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       # taz.de -- Neue Steuergesetze in Belarus: Der Staat langt allen in die Tasche
       
       > In Belarus wird jeden Tag alles teurer. Das hat vielleicht auch etwas
       > Positives. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge
       > 48.
       
   IMG Bild: Demonstration in Minsk Anfang November 2020
       
       Am 1. Januar sind in Belarus neue Steuergesetze in Kraft getreten. Nach der
       Lektüre kann man zu folgendem Schluss kommen: Die Staatsmacht braucht
       schnell Geld, [1][das Regime muss zahlen], doch es ist nichts da. Die
       Auslandsverschuldung beträgt 18,151 Milliarden US-Dollar – ein absoluter
       Rekord in der Geschichte des souveränen Belarus.
       
       Die erste Änderung: Für Mitarbeiter des Unternehmens Belarus Hi-Tech Park
       in Minsk (PWT) wird die Einkommenssteuer von 9 auf 13 Prozent erhöht.
       Früher hatte der Staat PWT noch spezielle Bedingungen garantiert – die
       Zuweisung bestimmter Plätze und steuerliche Anreize. Genau das machte die
       Unternehmen für Investoren viele Jahre lang interessant und verhalf PWT zu
       seiner Reputation als führendes IT-Cluster in Osteuropa. Jetzt werden die
       „Eierköpfe“, wie Alexander Lukaschenko sie unverschämterweise nennt,
       gewöhnlichen Steuerzahlern gleich gestellt.
       
       Genauer gesagt in den kommenden zwei Jahren. Sie werden die ihnen bislang
       bis zum 1. Januar 2049 garantierten Privilegien für den Kampf gegen
       Covid-19 abgeben müssen. Eine Krankheit, die, um es wieder mit den Worten
       [2][Lukaschenkos] zu sagen, unsichtbar ist und daher nicht existiert – eine
       „Psychose“ eben. Doch das Ding ist, dass auch Reputation schwer zu sehen,
       aber deshalb nicht weniger wichtig ist. Der Jurist Denis Alejnikow, einer
       der Urheber von „PWT 2.0“, sagt: „Steuern vorübergehend zu erhöhen, kann
       die Reputation für immer kosten.“ Doch anscheinend denkt das
       Finanzmisterium nicht in solchen Kategorien.
       
       Jedoch halten die neuen Steuergesetze auch für Otto Normalverbraucher
       Überraschungen bereit. Für denjenigen, der Wohnungen, Datschen,
       Gartenhäuschen, Garagen und andere unbewohnte Gebäude vermietet. Erhöhungen
       berühren auch einzelne Unternehmer und andere natürliche Personen, die eine
       Einheitssteuer bezahlen.
       
       Zum Beispiel: Für die Erstellung einer Webseite, die Einrichtung eines
       Computers und die Installation von Software werden in Minsk jetzt 116 Rubel
       (37 Euro) anstatt 97 Rubel (31 Euro) fällig. Wenn Du Privatlehrer bist,
       musst du aus deiner Tasche 1,50 Euro mehr Einheitssteuer zahlen als im
       vergangenen Jahr. Ähnliche Summe sind für die Organisatoren von Hochzeiten,
       Dreharbeiten, Dienstleitungen in Frisör- und Kosmetiksalons,
       Möbelreparaturen und Bauarbeiten vorgesehen.
       
       Am härtesten trifft es diejenigen Minsker, die nicht als Privatunternehmer
       registriert sind. Das ist wie beim Verkauf von Kätzchen! Da sind 46 Rubel
       (15 Euro) zu zahlen. Lustig ist, dass in Belarus das Gesetz über die Arbeit
       mit Tieren noch in der Beratungsphase ist. Selbst wenn du also ein kleines
       Kätzchen bist – zahl zuerst ins Budget ein und gib dich erst dann deinen
       Emotionen hin.
       
       So scheinen die monatlichen Steuersätze nur unwesentlich anzusteigen,
       (durchschnittlich um ein bis zwei Euro), jedoch bringt das dem
       Staatshaushalt laut Prognosen rund eine Milliarde belarussischer Rubel ein.
       
       Und da wird es interessant: In Pandemiezeiten versucht die Mehrheit der
       Länder das kleine und mittlere Business zu unterstützen. In Belarus ist
       alles umgekehrt. Der Staat scheut sich nicht, allen und jedem in die Tasche
       zu greifen.
       
       Zum 1. Januar tritt auch eine neue Transportsteuer in Kraft. Die müssen
       alle Autobesitzer zahlen – unabhängig davon, ob sie am Straßenverkehr
       teilnehmen. Es ist bemerkenswert, dass außer dieser Steuer auch noch
       Abgaben auf Benzin und Dieselkraftstoff erhoben werden. Zudem liegt es im
       Ermessen der Bezirksverwaltungen in Grenzgebieten, eine Gebühr in Höhe von
       28 Euro für die Ausreise aus Belarus per Auto zu erheben.
       
       Und das alles angesichts einer Erhöhung des Rentenalters, höherer Tarife
       für kommunale Dienstleistungen und Elektrizität, wachsender Mehrwertsteuern
       auf einige Arzneimittel sowie der Besteuerung von Einkommensteuer-Cashback,
       das sich auf Bankkarten befindet.
       
       Wir sehen: Belarusse zu sein bedeutet, dass mit jedem Tag alles teurer
       wird. Jedoch kann man darin auch etwas Positives sehen. Die Staatsmacht
       erhöht damit den Basiswert, auf dessen Grundlage finanzielle Hilfen und
       Strafzahlungen berechnet werden.
       
       Das bedeutet, dass sie sich mit letzter Kraft und mit blauen Fingern (das
       heißt mit Gewalt, Anm. d. Red.) an ihren Sessel klammert. Das sind
       Lukaschenkos eigene Worte. Er will einfach nicht verstehen, dass das Volk
       ihm schon lange das Vertrauen entzogen hat.
       
       Aus dem Russischen Barbara Oertel
       
       6 Jan 2021
       
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