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       # taz.de -- Bayerns Atommüll-Dilemma: Söder gegen Söder
       
       > Der Streit ums Atommüll-Endlager ist nicht der Lackmustest für die
       > Kanzlerambitionen des CSU-Chefs. Aber er wirft eine entscheidende Frage
       > auf.
       
   IMG Bild: „Wir müssen uns stellen, keine Frage“, sagte der Ministerpräsident
       
       Die Versuchung war sicherlich da, und es gab Zeiten, da hätte ihr ein
       Markus Söder wohl kaum widerstehen können: die Versuchung, mal wieder so
       richtig auf den Tisch zu hauen, den Mir-san-mir-Bayern raushängen zu
       lassen, denen da oben im übrigen Deutschland deutlich verstehen zu geben,
       dass sich Bayern das nicht gefallen lasse und in diesem schönen Freistaat
       ganz bestimmt kein Platz für ein [1][Atommüll-Endlager] sei. Basta! Der
       Beifall der CSU-Stammtische wäre dem Ministerpräsidenten sicher gewesen.
       Restdeutschland jedoch hätte mal wieder die Nase gerümpft über Söder, die
       CSU oder gleich ganz Bayern. Allzu fein wird in solchen Situationen nicht
       unterschieden.
       
       Aber Söder widerstand. In die Falle, es sich mit den einen oder den anderen
       zu verderben, tappte der Mann, in dem nicht wenige den Heilsbringer der
       Union sehen, nicht. Stattdessen war seine Reaktion auf den
       [2][Zwischenbericht zur Endlagersuche] wohlaustariert. „Wir müssen uns
       stellen, keine Frage“, sagte der Ministerpräsident. Ausschließen gehe
       nicht. Aber schon wissen, wie’s ausgeht, gehe eben auch nicht.
       Allgemeinplätze, gegen die sich kaum etwas vorbringen lassen kann. Und mit
       dem Befremden darüber, dass ausgerechnet [3][Gorleben] schon zum jetzigen
       Zeitpunkt ganz raus ist, steht Söder nicht allein da. Auch die Annahme,
       dass das Nürnberger Stadtgebiet vielleicht kein idealer Standort sein
       könnte, wird man Söder zugestehen, ohne gleich Eigeninteressen des
       Nürnbergers zu unterstellen.
       
       Söder hält zwar an seiner Einschätzung fest, dass die bayerischen Böden –
       ganz gleich, ob Salz, Ton oder Granit – für ein Endlager ungeeignet sind,
       verschließt sich aber nicht einer weiteren Erkundung, es werde keine
       Totalblockade geben. Die schlimmste Drohung hört sich so an: „Wir bringen
       uns konstruktiv ein. Konstruktiv heißt aber auch: mit Argumenten.“ Und die
       schärfste Kritik kriegen ohnehin die bayerischen Grünen ab, da kann man
       schließlich nichts falsch machen: Wie die sich bei der Standortsuche
       anbiederten, schimpft Söder, das gehe gar nicht.
       
       Klar ist, dass die Staatsregierung in den kommenden Jahren alle Kräfte
       aufbieten wird, um ein Endlager unter bayerischem Boden zu verhindern.
       Söder hat bereits eigene Expertisen angekündigt. Wie ergebnisoffen diese
       angelegt sein werden, darüber lässt sich trefflich spekulieren. Jedenfalls
       dürfte seine Argumentationslinie auch weiterhin eine strikt
       wissenschaftliche bleiben.
       
       Für das andere hat Söder seinen kleinen Koalitionspartner. Bei der
       Pressekonferenz am Montag hatte der Ministerpräsident denn auch Thorsten
       Glauber, den Umweltminister von den Freien Wählern, im Schlepptau, der
       sogleich polemisierte, dass den Bericht auch ein Geologiestudent im dritten
       Semester hätte anfertigen können, und prophezeite, dass kein Thema die
       Menschen in den bayerischen Regionen künftig mehr bewegen werde als die
       Standortsuche.
       
       Und Glaubers Parteifreund Florian Streibl, seines Zeichens Fraktionschef im
       Landtag, legte gleich noch mit einer Watschn für Söders Vorgänger Horst
       Seehofer nach: Man müsse jetzt ausbaden, was jener 2013 verbockt habe, als
       er zugestimmt habe, die Gebietskulisse für die Atommüll-Endlagersuche auf
       Bayern auszudehnen – im Gegenzug für die Ausländermaut. Für ein
       „Linsengericht“, so Streibl, habe Seehofer die Heimat verkauft.
       
       Angriffe auf seinen Vorgänger steckt Markus Söder in der Regel gut weg. Die
       wirklich interessanten internen Auseinandersetzungen finden andernorts
       statt: zwischen [4][CSU-Chef Söder] und Ministerpräsident Söder. Irgendwann
       geht es nicht mehr nur um Corona, und dann wird Söder die Frage beantworten
       müssen, wie er es künftig mit der Abwägung bayerischer und bundesdeutscher
       Interessen hält. Halb Deutschland fragt sich derzeit angesichts des
       Söder’schen Höhenflugs: Kann der Kanzler? Will der Kanzler? Wird der
       Kanzler? Doch davor steht zunächst eine andere Frage: Kann der Deutschland?
       
       2 Oct 2020
       
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