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       # taz.de -- Haushalt 2021 in Belarus: Wir brauchen mehr Milizionäre
       
       > Die Ausgaben für Vertreter der Sicherheitskräfte reichen offensichtlich
       > nicht aus. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge
       > 45.
       
   IMG Bild: Sicherheitskräfte mit beschlagnahmter rot-weißen Flagge während einer Demonstration in Minsk
       
       Vieles wird dir klar, wenn du in der Lage bist offizielle Zahlen zu lesen.
       Kürzlich verabschiedete das Repräsentantenhaus der Nationalversammlung der
       Republik Belarus ein Gesetz über den Haushalt für das Jahr 2021. Jetzt
       wissen wir, woher die belarussische Staatsmacht Geld nimmt und wie sie es
       ausgibt.
       
       So ist vorgesehen, dass das Haushaltsdefizit ungefähr vier Milliarden
       belarussische Rubel betragen soll (umgerechnet mehr als 1,3 Milliarden
       Euro). Auf die rechtsprechende Gewalt, die Tätigkeit von
       Strafverfolgungsbehörden und den Bereich Sicherheit entfallen 2,77
       Milliarden belarussische Rubel (rund 902 Millionen Euro). Diese Summe ist
       um umgerechnet fast 98 Millionen Euro höher als im laufenden Jahr. Für die
       Verteidigung sind Ausgaben in Höhe von umgerechnet mehr als 475 Millionen
       Euro geplant, das sind 58,6 Millionen Euro mehr, als 2020.
       
       Interessant ist, dass die geplanten Ausgaben für die kommunale
       Wohnungswirtschaft bei umgerechnet 126,6 Millionen Euro liegen – halb so
       viel, wie in diesem Jahr.
       
       Sieh mal einer an: Den Hausverwaltern wird Geld weggenommen, um es Richtern
       und Milizionären zu geben. Sie haben es offensichtlich nötiger. Minsk war
       lange Zeit stolz darauf, dass Gästen der Hauptstadt immer deren Sauberkeit
       auffiel. 2021 werden entlang der Hauptstraße wohl Milizionäre anstatt
       Mülltonnen stehen. In den Augen unserer Abgeordneten sind das austauschbare
       Dinge.
       
       110 Parlamentarier, die meiner Meinung nach, reichlich weit vom Volk
       entfernt sind. Von einem belarussischen Volk, das auf der Webseite
       change.org bereits mehr als 50.000 Unterschriften für die Anerkenning der
       OMON-Truppen als terroristische Vereinigung gesammelt hat. Und von einem
       Volk, das ein Video von Belarussen ins Internet gestellt hat, die in
       Polizeistationen geschlagen werden.
       
       Jedoch verzichten die Vertreter der Machtstrukturen nicht darauf, den
       Zuschauern des Youtube-Videos, auf dem die Folter von Häftlingen
       festgehalten ist, eine Erklärung zu geben: Männer und Frauen mit
       gefesselten Händen liegen, mit dem Gesicht nach unten, in einem Sportsaal
       einer regionalen Abteilung für Inneres (RUWD). Viele werden brutal
       geschlagen.
       
       Doch die Erklärungen sind so gehalten, dass es besser gewesen wäre zu
       schweigen. „Was die vorliegende Frage anbetrifft, dass heißt ein Video, auf
       dem Mitarbeiter des Frunsener RUWD sich gegenüber Festgenommenen nicht sehr
       gut verhalten, so wird eine Überprüfung stattfinden. Das hat der Minister
       angeordnet. Je nach den Ergebnissen der Überprüfung, werden bestimmte
       Schlußfolgerungen gezogen“, sagte der erste Stellvertreter des Chefs des
       Innenministeriums, Juri Nasarenko.
       
       Ich persönlich würde gerne wissen, was „bestimmte Schlußfolgerungen“
       bedeutet. Informationslecks zu verhindern? Denn das Video hat [1][ein
       Milizionär] aufgenommen. Nachdem es öffentlich geworden war, wurden nicht
       nur den Organen, sondern auch dem Ministerium die Augen geöffnet.
       
       Ja, gebrochene Rippen und ausgeschlagene Zähne, das ist „nicht sehr schön“,
       Herr Minister. Und genauso so unschön ist, dass bis jetzt kein einziges
       Strafverfahren wegen Mordes und Gewalt von seiten der Vertreter der
       Sicherheitsstrukturen eingeleitet worden ist.
       
       Nicht gut ist auch, dass der Chef des KGB, Iwan Tertel, sich eine derartige
       Aussage erlaubt: „Um das Verhalten der Strafverfolgungsbehörden ranken sich
       viele Mythen, die Situation wird absichtlich eskaliert. Genosse Tarajnowski
       oder Tarajkowski ist in Minsk gestorben. Doch wer diese Bilder gesehen hat,
       dem ist nicht entgangen, dass dieser Mensch vor einem OMON-Polizisten
       steht, er kommt auf die Straßen und baut sich dreist vor der Miliz auf. Er
       steht da, ganz gezielt.“
       
       Ist der Generalleutnant so ungebildet, dass er sich nicht an den Nachnamen
       des ersten offiziell umgekommenen Protestierenden erinnert? Hält er es
       schon für ein Verbrechen, wenn jemand aufrecht da steht? Vielleicht dürfen
       wir bald auch nicht mehr ohne Erlaubnis atmen und wissen das bloß noch
       nicht.
       
       Dass es unsicher ist, in den Hof des eigenen Hauses zu gehen, haben wir am
       [2][Beispiel von Roman Bondarenko] (Demonstrant, der am 12. November 2020
       an den Folgen eines Polizeieinsatzes starb, Anm. d. Red.) gesehen.
       
       Und auf Ihre Worte: „Ein Mensch ist gestorben? Wer? Bondarenko? Es findet
       eine Überprüfung statt. Lassen Sie uns nicht übertreiben, bis die
       entsprechenden Organe nicht alles untersucht haben“, möchten wir entgegnen:
       Bei der Mehrheit normaler Menschen sind entsprechende Organe Köpfe mit
       Gehirnen im Schädel. Normalerweise gibt der Kopf anderen Organen des
       Körpers ein Signal, dass unbewaffnete Menschen zu Tode zu prügeln „nicht
       sehr gut“ ist. Bitte überprüfen Sie, ob Sie etwas in der Birne haben.
       
       Aus dem Russischen Barbara Oertel
       
       28 Dec 2020
       
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