig. Die Dialoge über die Frage, welche
DNA-Informationen Polizisten nutzen dürfen sollten, klingen teilweise wie
von der Ethikkommission diktiert.
Absolut überzeugend aber ist Victoria Trauttmansdorff, die nach der
Vergewaltigung so gar nicht das gebrochene Bild abgeben möchte, das alle
von ihr erwarten: „Die Opferschublade geht mir so auf die Nerven“, sagt
sie, was auch als Appell an sämtliche „Tatort“-MacherInnen verstanden
werden darf. Ein so klischeefreies starkes Opfer sieht man tatsächlich
selten im deutschen Krimi.
27 Sep 2020
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## AUTOREN
DIR Anne Fromm
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