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       # taz.de -- Sexistische Beleidigung gegen Sawsan Chebli: Erhard-Stiftung zieht die Notbremse
       
       > Auf der Website von Roland Tichy wurde Sawsan Chebli sexistisch
       > beleidigt. Jetzt tritt der Rechtspopulist als Chef der
       > Ludwig-Erhard-Stiftung zurück.
       
   IMG Bild: Roland Tichy muss als Chef der Ludwig-Erhard-Stiftung zurücktreten
       
       Berlin taz | Der Journalist Roland Tichy, der die rechtspopulistische
       Website [1][„Tichys Einblick“] betreibt, tritt als Chef der
       Ludwig-Erhard-Stiftung zurück. Seine Website hatte eine sexuelle
       Denunziation der SPD-Politikerin Sawsan Chebli veröffentlicht, die
       regelmäßig Hassobjekt von Rechtspopulisten und Rechtsextremen ist. „Was
       spricht für Sawsan? Befreundete Journalistinnen haben bislang nur den
       G-Punkt als Pluspunkt feststellen können“, hieß es in „Tichys Einblick“,
       einem Forum rechtskonservativer und rechtspopulistischer Ideen. Chebli
       kommentierte: „Ein besonders erbärmliches, aber leider alltägliches
       Beispiel von Sexismus gegen Frauen in der Politik.“
       
       In der Stiftung gab es schon länger Unmut über den 64-jährigen Tichy, der
       bis 2014 Chefredakteur der Wirtschaftswoche war, immer schon stramm
       neoliberal, doch seit dem Flüchtlingsherbst 2015 und nach der Gründung
       seiner Website auch offen rechtspopulistisch. 2018 hatte Friedrich Merz in
       einem lichtem Augenblick abgelehnt, von Tichy einen Preis verliehen zu
       bekommen.
       
       Anschließend waren auch die Wirtschaftsjournalisten Rainer Hank und Ursula
       Weidenfeld auf Distanz zur Erhard-Stiftung und Tichy gegangen. Tichys
       Radikalisierung war schon seit 2017 ein Problem für den Ruf der Stiftung.
       Man habe „Probleme, Laudatoren zu finden. Viele haben mit Verweis auf die
       Rolle des Vorsitzenden der Stiftung in seiner privaten Publikation
       abgelehnt“, hieß es 2018.
       
       ## Grenze zum Rechtspopulismus hochgezogen
       
       Die 1967 gegründete Ludwig-Erhard-Stiftung ist eine Art
       konservativ-neoliberaler Thinktank, der das Archiv von Ludwig Erhard
       verwaltet und das Image des Stiftungsgebers [2][als innovativer
       Marktwirtschaftler] zu schützen versucht. Die Mitglieder kommen überwiegend
       aus FDP und Union. So gehören die Ex-FDP-Generalsekrätin Linda Teuteberg
       und der Euroskeptiker Frank Schäffler (FDP) dazu, Renate Köcher von
       Allensbach und der Wirtschaftswissenschaftler Lars P. Feld.
       
       Es ist wohl kein Zufall, dass der Druck auf Tichy von jenen kam, die
       politisch am meisten Renomee zu verlieren haben. Den Stein ins Rollen
       brachte Dorothee Bär, Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Die CSU-Frau
       trat am Dienstag aus der Stiftung aus. „Derartige Ausfälle sind
       unerträglich und mit den Zielen der Stiftung absolut unvereinbar“, so Bär.
       
       Kurz danach zogen CDU Gesundheitsminister Jens Spahn und der
       CDU/CSU-Fraktionsvize Carsten Linnemann nach – allerdings weniger forsch:
       Sie kündigten an, ihre Mitgliedschaft ruhen zu lassen. Gleichzeitig
       kritisierten sie die rüde Debattenkultur – eine direkte Kritik an Tichy,
       dem schon länger der Vorwurf gemacht wird, sein Amt als Stiftungschef
       unzulässig mit seiner rechtspopulistischen Publizistik zu vermischen.
       
       Auch Bundesbankchef Jens Weidmann, ebenfalls Mitglied in der Stiftung,
       protestierte. Laut FAZ schrieb er: „Unser derzeitiger Vorsitzender hat die
       Arbeit der Stiftung befördert, er spielt aber zugleich eine medial
       sichtbare Rolle als Herausgeber von ‚Tichys Einblick‘. Dort herrscht ein
       zuspitzender, oft polemischer Debattenstil, und es ist wiederholt zu
       beleidigenden und verletzenden Äußerungen gekommen, die sich mit den
       Idealen der Stiftung nicht vertragen und eine negative öffentliche
       Berichterstattung über die Stiftung ausgelöst haben. Mitglieder haben der
       Stiftung den Rücken gekehrt und vorgeschlagene Preisträger die Annahme
       einer Auszeichnung durch die Stiftung abgelehnt.“
       
       Damit war der Druck auf Tichy zu stark geworden. Am Donnerstag kündigte er
       seinen Rückzug an. Für die Erhard-Stiftung war dies der Griff zur
       Notbremse. Politisch ist damit, auch mit Blick auf das Wahljahr 2021, die
       Grenze zwischen Neoliberalen und Konservativen einerseits und
       Rechtspopulisten auf der anderen Seite erst mal wieder hochgezogen.
       
       24 Sep 2020
       
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