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       # taz.de -- Angriff auf Ex-Charlie-Hebdo-Räume: Täter wollte Redaktion angreifen
       
       > Ein mutmaßlicher Attentäter wollte den erneuten Abdruck der
       > Mohammed-Karikaturen bestrafen. Doch er wusste nichts vom Umzug der
       > Redaktion.
       
   IMG Bild: Paris am 25. September: Ein Polizist steht am Tatort der Messerattacke
       
       Paris taz | Die Aufklärung der [1][Messerattacke vor den ehemaligen
       Redaktionsräumen von Charlie Hebdo] an der Rue Nicolas-Appert in Paris am
       Freitag macht rasche Fortschritte nach dem Geständnis des Täters sowie der
       Untersuchung seines Mobiltelefons und von Video-Aufnahmen. Der mutmaßliche
       Angreifer, der zwei Beschäftigte der TV-Produktionsgesellschaft Premières
       lignes mit einem Fleischerbeil schwer verletzt hat, ist nicht 18, sondern
       25 Jahre alt. Aber er kommt tatsächlich aus Pakistan und hielt sich seit
       rund drei Jahren in Frankreich auf. Nur heißt er nicht Hassan A., sondern
       Zaheer Hassan M. Seine wahre Identität hat die Polizei aufgrund von Daten
       auf seinem Mobiltelefon entdeckt.
       
       Die Tageszeitung Le Monde vermutet im Zusammenhang mit der Enthüllung der
       eigentlichen Identität, dass der junge Pakistaner gefälschte Papiere
       benutzt habe, um in Frankreich als unbegleiteter Minderjähriger Asyl zu
       erhalten. Die Ermittler gehen davon aus, dass er via Iran und die Türkei in
       den Schengenraum eingereist sei. Er war weder unter seinem falschen noch
       unter dem richtigen bei der französischen Polizei wegen einer
       islamistischen Radikalisierung bekannt oder registriert.
       
       Schon bei seiner Festnahme hat er den blutigen Angriff auf die beiden
       Personen, die in der Rue Nicolas-Appert eine Rauchpause machten, gestanden.
       In der polizeilichen Befragung hat er zu seinen Motiven angegeben, er habe
       Charlie Hebdo wegen der erneuten Publikation der Mohammed-Karikaturen
       bestrafen wollen. Dass die Satirezeitung [2][seit dem Terroranschlag von
       2015] längst umgezogen war, wusste er nicht.
       
       Derzeit wird noch eine Video-Botschaft ausgewertet, in der er ganz in Weiß
       gekleidet vor einer Kamera in Urdu spricht. Diese Aufnahmen soll er vor der
       Tat an Bekannte geschickt haben. Nach von Le Monde zitierten Informationen
       aus Polizeikreisen handelt es sich nicht um ein ideologisches Bekenntnis.
       Auch berufe sich Ali alias Mahmoud darin nicht auf eine terroristische
       Organisation, sondern auf einen spirituellen Führer einer religiösen
       Gemeinschaft in Pakistan, die eher als unpolitisch und gewaltlos bekannt
       sei.
       
       ## Beim ersten Festgenommenen irrte die Polizei gründlich
       
       Insgesamt neun Personen aus seinem Umkreis wurden seit Freitag zu
       Befragungen festgenommen, bei den namentlich eine mögliche Mitwisserschaft
       oder Beihilfe geprüft wird. Der Erste unter diesen vorübergehend in
       Polizeigewahrsam gebrachten Personen war der 33-jährige Youssef – doch bei
       ihm hatte sich die Polizei gründlich geirrt, als sie ihn als mutmaßlichen
       Komplizen in Handschellen abführte, um ihn während zehn Stunden auf dem
       Kommissariat zu verhören.
       
       Youssef war beim Angriff am Freitag kein Helfer des Täters, sondern ein
       verhinderter Held. [3][Wie er jetzt in Medien schildert], war er gerade
       dabei, in sein Auto zu steigen, als er die Schreie der beiden Angegriffenen
       hörte. Spontan rannte er dem Täter nach mit der Absicht, ihn zu stoppen. In
       der Metro-Station Richard-Lenoir zückte dieser ein Messer und entkam ihm.
       
       Draußen informierte er Polizisten, dass der Tatverdächtige in der Metro in
       Richtung Bastille flüchtete. Er sagte den Beamten auch, er sei Zeuge des
       Angriffs gewesen, wurde aber von diesen eher unfreundlich weggeschickt. Als
       Youssef dann später trotzdem als Zeuge aussagen wollte, nahm ihn die
       Polizei als Verdächtigen fest. Denn inzwischen verfügte sie über Aufnahmen
       von Überwachungskameras, auf denen er in der Metro-Station neben dem
       Flüchtenden zu erkennen war. „Wir haben ihn!“, hätten Polizisten gerufen.
       „Ihr habt mich? Ich bin ein Zeuge!“, habe er vergeblich geantwortet.
       
       Schließlich konnten Anwohner an der Rue Nicolas-Appert und Beschäftigte von
       Premières Lignes, zum Teil ebenfalls mit Videos, die Version von Youssef
       bestätigen. Er sei nicht nachtragend, denn die Polizei habe bloß ihren Job
       gemacht, sagt er. Seine Verbitterung kann er nicht ganz verhehlen: „Ich
       wollte den Helden spielen, dafür bin ich hinter Gittern gelandet.“
       
       28 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nah-der-alten-Bueros-von-Charlie-Hebdo/!5716674&s=Charlie+Hebdo/
   DIR [2] /Fruehere-Chefredakteurin-zu-Charlie-Hebdo/!5711111&s=Charlie+Hebdo/
   DIR [3] https://www.lci.fr/police/attaque-attentat-a-paris-devant-charlie-hebdo-youssef-le-heros-qui-voulait-neutraliser-l-assaillant-ali-h-a-fini-en-garde-a-vue-il-raconte-2165642.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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