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       # taz.de -- Machtkämpfe in Kirgistan: Chaostage in Bischkek
       
       > Faktisch befindet sich das Land seit den Ausschreitungen nach der Wahl im
       > Machtvakuum, weil keine der politischen Gruppen weichen will.
       
   IMG Bild: Gespannte Ruhe: Soldat der kirgisischen Armee an einem Kontrollpunkt der Hauptstadt Bischkek
       
       Das Erbe der unvollendeten früheren Revolutionen in Kirgistan entlädt sich
       seit Tagen auf den Straßen von Bischkek. War bei Umstürzen der vergangenen
       Jahre stets mehr oder weniger lediglich eine Gruppe von Gleichgesinnten am
       Werk, die gegen die bestehende politische Elite agierte und sie von ihren
       Posten fegte, so sind es nun [1][vereinzelte, voneinander isolierte
       Gruppierungen], die unterschiedliche Ziele verfolgen und vor Gewalt nicht
       zurückschrecken.
       
       So kämpfen auch dubiose und kriminelle Gruppen um Macht. Einen Konsens zu
       finden fällt dabei freilich schwer. Zumal der nun schwache Präsident
       Sooronbaj Scheenbekow, dessen Handeln vor der Parlamentswahl erst zur
       [2][Explosion der Unzufriedenheit] geführt hat, dem glühenden Nationalisten
       Sadyr Schaparow entgegentritt, den das Parlament am Wochenende zum neuen
       Regierungschef gewählt hat.
       
       Schaparows erklärter Plan ist es, Scheenbekow von seinem Posten zu
       verjagen. Scheenbekow selbst bietet in der Tat seinen Rücktritt an –
       „sobald das Land den Weg zur Politik nach Gesetz wiederfindet“. Davon ist
       Kirgistan weit entfernt, auch wenn es nun Neuwahlen plant. Faktisch
       befindet sich das Land seit den Ausschreitungen nach der Wahl im
       Machtvakuum, weil keine der politischen Gruppen weichen will.
       
       [3][Für die Jungen und Progressiven, die nach der umstrittenen
       Parlamentswahl auf die Straße gezogen waren] und eine „saubere“ Politik
       forderten, ist der offensichtliche Kampf eines jeden gegen jeden um Macht
       und um Geld ein Schlag ins Gesicht. Sie wollten „die Alten“ weghaben. „Die
       Alten“ aber gehen nicht. Und sie können auch nicht miteinander reden. Zumal
       auch Vermittler fehlen.
       
       Angesichts der Coronapandemie, in der jedes Land sich in erster Linie um
       sich selbst kümmert, und in Anbetracht der Konflikte in Belarus und
       Bergkarabach, aber auch des qualvollen Wartens auf den Ausgang der
       US-Präsidentschaftswahl liegt die Aufmerksamkeit selbst in Moskau nicht auf
       diesen armen Flecken in Zentralasien. Kirgistan ist sich selbst überlassen
       – und der Zerstrittenheit ihrer Autoritäten, die kaum Vertrauen schaffen.
       
       11 Oct 2020
       
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