URI: 
       # taz.de -- Eishockey-Liga außer Betrieb: Warten auf dünnem Eis
       
       > Der Saisonstart der Deutschen Eishockey Liga wird immer weiter
       > verschoben. Die Profis vermissen einen klaren Plan. Vielen Klubs droht
       > die Insolvenz.
       
   IMG Bild: Eine noch unbestimmte Vision: wann genau Eishockey in der DEL gespielt wird, weiß keiner
       
       Leon Draisaitl ist seit ein paar Tagen zu Besuch in seiner Heimatstadt
       Köln, dort trainiert er mit Eishockeyprofis der Haie, in deren
       Jugendabteilung [1][der Star der Edmonton Oilers] aus der
       nordamerikanischen Eliteliga NHL einst mit seinem Sport begann. Draisaitl
       hat frei, denn in der NHL wird erst wieder im Januar gespielt. „Hier in
       Köln sind Freunde, mit denen ich aufgewachsen bin, die Haie, in der ich das
       Eishockey spielen gelernt habe“, sagt der 24-Jährige. „Es ist immer etwas
       Besonderes, zurückzukommen.“
       
       Die Kölner Spieler freuen sich ihrerseits über jede Abwechslung in der
       schweren Zeit. Denn sie befinden sich in der Coronakrise, wie alle anderen
       Profis aus der Deutschen Eishockey Liga (DEL), seit Monaten in einem
       Schwebezustand. Während fast alle anderen europäischen Ligen die
       Eishockeysaison 2020/21 bereits aufgenommen haben, steht immer noch nicht
       fest, wann und ob überhaupt in der DEL gespielt wird. Ursprünglich sollte
       es am 18. September losgehen, dann am 13. November. In der vergangenen
       Woche verschob die Liga den Start schließlich etwas unbestimmter auf die
       zweite Hälfte des Dezember.
       
       Das grundsätzliche Problem der Liga besteht darin, dass ihre 14 Vereine die
       Etats im Schnitt zu zwei Dritteln aus Zuschauereinnahmen und sonstigen
       Erlösen bestreiten, die an Spieltagen erzielt werden. Die TV-Gelder sind
       niedrig, etwa 200.000 Euro erhält jeder Klub pro Spielzeit. Aufgrund der
       Coronaverordnungen der Bundesregierung dürften die Vereine derzeit aber nur
       maximal 20 Prozent ihrer Hallenkapazitäten nutzen, sodass das
       Geschäftsmodell nicht mehr funktionieren könnte und Insolvenzen drohten.
       
       Das andere Problem der DEL: All dies ist hinlänglich bekannt. Die Chefs der
       Liga um Geschäftsführer Gernot Tripcke hatten nach der Absage der Playoffs
       im März viel Zeit, sich Lösungen für den Worst Case zu überlegen, was ihnen
       aber offensichtlich nicht gelang. Die Vereine gingen in Kurzarbeit, sodass
       sie ihre Kosten deutlich senkten. Zudem wurden die Spieler verpflichtet,
       sobald gespielt wird, auf etwa 20 Prozent ihrer Gehälter zu verzichten.
       
       Die Zuschauereinnahmen wurden jedoch wie gewohnt kalkuliert. So kamen sie
       durch den Sommer, hoffend, dass die Geschichte von alleine eine Wende zum
       Guten nehmen würde – und sie zum Herbst wieder in vollen Hallen spielen
       dürften. Im September, kurz vor der Verschiebung des Saisonstarts ins
       Ungewisse, ließ die DEL dann wissen, ihr fehlten 60 Millionen Euro, um die
       Saison ohne Insolvenzgefahr zu bestreiten.
       
       [2][Coronahilfen aus dem Paket der Bundesregierung für den Profisport]
       können aufgrund diverser bürokratischer Hürden – wie zu hohe
       Mitarbeiterzahlen – nur wenige DEL-Klubs beantragen. Die maximalen 800.000
       Euro pro Verein reichten zudem kaum zur Überbrückung einer Saison fast ohne
       Publikum. Das Dilemma: Solange alle in Kurzarbeit sind, Spieler, Trainer
       und sämtliche anderen Vereinsmitarbeiter, kommen die Vereine finanziell
       halbwegs über die Runden. Sobald sie aber spielen, womit die Kurzarbeit
       enden würde und die Löhne der Profis komplett von den Klubs bezahlt werden
       müssten, gerieten sie ohne die gewohnten Zuschauereinnahmen in die
       Bredouille. Überleben ohne Publikum könnten aufgrund ihrer starken
       Sponsoren wohl nur München (Energiebrause aus Österreich) und Wolfsburg
       (Autohersteller).
       
       Immerhin ist in der Krisenzeit eine DEL-Spielergewerkschaft entstanden,
       gegründet von Moritz Müller, Kapitän der Haie und der Nationalmannschaft.
       Der 33-Jährige moniert die Ideenlosigkeit der Liga-Chefs. Er würde gern
       erfahren, wie die DEL den Spielbetrieb im Dezember konkret auf die Beine
       stellen wolle, sagt Müller. Er habe sich ein verbindliches Datum gewünscht,
       und: „Wir brauchen gerade jetzt lösungsorientiertes Denken, um dem
       Eishockey zu helfen. Anstatt darüber zu sprechen, was man alles nicht darf,
       muss man über Szenarien sprechen, wie man es machen kann“, meint Müller.
       
       Die Teams mit Junioren auffüllen, um Kosten zu sparen? Spieltermine auf den
       Mittag legen, damit die öffentlich-rechtlichen Sender Eishockey im Rahmen
       ihrer Wintersportübertragungen zeigen könnten? Kurzarbeitergeld für die
       Profis trotz Spielbetrieb in einer verkürzten Saison? Kreativität sei von
       allen gefragt, sagt Müller. Denn es gehe ums Überleben.
       
       Geschieht nichts, so droht der Liga ein großer Absturz. Wenn Leon Draisaitl
       in der nächsten Eishockeypause heim nach Köln kommt, könnte das
       Haie-Trainingszentrum im schlimmsten Fall geschlossen sein.
       
       10 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Koelner-Eishockey-Star-in-der-NHL/!5258834
   DIR [2] /200-Millionen-Euro-fuer-Profivereine/!5693703
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christiane Mitatselis
       
       ## TAGS
       
   DIR Eishockey
   DIR DEL
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Kolumne Press-Schlag
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Eishockey
   DIR Handball
   DIR American Pie
   DIR Eishockey
   DIR Kolumne Press-Schlag
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Eishockeystar Draisaitl braucht Hilfe: Begrenzter Spaß
       
       Die Eishockeyfans der Edmonton Oilers fürchten wegen der mauen
       Transferpolitik des Klubs um ihre Stars Connor McDavid und Leon Draisaitl.
       
   DIR Deutschland-Cup im Eishockey: Spaß in der Blase
       
       Das Turnier in Krefeld war ein Test für den Eishockey-Sport in Zeiten der
       Pandemie. Dem Start der DEL-Saison steht nun fast nichts mehr im Weg.
       
   DIR Frölunda Indians legen Vereinsnamen ab: Verletzende Marketingidee
       
       Der schwedische Eishockeyklub Frölunda Indians wird sich umbenennen. Dass
       der Klubname als kränkend verstanden werden kann, weiß man schon länger.
       
   DIR Die Handball-Bundesliga im Corona-Modus: „Der nackte Kampf ums Überleben“
       
       Im Handball hat man auf eine Studie gesetzt, nach der Veranstaltungen mit
       Hygienekonzepten unbedenklich sind – vergeblich. Jetzt drohen Insolvenzen.
       
   DIR Eishockeyprofi Draisaitl ist der Beste: Ganz nette Auszeichnung
       
       NHL-Profi Leon Draisaitl wird zum wertvollsten Eishockeyspieler der Saison
       gekürt. Der 24-Jährige träumt allerdings von Besserem.
       
   DIR Jüdischer Eishockeyspieler in Polen: Das dünne Eis von Auschwitz
       
       Der israelische Profi Eliezer Sherbatov heuert beim polnischen
       Eishockeyclub Unia Oświęcim an. Der erinnert an die jüdische Tradition der
       Stadt.
       
   DIR Fokus der Sportberichterstattung: Immer wieder Fußball
       
       In der medialen Wahrnehmung gibt es einen klaren Pandemie-Sieger: den
       europäischen Männerfußball. Verdient der Rest kein Mitleid?