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       # taz.de -- Meinungsfreiheit in Belarus: Jäger und Gejagte
       
       > Welche Turnschuhe sind die besten zur Flucht vor der Polizei? Olga
       > Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 18.
       
   IMG Bild: Minsk, 13. September: eine Frau diskutiert mit einem Polizisten
       
       Mein Newsfeed bei Facebook sieht aktuell so aus: Leute wurden festgenommen
       oder sind verschwunden, wir suchen sie.
       
       Auf dem Flughafen wurde gerade die Basketballspielerien Elena Lewtschenko
       festgenommen, die für eine schon länger geplante Behandlung in ein anderes
       Land fliegen wollte. Aber man wirft ihr Störung der öffentlichen Ordnung
       oder Durchführung von Massenveranstaltungen vor. Die Machthaber machen Jagd
       auf alle, die gegen Lukaschenko sind. Lewtschenko hatte an Demos
       teilgenommen.
       
       Ich vermute, dass es bald heißen wird: Wer nicht im Knast war, ist kein
       Belarusse.
       
       Die Menschen sind wütend, aber sie geben nicht auf. Am letzten Sonntag
       wurden [1][mehr als 350 Leute verhaftet].
       
       „Heute gab es im Stadtteil Sucharewo am Minsker Stadtrand eine Razzia“,
       schreibt eine belarussische Journalistin auf ihrer Website. „Die Menschen
       wurden auf dem Feld gepackt, sie sind durch den Wald weggerannt, ins Wasser
       gefallen und haben sich gegenseitig wieder herausgeholfen.
       Schwarzgekleidete Männer mit Taschenlampen haben sie verfolgt und bedroht:
       Wir werden schießen! Wissen Sie, was heute im Bezirks-Chat erörtert wurden?
       In welchen Sportschuhen man am besten fliehen könne. Ob man sich
       Springerstiefel anschaffen solle. Man sollte vielleicht Wachtposten an den
       Kreuzungen aufstellen, damit die Leute rechtzeitig abhauen könnten. Und ja,
       es lohne sich, Handfunkgeräte anzuschaffen.“
       
       Es scheint, als könnten uns seltsame Nachrichten schon längst nicht mehr
       überraschen. Aber weit gefehlt: Das Informationsministerium deaktiviert ab
       1. Oktober für drei Monate den Medienstatus des meistgelesenen Portals, die
       [2][Seiten von tut.by]. Die Journalist:innen arbeiten weiter, aber
       verlieren ihre Akkreditierungen. Man kann sie „legal“ – so der Standpunkt
       der Machthaber – verhaften, wie auch die Teilnehmer:innen der
       Protestaktionen. Die Arbeit wird für sie schwieriger. Seit dem 7. August
       2020 hat das Portal tut.by schon vier Verwarnungen für verschiedene Texte
       über die Situation im Wahlkampf und nach den Wahlen bekommen.
       
       „Diese Neuigkeiten machen mich ziemlich wütend“, sagt Veronika Grischkowa,
       ehemalige Korrespondentin des Staatsfernsehen. „Meinungsfreiheit? Davon
       haben die Machthaber hier noch nichts gehört. Die Journalist:innen von
       tut.by haben hohe Maßstäbe an die journalistischen Arbeit angelegt. Das,
       was sie schreiben, ist maximal objektiv. Wenn Journalist:innen
       schweigen, begehen sie eines der schlimmsten Verbrechen. Und genau deshalb
       ist es wichtig, das Transparenz-Prinzip zu wahren. Sogar dann, wenn ihre
       Worte anderen nicht gefallen.“
       
       Im Jahr 2019 stand Belarus auf Platz 153 in der Rangliste der
       Pressefreiheit. Ich denke, in der neuen Liste sinken wir noch weiter ab.
       
       Aus dem Russischen [3][Gaby Coldewey]
       
       3 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Olga Deksnis
       
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