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       # taz.de -- Islamismus in Mosambik: Der Dominoeffekt des Terrors
       
       > In Mosambik verschärft sich der Krieg zwischen Regierung und
       > islamistischen Rebellen. Hunger und Covid-19 wüten, viele Menschen stehen
       > vor dem Nichts.
       
   IMG Bild: Anstehen für Essenslieferungen in Cabo Delgado – in Pandemiezeiten mit Mindestabstand
       
       Maputo taz | Der sich ausweitende Aufstand militanter Islamisten im Norden
       von Mosambik ist von der Hauptstadt Maputo fast 2.000 Kilometer weit
       entfernt, aber er verschärft eine ganze Reihe von Krisen, die das
       bitterarme Land von 30 Millionen Menschen am Indischen Ozean heimsuchen:
       die Covid-19-Pandemie, das zerfallende Gesundheitssystem,
       Menschenrechtsverletzungen durch das Militär und nicht zuletzt Hunger.
       
       Der Krieg der als Ansar al-Sunna bekannten islamistischen Rebellengruppe in
       der Nordprovinz Cabo Delgado hat seit 2017 rund 2.500 Tote gefordert und
       ist jüngst in ein neues Stadium eingetreten – durch den Beitritt der Gruppe
       zum berüchtigten „Islamischen Staat“. Die Provinz Cabo Delgado ist zugleich
       das Epizentrum der Coronapandemie in Mosambik.
       
       In der Provinzhauptstadt Pemba breitet sich die Seuche aus, während
       Tausende von Zivilisten aus umliegenden Ortschaften auf der Flucht vor
       Terrorangriffen in die Stadt drängen. Die meisten kommen bei Bekannten oder
       Verwandten unter, wo Abstandsregeln ebenso wenig einzuhalten sind wie in
       den Vertriebenenlagern.
       
       Das Rote Kreuz hat in Pemba Mosambiks größtes Covid-19-Behandlungszentrum
       eingerichtet – und musste zugleich in umliegenden Gebieten seine Arbeit
       einstellen, aufgrund der Gewalt. „Es ist nicht machbar und nicht sicher,
       mit dieser ‚Krise in der Krise‘ umzugehen“, berichtet ein
       Rotkreuz-Mitarbeiter – einer von über 600 Mitarbeitern des
       Gesundheitspersonals, die in Cabo Delgado auf der Flucht sind. Über zwanzig
       Gesundheitszentren mussten bereits schließen.
       
       ## Auf dem Acker geköpft
       
       Cabo Delgado hat zugleich die [1][zweithöchste Hungerrate aller
       mosambikanischen Provinzen]. Über die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren
       in Cabo Delgado sind chronisch unterernährt – und jetzt kommt der Krieg
       dazu. Gemeinschaftsführer Zefania Cumbe berichtet: „Die Eltern sind
       hilflos, was ihre Kinder angeht, weil die Gefahren so groß sind.“ Viele
       hätten das Gesundheitspersonal angefleht zu bleiben – vergeblich: „Sie
       sagen, dass sie die Sicherheit ihrer Mitarbeiter und ihrer Ausrüstung nicht
       gewährleisten können.“
       
       Mosambik hat sich immer noch nicht vollständig von den verheerenden
       [2][Wirbelstürmen „Idai“ und „Kenneth“] erholt, die weite fruchtbare
       Landstriche verwüsteten. Während noch immer Hunderttausende von Menschen
       auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind, ist der Ackerbau im Norden wegen der
       Unsicherheit zum Stillstand gekommen.
       
       Es gibt Berichte über Angriffe der Islamisten auf Zivilisten, während sie
       ihre Felder bestellen: Bei einem sollen nach amtlichen Angaben acht
       Menschen geköpft worden sein. Insgesamt sollen solche Angriffe im
       vergangenen Monat 40 Tote gefordert haben. Mehrere Berichte bezeugen, dass
       die Islamisten Dorfbewohner versammeln, denen sie Plünderung oder Diebstahl
       vorwerfen, und einige von ihnen töten oder entführen.
       
       Die Aufständischen besetzten im August die Hafenstadt Mocimboa und haben
       derzeit die Hafenstadt Palma abgeriegelt, indem sie die Zufahrtsstraßen
       beständig angreifen. In Awasse außerhalb von Mocimboa, wo es schwere Kämpfe
       zwischen Armee und Islamisten gab, verjagten die Rebellen die Belegschaft
       der staatlichen Stromgesellschaft – als Teil, so wird vermutet, einer
       Strategie, Infrastruktur zu zerstören, damit die Bevölkerung nicht mehr von
       außen zugänglich ist.
       
       „Die wachsende Unsicherheit und die schlechte Infrastruktur macht es immer
       schwerer, Hilfsbedürftige zu erreichen“, sagt Antonella D’Aprile, Leiterin
       des UN-Welternährungsprogramms WFP in Mosambik. „Und jetzt verkompliziert
       Covid-19 die Lage weiter.“ Das WFP hat um Hilfsgelder in Höhe von 4,7
       Millionen US-Dollar monatlich gebeten, um Nordmosambiks Binnenvertriebene
       zu versorgen, und warnt vor einer notwendigen Kürzung der
       Lebensmittelrationen ab Dezember, falls die Gelder ausbleiben.
       
       ## Zivilisten im Antiterrorkrieg getötet
       
       Es ist Mosambiks dritter großer Krieg seit der Unabhängigkeit von Portugal
       1975. Die damals an die Macht gekommene [3][sozialistische
       Befreiungsbewegung Frelimo] (Mosambikanische Befreiungsfront) bekämpfte
       dann von 1977 bis 1992 die oppositionelle Renamo (Mosambikanischer
       Nationaler Widerstand); Krieg und Hungersnot töteten eine Million Menschen.
       Neue Kämpfe mit der Renamo zwischen 2013 und 2019 forderten 200 Tote.
       
       Jetzt, im Krieg gegen Islamisten, steht die Armee im Zwielicht wegen
       Menschenrechtsverletzungen. Videos kursieren, auf denen Soldaten Zivilisten
       enthaupten, die sie für Kollaborateure der Terroristen halten. Ein anderes
       zeigt, wie [4][vier Soldaten eine nackte Frau erschießen].
       
       Allein im vergangenen Monat sollen die Sicherheitskräfte im Antiterrorkrieg
       über 100 Zivilisten getötet haben. Die Zahlen sind schwer zu verifizieren,
       da die Regierung ihre eigenen Zahlen nicht veröffentlicht. Die Armee (FDS)
       hat Menschenrechtsverletzungen verurteilt: „Die FDS bekräftigt, dass sie
       mit keinem barbarischen Akt einverstanden ist, der den Vorwurf der
       Menschenrechtsverletzung bestätigt“, erklärte sie.
       
       Mosambiks früherer Präsident Joaquim Chissano, der den Bürgerkrieg mit der
       Renamo beendete und in ganz Afrika als Elder Statesman respektiert ist, hat
       nun zum Dialog aufgerufen, um den Krieg im Norden zu beenden. „Dialog
       sollte man nie ausschließen, nie beiseiteschieben“, sagte er auf einer
       Konferenz.
       
       7 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-dem-Zyklon-in-Mosambik/!5582788
   DIR [2] /Zyklon-Idai-in-Mosambik/!5579656
   DIR [3] /Wahlen-in-Mosambik/!5636456
   DIR [4] /Kriegsverbrechen-in-Mosambik/!5709913
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Arimando Domingos
       
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