# taz.de -- Einreisestopp in der Coronapandemie: Covid-19 bedroht australisches Obst
> In Australien fehlen wegen der Grenzschließungen Zehntausende Backpacker
> bei der Ernte. TouristInnen bilden das Rückgrat der Landwirtschaft.
IMG Bild: Sie landen nur mit Glück in der Obstkiste: australische Kirschen
Manyana taz | „Freude, Freundschaft, Kameradschaft – trotz der Hitze und
der harten Arbeit.“ So beschreibt ein junger [1][Rucksackreisender aus
Europa] in einem Werbevideo seinen Aufenthalt in der australischen
Kleinstadt Young. Young, das ist auf dem fünften Kontinent ein Synonym für
Kirschen. Ein Großteil der Kirschenproduktion Australiens stammt aus der
Region im Bundesstaat New South Wales.
Doch jetzt droht dem Land die große Kirschendürre. Australien hat wegen
Covid-19 seit März die Grenzen hermetisch geschlossen. Australier können
höchstens mit einer Sondergenehmigung ausreisen. Wenn sie zurückkehren,
müssen sie 14 Tage lang auf eigene Kosten in einem Hotel in Quarantäne
bleiben – für rund 2.300 Euro. Touristen ist die Einreise komplett
verboten.
Von der Maßnahme betroffen sind auch junge Rucksackreisende mit einem
sogenannten „Working-Holiday-Visum“. Es erlaubt ihnen – je nach Herkunft –
das Arbeiten für ein oder zwei Jahre. Vor allem junge Europäerinnen und
Europäer mit diesem Visum sind in Australien zum Rückgrat der
[2][Landwirtschaft] geworden. Mindestens 40.000 Touristen werden in jedem
Jahr gebraucht, um in Plantagen und Gartenanlagen Früchte und Gemüse zu
ernten. Gegenwärtig befinden sich rund 80.000 Rucksackreisende in
Australien – im Juli vergangenen Jahren waren es noch 135.000.
Auch der Ort Young ist auf Gedeih und Verderb abhängig von den saisonal
verfügbaren Arbeitskräften. „Wir brauchen 3.500 Helfer pro Jahr, um die
Ernte einzubringen“, sagt Tom Eastlake, Präsident der Kirschenbauern von
Young. Wenige Tage vor Beginn der Ernte hätten sich die Züchter die
benötigten Arbeitskräfte nicht sichern können. Falls sie nicht bald eine
Lösung fänden, sei eine der besten Ernten der letzten Jahre gefährdet. „Wir
hatten die besten Wetterbedingungen seit Langem“, so Eastlake. „Diese
Chance zu verpassen ist das Letzte, was wir wollen.“
## Produzenten versuchen, Einheimische zu gewinnen
Australien ist ein weltweit führender Produzent von [3][Früchten und
Gemüse]. Fast 90 Prozent der Ernte im Gesamtwert von rund 6,5 Milliarden
Euro gehen in den Export in mehr als 60 Länder. So ist die Angst auch in
anderen Agrarregionen groß. Kaum jemand rechnet damit, dass die Grenzen
Australiens vor Ende dieses Jahres wieder geöffnet werden. Einige
Beobachter glauben, die Einreise werde bis Mitte 2021 nicht möglich sein.
In ihrer Not versuchen Produzenten, Einheimische als Erntehelferinnen und
-helfer zu gewinnen. Doch auch das Reisen in Australien selbst wird durch
Grenzsperrungen zwischen einzelnen Bundesländern behindert. Diese werden
zwar langsam wieder gelockert, trotzdem ist es selbst für Interessierte
nicht immer möglich, die Kosten für eine Reise über Hunderte von Kilometer
zu rechtfertigen, um dann für ein bescheidenes Einkommen zu arbeiten. Denn
die Gartenbauindustrie hat den Ruf, besonders schlecht zu bezahlen und
junge Erntehelferinnen und -helfer finanziell auszunutzen.
Immer wieder kommt es zu Meldungen über sexuelle Übergriffe durch Bauern
auf junge Rucksacktouristinnen. Medienberichten zufolge will die
australische Regierung jetzt prüfen, jenen Touristen eine Amnestie zu
gewähren, die trotz Ablauf ihres Visums im Land geblieben sind, falls sie
sich verpflichten, danach in der Gartenbau-Industrie zu arbeiten. Laut
Schätzungen befinden sich mehrere Zehntausend vorwiegend junge Menschen
nach Ablauf ihres Visums illegal in Australien.
4 Oct 2020
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## AUTOREN
DIR Urs Wälterlin
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