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       # taz.de -- Zwischenbericht für Atomendlager: Gorleben soll leben
       
       > Halb Deutschland ist nach dem Bericht der zuständigen Gesellschaft BGE
       > für ein atomares Endlager geeignet – aber nicht Gorleben.
       
   IMG Bild: Jahrzentelanger Protest hat Erfolg: Junge Frau beim Anti-Castor-Protest 2010 bei Gorleben
       
       Berlin taz | Die Suche nach einem [1][atomaren Endlager in Deutschland] hat
       mit einer Überraschung und einem Erfolg der Umweltbewegung begonnen. Der
       umstrittene Standort im niedersächsischen Gorleben ist nach [2][dem
       „Zwischenbericht Teilgebiete“, den die Bundesgesellschaft für Endlagerung
       (BGE) am Montag vorgestellt] hat, aus geologischer Sicht ungeeignet und
       wird ausgeschlossen. „Der Salzstock Gorleben wird daher nicht bei den
       weiteren Arbeiten der BGE zu den Vorschlägen über die Standortregionen
       betrachtet“, heißt es in der Presserklärung der BGE. Das ist genau das, was
       AtomkritikerInnen seit Jahrzehnten fordern.
       
       Dagegen ist laut BGE-Bericht mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands
       nach geologischen Kriterien für ein atomares Endlager geeignet: 54 Prozent
       oder insgesamt 194.157 Quadratkilometer erfüllen die Bedingungen, um die
       hochradioaktiven Abfälle für eine Million Jahre sicher zu lagern.
       
       Diese 90 „Teilgebiete“ bilden nun „den Ausgangspunkt für die weiteren
       Arbeiten im Standortauswahlverfahren“, heißt es. Die Gebiete mit
       ausreichenden Formationen von Ton, Salz oder Kristallin erstrecken sich
       über weite Teile von Nord-, Süd- und Ostdeutschland. Der Westen, die
       Gebiete südlich der Donau und der äußerste Nordosten an der polnischen
       Grenze gelten dagegen zu großen Teilen als ungeeignet.
       
       Grundlage der Bewertung für die BGE waren die Daten von Behörden und
       Unternehmen zum Untergrund in Deutschland. Obwohl zwischenzeitig umstritten
       war, wie belastbar diese Daten sind, betont nun die BGE, sie habe genug
       Daten zur Bewertung aller Gebiete gehabt.
       
       ## Ausschlussverfahren in drei Schritten
       
       Für die Bewertung hat die BGE zuerst im Ausschlussverfahren Regionen
       eliminiert, die etwa wegen Bergbau, Vulkanismus oder jungem Grundwasser
       ungeeignet sind. Im zweiten Schritt wurden die Regionen ausgesiebt, die den
       Mindestanforderungen nicht entsprechen: Mindestens 300 Meter unter der
       Erde, ein starkes Deckgebirge, ausreichend Platz von mehreren
       Quadratkilometern für ein Atom-Bergwerk unter der Erde. Und in einem
       dritten Schritt wurden „geologische Abwägungskriterien“ berücksichtigt,
       etwa die Reaktion des Gesteins auf die Wärme aus den Lagerbehältern, der
       mögliche Transport von strahlenden Stoffen durch Grundwasser und die
       langfristige Stabilität des Gesteins. Übrig blieben dann die 90 Gebiete,
       die sich teilweise überlappen.
       
       Mit dem Bericht der BGE beginnt nun ernsthaft die Suche nach einem Endlager
       für den hochradioaktiven Müll, der sich nach Abschaltung des letzten
       Atomkraftwerks Ende 2022 auf etwa 10.500 Tonnen addieren wird. Mitte
       Oktober soll der Bericht in einer „Fachkonferenz“ in Kassel und danach auf
       drei weitere Konferenzen mit der Öffentlichkeit debattiert werden. Später
       soll die BGE entscheiden, welche Gegenden an der Oberfläche näher
       untersucht werden.
       
       Dann sollen mindestens zwei Gebiete auch unterirdisch erkundet werden. Nach
       dem „Standortauswahlgesetz“ sollen 2031 Bundestag und Bundesrat über einen
       Standort entscheiden. Ab 2050 soll demnach das Endlager fertig sein –
       allerdings rechnen viele ExpertInnen mit Verzögerungen auf dem Weg.
       
       Den Ausschluss von Gorleben hatten viele Umweltverbände seit langem
       gefordert. Der [3][BUND-Vorsitzende Olaf Band sagte erst vor zwei Wochen]:
       „Nur wenn dieser größte Streitpunkt der deutschen Endlager-Debatte endlich
       vom Tisch kommt, kann eine tatsächlich qualifizierte Standortsuche
       beginnen. Ansonsten wird es als Rückfalloption den Suchprozess immer weiter
       vergiften. Auch die 1,9 Milliarden Euro, die bislang in die Erkundung von
       Gorleben gesteckt worden sind, wiegen die Sicherheitsmängel nicht auf.“
       
       Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg meinte damals,
       die Daten über den Salzstock Gorleben könnten „aus unserer Sicht nur dazu
       führen, dass der bisherige Standort schon im ersten Vergleichsschritt wegen
       seiner geologischen Mängel aus dem Endlagersuchverfahren herausfliegt.“ Das
       hat sich nun bestätigt.
       
       ## Die bayerische Regierung hält ihr Bundesland für ungeeignet
       
       Gegenwind für das Ende von Gorleben und das gesamte Verfahren kommt aus
       Bayern. Die Regierung von CSU und Freien Wählern hat in ihrem
       Koalitionsvertrag 2019 festgeschrieben, dass das Kristallingestein in
       Bayern nicht für ein Endlager taugen solle – was der BGE-Bericht nun nach
       wissenschaftlichen Kriterien widerlegt.
       
       Erst letzte Woche hatte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber das
       Verfahren in Frage gestellt. Der Suchprozess werde „über Jahrzehnte in
       Deutschland für Unruhe sorgen und Milliarden kosten“. In Gorleben habe man
       „nur aus politischen Gründen den Schlüssel abgezogen“. Dem widerspricht nun
       der BGE-Bericht ebenfalls.
       
       Für das Verfahren machte sich auch Grünen-Chef Robert Habeck stark. [4][Im
       Morgenmagazin der ARD sagt er am Montag,] es sei für das Vertrauen der
       Bevölkerung wichtig, dass die Kriterien „von der Wissenschaft festgelegt
       wurden, ohne politischen Einfluss.“ Ein Endlager im eigenen Wahlkreis zu
       haben sei nicht angenehm, „aber wenn das der sicherste Standort wäre, würde
       ich auch in meinem Wahlkreis sagen: Das ist nicht schön, muss aber sein“,
       so Habeck. Er hatte als Mitglied der „Endlagerkommission“ des Bundestags
       2016 das jetzige Verfahren mit angeschoben.
       
       28 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Suche-nach-Endlager-fuer-Atommuell/!5711317
   DIR [2] https://www.bge.de/de/endlagersuche/zwischenbericht-teilgebiete/
   DIR [3] /Umweltverband-warnt/!5706935
   DIR [4] https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/politik/Robert-Habeck-Gruene-Atommuell-Endlager-100.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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