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       # taz.de -- Konzerttipps für Berlin: „Kunst mag ich, Künstler nicht“
       
       > Live-Acts der Woche: von experimentellen Klangwelten beim Kiezsalon bis
       > zu Neo-Klassik unter freiem Himmel in den Marzahner Gärten der Welt.
       
   IMG Bild: Auftritt auf der HKW-Dachterrasse: US-Produzentin Laurel Halo
       
       Auch wenn die spätsommerliche Hitze gerade darüber hinwegtäuscht– die
       dunkle Jahreszeit steht unmittelbar bevor. Wer daran erinnert werden will
       und zugleich den Sommer bei experimentellen Klängen und gutem Wein vor
       hübscher Kulisse verabschieden möchte, kann das am Mittwoch auf der
       Dachterrasse des Haus der Kulturen der Welt tun.
       
       Dort gab es im Hochsommer unter dem Motto „20 Sunsets“ ja allerhand
       Konzerte und Lesungen; bei denen glitzerte die Restsonne tatsächlich im
       Konzertzeitfenster noch atmosphärisch in der Spree. Jetzt gibt es einen
       Nachzüglertermin, den 21. Sonnenuntergang sozusagen. Ausgerichtet wird der
       vom [1][Kiezsalon], zu dem Laurel Halo and Julia Reidy so experimentelle
       wie vielschichtige Klangwelten mitbringen.
       
       Und es lohnt sich, bereits eine Stunde vor Konzertbeginn zu kommen. Zum
       einen dem Salongedanken zuliebe, schließlich geht es bei dieser
       Veranstaltungsreihe auch um Kommunikation ums Musikerlebnis herum. Zum
       anderen, um in dieser lauen Nacht eben doch noch einmal die Sonne in diesem
       Setting untergehen zu sehen(16. 9., 20 Uhr, John-Foster-Dulles-Allee 10,
       ausverkauft; von außerhalb an der Spree oder den Wiesen drumherum lässt
       sich aber schön mitlauschen).
       
       Die in Berlin lebenden Detroiterin [2][Laurel Halo] veröffentlichte zuletzt
       ihre Vertonung des Essayfilms „Possessed“, bei dem es um die aus den Fugen
       geratenen Welt geht. Man darf gespannt sein, woran sie in den eher einsamen
       letzten Monaten gebastelt hat.
       
       Die Australierin [3][Julia Reidy] – unter anderem arbeitet sie als Mitglied
       des Splitter-Orchesters zwischen improvisierter und Neuer Musik – hat auf
       jeden Fall neue Eigenkompositionen im Gepäck. Gerade erschien ihr Album
       „Vanish“: ausufernd-psychedelische Stücke, in denen sie folkig
       Fingerpicking auf ihrer zwölfsaitige Gitarre mit verwaschenen Synthiesounds
       und autogetunten Gesang zusammenbringt.
       
       Dass er in Berlin immer wieder voll funktionstüchtige Fernseher auf der
       Straße findet, stimmt den japanischen Künstler [4][Seiji Morimoto]
       melancholisch – so sehr, dass er seine Sound-Video-Installation mit dem
       Titel „SORROW“ dem Röhrenfernseher der Marke Braun gewidmet hat.
       
       ## Soundwelten des Röhren-TV
       
       Die werden nämlich seiner Beobachtung nach besonders häufig rausgeworfen –
       nicht zuletzt, weil ihre Besitzer von Media Receivern und ähnlichen
       Gerätschaften dazu gezwungen werden, sind die doch einfach nicht mehr
       kompatibel mit SCART-Kabelei. Eröffnet wird diese Fusion aus Fotos und
       Soundwelten – man hört etwa, wie die Elektroden durch Röhren sausen, oder
       so ähnlich – am Freitag im Projektraum [5][SPEKTRAL-RAUMOHR] (18. 9., 18
       Uhr, Motzstr. 91, kostenlos).
       
       Noch ein Outdoor-Konzert in schöner Umgebung, gleich neben dem koreanischen
       Garten in den Marzahner Gärten der Welt gibt es dann am Sonntag mit der
       Cellistin [6][Anne Müller]. Die kollaborierte schon mit allerhand Kollegen,
       unter anderem dem Neo-Klassik-Pianisten Nils Frahm; im vergangen Frühwinter
       erschien ihr Solodebüt „Heliopause“.
       
       Kosmopolitische Klangwelten mitbringen wird der zweite Künstler des Abends,
       Markus Sieber aka [7][Aukai], mit seinem Album „Game Trails“. Auf dem geht
       es um das Unterwegssein. Seibers Hauptinstrument ist übrigens, dazu
       passend, eine Mandoline aus den Anden (20. 9., 17 Uhr, Einlass ab 16 Uhr
       über Eisenacher Str. 99, Eintritt 31,50 Euro).
       
       Ebenfalls am Sonntag eröffnet in der Volksbühne die Musiksaison – mit einem
       Genre, das in diesen Zeiten bommt, zu denen es ja tatsächlich viel zu sagen
       gibt: der Spoken Word Performance.
       
       ## Musik-Poetry und alte Säcke
       
       Die ersten beiden Ausgaben von [8][Danielle de Picciottos] Poetry Salon
       waren ausverkauft, nun wandert man coronabedingt vom Roten Salon ins Großen
       Haus Und so vielseitig wie die Multimediakünstlerin de Picciotto
       aufgestellt ist, gibt es neben Worten auch reichlich Kunst und Musik (20
       Uhr, Rosa-Luxemburg-Platz, Eintritt 18 Euro).
       
       Am Freitag darauf stellen [9][OIL] ihr Album „Naturtrüb“ im Garten des
       Humboldthain Club vor (25. 9., 20 Uhr, Hochstr. 46, Eintritt 14,30 Euro).
       Zeitgleich zum Debüt der Hamburg-Berlin-Combo erschien übrigens das Buch
       zur Band.
       
       In dem karikieren sich die vier Mitglieder unter anderem als „alte Säcke,
       die es nochmal wissen wollen“: Autor und Plattenladenbetreiber Gereon Klug
       und die drei Musiker „Reverend“ Christian Dabeler, Maurice Summen (zudem
       Labelchef von Staatsakt) und Timur Çirak (auch als Comickünstler aktiv,
       unter anderem steuert er Illustrationen bei). Allein für Aussagen wie
       „Kunst mag ich, Künstler nicht“ muss man diese Band einfach mögen.
       
       16 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.kiezsalon.de/
   DIR [2] https://laurelhalo.bandcamp.com/
   DIR [3] http://www.julia-reidy.com/
   DIR [4] https://www.seijimorimoto.com/
   DIR [5] https://spektral-raumohr.tumblr.com/
   DIR [6] https://de-de.facebook.com/annemullercello/
   DIR [7] https://www.aukaimusic.com/
   DIR [8] https://www.danielledepicciotto.com/
   DIR [9] https://www.facebook.com/Frackit/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stephanie Grimm
       
       ## TAGS
       
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