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       # taz.de -- Vor dem Spitzentreffen zur Coronakrise: Über 5.000 Neuinfektionen
       
       > Am Mittwochnachmittag trifft sich Angela Merkel mit den Länderchef:innen.
       > Die Kritik am Beherbergungsverbot wächst. Die Infektionszahlen steigen
       > weiter.
       
   IMG Bild: Die Zahlen steigen immer weiter: Wie reagiert die Politik?
       
       Berlin taz/dpa | Die Coronalage in Deutschland ist ernst, das soll auch die
       Art des Spitzentreffens zwischen Bundeskanzlerin und Länderchefs an diesem
       Mittwochnachmittag zeigen. Denn zum ersten Mal seit Mitte Juni hat Angela
       Merkel (CDU) wieder zu einem rein analogen Gespräch geladen: Aus allen 16
       Landeshauptstädten werden die Regierungschefs also ins Berliner
       Kanzlerinnenamt anreisen. Verhandlungen Aug’ in Aug’ also.
       
       Wie ernst die Coronasituation mittlerweile wieder ist, das zeigen die
       neuesten Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Nach dessen Angaben vom
       Mittwochmorgen haben die Gesundheitsämter in Deutschland erstmals seit
       April mehr als 5.000 Neuinfektionen mit dem [1][Coronavirus] innerhalb
       eines Tages gemeldet. Insgesamt belief sich die Zahl laut RKI auf 5.132.
       Das waren mehr als 1.000 Fälle mehr als noch am Vortag. Der letzte
       Höchstwert seit April waren 4.721 neu nachgewiesene Fälle am Samstag
       gewesen. Am Mittwoch vergangener Woche hatten die Gesundheitsämter dem RKI
       2.828 Neuinfektionen mitgeteilt.
       
       Zuletzt waren Mitte April die Zahlen so hoch wie aktuell. Allerdings sind
       die Werte nicht miteinander vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr
       getestet wird – und damit auch mehr Infektionen entdeckt werden. Das RKI
       schreibt zur momentanen Situation: „Aktuell ist ein beschleunigter Anstieg
       der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Daher
       wird dringend appelliert, dass sich die gesamte Bevölkerung für den
       Infektionsschutz engagiert.“ Der Anteil der Covid-19 Fälle nehme in der
       älteren Bevölkerung leicht zu. Senioren gelten in der Regel als anfälliger
       für eine schwere Covid-19-Erkrankung als Jüngere.
       
       Die neuen Zahlen machen Druck: Die Erwartungen an das Bund-Länder-Treffen
       sind groß – und in den vergangenen Tagen noch mal weiter gestiegen. Auch
       die [2][Kritik am Regelungswirrwarr] der verschiedenen Länder in Bezug auf
       Inlandsreisen hatte sich zuletzt weiter hochgeschaukelt. Entzündet hatte
       sich diese vor allem an vor einer Woche beschlossenen Übernachtungsverboten
       für Menschen aus inländischen Risikogebieten. Am Dienstag und Mittwoch
       meldeten sich Gegner wie Befürworter abermals zu Wort.
       
       Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, forderte die
       Rücknahme der Unterbringungsverbote für Reisende, die sich aus einem
       Coronarisikogebiet in andere begeben. Er bezeichnete diese Regelungen in
       der Düsseldorfer Rheinischen Post als „überflüssig und sogar schädlich“.
       
       Selbst während des starken innerdeutschen Reiseverkehrs im Sommer mit
       vollen Stränden an Nord- und Ostsee habe es keine „bedeutsame Steigerung
       des Infektionsgeschehens“ gegeben, sagte der Ärztepräsident. Die Menschen
       seien durch die unterschiedlichen und schlecht kommunizierten Maßnahmen
       verunsichert und verwirrt. „Das trägt sicher nicht zu mehr Akzeptanz der
       Anti-Corona-Politik von Bund und Ländern bei“, warnte Reinhardt.
       
       Ähnlich äußerte sich der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung,
       Andreas Gassen: „Jeder kann erkennen, dass ständig neue Maßnahmen wie das
       Beherbergungsverbot Unsinn sind“, sagte er der Bild-Zeitung. „So verspielen
       wir die unbedingt notwendige Akzeptanz für die weiterhin wichtigen
       Maßnahmen.“
       
       Im Pro-Lager trat besonders Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin
       Manuela Schwesig in Erscheinigung: „Ich bin nicht für eine Lockerung des
       Beherbergungsverbots, und das wird Mecklenburg-Vorpommern auch nicht
       mitmachen“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag in der ARD. Ihr Land sei
       mit strengen Regeln von Anfang [3][gut durch die Pandemie gekommen],
       ergänzte sie. Unterstützung erhielt Schwesig von Baden-Württembergs
       Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).
       
       Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wandte sich dagegen,
       die Beherbergungsverbote ganz „über Bord zu werfen“. Allerdings plädierte
       er in der Bild-Zeitung dafür, den sogenannten Inzidenzwert auf den
       Prüfstand zu stellen. Mit diesem Wert wird definiert, ob eine Stadt oder
       Region als Coronarisikogebiet gilt oder nicht. Grundsätzlich gebe es
       Gesprächsbedarf über die Kriterien zur Verhängung von
       Beherbergungsverboten, betonte Kretschmer.
       
       ## RKI dämpft Hoffnungen
       
       Auch die Gegner des Beherbergungsverbots – das in 12 von 16 Ländern
       umgesetzt wird und bedeutet, dass Menschen aus inländischen Risikogebieten
       nicht in Hotels und anderen Unterkünften übernachten dürfen – trommelten
       für sich. Der Sinn dieser Maßnahme zur Pandemieeindämmung wird auch von
       Virologen inzwischen bezweifelt.
       
       Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller – der neben Bremen,
       Thüringen und NRW dieses Verbot ablehnt – bekräftigte am Dienstag seine
       Kritik. „Das Beherbergungsverbot macht keinen Sinn und schafft nur
       Verwirrung und Unverständnis“, sagte der SPD-Politiker dem Portal
       ThePioneer.
       
       Vor allem der Wunsch nach mehr Klarheit und Einheitlichkeit wurde deutlich.
       „Wir benötigen Klarheit für die Menschen in Deutschland – dies gilt
       insbesondere für innerdeutsche Reisen“, sagte etwa Unionsfraktionschef
       Ralph Brinkhaus. Auch Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) mahnte:
       „Wir müssen jetzt in dieser Woche gemeinschaftlich die Weichen stellen,
       sonst besteht die Gefahr, dass es außer Kontrolle geraten könnte.“
       
       Diskutiert werden könnte beim Bund-Länder-Treffen auch über die Schulen.
       Das Ziel ist, diese möglichst lange offen zu halten. Zwei
       Unions-Bundestagsabgeordnete brachten dazu am Dienstag eine mögliche
       Verlängerung der Weihnachtsferien ins Spiel – wurden später aber
       zurückgepfiffen.
       
       Derweil dämpfte das RKI am Dienstag die Hoffnungen auf eine baldige
       Rückkehr in den gewohnten Alltag. Der würde auch mit Einführung eines
       Corona-Impfstoffs zunächst eingeschränkt bleiben, heißt es in einem neuem
       RKI-Strategiepapier – einschließlich Maskentragen und Abstandsgeboten. Auch
       wenn die Impfung „ein wichtiger Teil der Pandemiebekämpfung“ sei, werde das
       nicht ausreichen, zumal ein Impfstoff zunächst nur begrenzt verfügbar sein
       werde.
       
       14 Oct 2020
       
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   DIR Daniel Godeck
       
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