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       # taz.de -- Springer-Chef kritisiert „Bild“: Der Entschuldigungs-Wettbewerb
       
       > Mathias Döpfner, Chef des Axel Springer Verlags, gesteht öffentlich
       > Fehler in der Solingen-Berichterstattung der „Bild“ ein. Glaubhaft ist
       > das nicht.
       
   IMG Bild: Haben Kreide gefressen: Die „Bild“ und der böse Wolf in einer Illustration von Karl Fahringer
       
       Im Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein frisst der Wolf Kreide, um den
       kleinen Ziegen etwas vorzumachen. Ein wenig staubte es auch bei der Rede
       von Springer-Chef Mathias Döpfner, die er am Dienstag beim diesjährigen,
       erstmals virtuellen Zeitungsverlagskongress hielt.
       
       Da ging er auch auf den Umgang seiner Bild [1][mit dem Kindesmord in
       Solingen] ein: „Wir haben Fehler gemacht: Bild hat WhatsApp-Nachrichten
       eines Kindes, das überlebt hat, in einem Artikel eins zu eins
       veröffentlicht. Wir haben den Schutz von Minderjährigen in diesem Fall
       missachtet“, sagte Döpfner. Und dass sie „intern seither viel und sehr
       kritisch über diesen Vorgang diskutiert“ hätten. Wenn der Kollege
       Kai-Hinrich Renner von der Berliner Zeitung recht hat, soll sogar der Stuhl
       von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt [2][kurz gewackelt haben.]
       
       Wenn man allerdings die lange Tradition der kalkulierten
       Grenzüberschreitungen der Bild-Zeitung Revue passieren lässt, wirkt auch
       dieses Schuldbekenntnis scheinheilig. Wie viele von den Rügen, die der
       Presserat beim Verstoß gegen die journalistische Ethik und den Pressekodex
       ausspricht, gingen bei der aktuellen September-Vergabe an Bild? Sechs von
       fünfzehn, dazu kommt noch eine für die kleine Berliner Bild-Schwester B.Z.
       Knapp die Hälfte, also.
       
       Und auch der Entschuldigungs-Schönheitswettbewerb auf dem Boulevard ist
       stets der gleiche. Bild haut drauf, bis es spritzt. Die erste
       Empörungswelle wird gekontert, indem Bild auf andere Medien zeigt, die auch
       Dreck am Stecken haben. Im Fall Solingen war das vor allem RTL. Ironie des
       Schicksals: Dort ist mit Tanit Koch eine ehemalige Bild-Chefredakteurin für
       die Nachrichten zuständig.
       
       ## Schuld sind erstmal die anderen
       
       „Andere Medien haben zu Recht diese Grenzüberschreitung kritisiert. Manche,
       obwohl sie selbst auch aus den privaten Nachrichten des Jungen zitiert
       hatten“, merkte denn auch Döpfner. Um in seiner Rede dann weiter Kreide zu
       fressen und zu versprechen: „Wir wollen und müssen es in Zukunft besser
       machen.“
       
       Wenn Bild den Bogen so richtig überspannt hat, kommt es hier und da
       zusätzlich zu einer Art Generalbeichte. Die nimmt dann auch schon mal der
       oberste Konzernvorstand Döpfner höchstpersönlich ab. Zum Beispiel, als Bild
       den Virologen Christian Drosten madig zu machen versuchte und damit
       ziemlich vor die Wand fuhr. Da besprachen Döpfner und Reichelt [3][das
       Ganze anschließend] im Springer-Podcast inside.pod.
       
       Döpfner packte aber nicht wie der Jäger im Märchen dem Bösewicht Steine in
       den Bauch. Sondern kritisierte [4][das Vorgehen gegenüber Drosten], für
       das es übrigens auch eine Rüge vom Presserat gab, eher onkelhaft als
       „dummen Fehler“. Was am Ende stark nach „kann schon mal passieren, Schwamm
       drüber“ klingt. Und – das ist die traurige Moral von der Geschichte – so
       halten es Bild und der böse Wolf auch.
       
       16 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-Solingen-Berichterstattung/!5708395/
   DIR [2] https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/wie-sehr-wackelt-der-bild-chefredakteur-li.104287
   DIR [3] https://kress.de/news/detail/beitrag/145238-julian-reichelt-spricht-mit-mathias-doepfner-ueber-einen-dummen-fehler-und-seine-zweifel.html
   DIR [4] /Bild-vs-Virologe-Drosten/!5685056/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Steffen Grimberg
       
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