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       # taz.de -- Demonstrationen in Belarus: Konfrontationen auf den Straßen
       
       > In Minsk strömen Zehntausende zu einer „Amtseinführung der wahren
       > Präsidentin durch das Volk“. Die Protestbewegung und der Staat erhöhen
       > den Druck.
       
   IMG Bild: Immer wieder kommt es in Belarus zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Demonstrierenden
       
       Trotz eines Großaufgebots an Militär und Miliz haben in Belarus am
       Sonntagnachmittag neue Massenproteste gegen den Machthaber [1][Alexander
       Lukaschenko] begonnen. Schon vor Beginn der traditionellen
       Sonntagsdemonstration und währendessen gab es zahlreiche Festnahmen, wie
       mehrere Portale im Nachrichtenkanal Telegram zeigten. Eine Sprecherin des
       Innenministeriums nannte eine Zahl von rund 200 festgesetzten Menschen.
       
       Wie eine Festung war der Präsidentenpalast gesichert, weil die Behörden
       befürchten, dass die Protestmenge den Sitz Lukaschenkos stürmen könnte. Am
       Palast der Republik bezogen Soldaten Stellung. In den Straßen fuhren
       Wasserwerfer und Panzerfahrzeuge auf. Es standen Gefangenentransporter und
       Hundertschaften der Miliz bereit. Fotos zeigten auch Militärfahrzeuge mit
       aufmontierten Maschinengewehren. U-Bahn-Stationen und Einkaufszentren, in
       die sich die Demonstranten bei früheren Kundgebungen vor der Gewalt der
       Sicherheitskräfte geflüchtet hatten, waren geschlossen.
       
       Trotzdem versammelten sich nach Augenzeugenberichten Zehntausende Menschen.
       Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 9. August gehen die
       Belarussen jeden Sonntag und auch an anderen Tagen gegen den seit 26 Jahren
       autoritär regierenden Lukaschenko auf die Straße. Sie werfen ihm
       Wahlfälschung vor. Nach ihrer Überzeugung ist die inzwischen ins Exil
       geflohene Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja die wahre Siegerin der
       Wahl.
       
       Am vergangenen Mittwoch hatte sich Lukaschenko in einer überraschenden und
       quasi geheimen Zeremonie zu seiner neuen Amtszeit [2][als Präsident von
       Belarus vereidigen] lassen. Nexta Live, der von mehr als zwei Millionen
       Menschen abonnierte Oppositionskanal, hatte daraufhin auf dem
       Messengerdienst Telegram für Sonntag zu einer symbolischen „Amtseinführung
       der wahren Präsidentin durch das Volk“ aufgerufen – also Swetlana
       Tichanowskaja. Schon die Frauenkundgebung am Samstag war Tichanowskaja
       gewidmet gewesen. Dort hatte es bereits 150 Festnahmen gegeben.
       
       ## Leuchtpatronen, Tränengas und Wasserwerfer
       
       „Sweta ist unsere Präsidentin“, skandierten die Menschen in Minsk am
       Sonntag. Viele riefen auch: „Lange lebe Belarus!“ und „Eto nasch gorod!“
       („Das ist unsere Stadt“). Tichanowskaja erinnerte die Belarussen daran,
       trotz Gewaltandrohungen der Behörden weiter an ihren Zielen festzuhalten.
       „Wir haben uns versammelt, um dieses Regime zu stoppen – und wir werden das
       mit friedlichen Mitteln tun“, sagte sie in einer Botschaft. „Wir sind
       Millionen. Und deshalb werden wir gewinnen.“
       
       In der Stadt Gomel soll die Polizei Leuchtpatronen und Tränengas eingesetzt
       haben. Auch Wasserwerfer sollen benutzt worden sein.
       
       Der französische Präsident Emmanuel Macron hält Lukaschenkos Zeit an der
       Staatsspitze von Belarus für abgelaufen. „Es ist klar, dass er gehen muss“,
       sagte Macron der Zeitung Journal du Dimanche. „Was in Belarus vor sich
       geht, ist eine Machtkrise, eine autoritäre Macht, welche die Logik der
       Demokratie nicht akzeptieren kann und sich mit Gewalt festklammert“, sagte
       der französische Staatschef, der am Montag in die benachbarten Staaten
       Litauen und Lettland reist.
       
       27 Sep 2020
       
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