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       # taz.de -- Denkmal für Opfer von Rassismus: Am richtigen Platz
       
       > Auf dem Berliner Oranienplatz haben Aktivist*innen eine Stele für die
       > Opfer von Rassismus und Polizeigewalt errichtet. Ob sie bleiben darf, ist
       > offen.
       
   IMG Bild: Das Mahnmal wurde Ende September über Nacht auf dem Oranienplatz errichtet
       
       BERLIN taz | Wer nicht stehen bleibt, schaut zumindest hin – auf den
       rot-weißen Rosenkranz, die aufgestellten Lichter und vor allem auf die
       knapp einen Meter hohe Betonstele. Ein Denkmal, mitten auf dem
       Oranienplatz. Ein Jogger will seinen Lauf zwar nicht ganz stoppen, bremst
       aber ab, um das Edelstahlschild auf der Bodenplatte zu lesen: „In Gedenken
       an die Opfer von Rassismus und Polizeigewalt“ steht darauf. Kurz danach
       steuert ein Mann mit Schiebermütze zielstrebig auf die Stele zu und macht
       mehrere Fotos. So als wolle er festhalten, dass das Denkmal tatsächlich
       existiert. Und als könnte es so plötzlich wieder verschwinden, wie es in
       der Nacht zum 26. September aufgetaucht ist.
       
       „Auch ich habe sofort ein Foto gemacht und getwittert, das musste ich
       gleich der Welt zeigen“, erzählt Ferat Kocak, Aktivist und Politiker der
       Partei Die Linke im Bezirk Neukölln. Als er das Denkmal zum ersten Mal sah,
       habe er gerade Stühle zum Oranienplatz geschleppt. Am Nachmittag sollte
       eine Veranstaltung der Initiative [1][#woistunserdenkmal] stattfinden. Ihr
       Ziel: ein Denkmal für die Opfer von Rassismus und Polizeigewalt. Aber an
       dem September-Morgen sei das geforderte Denkmal dann einfach schon da
       gewesen, freut sich Kocak.
       
       Bei den Aktivist:innen habe er sich später in einem Interview für die
       Aktion bedankt – denn wer dahinterstecke, wisse Kocak nicht. Mittlerweile
       gibt es ein Video im Netz, dort ist zu sehen, wie die in Warnwesten
       gekleideten Aktivist:innen die noch hohle Stele mit Beton füllen und das
       Schild auf die Bodenplatte kleben. „Wir hoffen damit erst einmal
       Irritationen zu schaffen und den Leuten eine Aufgabe zu geben“, sagt ein
       Aktivist in die Kamera, während es im Hintergrund zu dämmern beginnt.
       
       „Eigentlich hätte das Errichten des Denkmals erst der zweite Schritt sein
       sollen“, sagt Kocak. Die Auftaktveranstaltung Ende September sollte in
       erster Linie ein Signal an die Gesellschaft sein, so das Mitglied der
       Initiative. Gegründet habe sich #woistunserdenkmal im Sommer aus mehreren
       antirassistischen Gruppen, um Rassismus und Polizeigewalt öffentlich zu
       thematisieren. Bündnismitglieder sind unter anderem die Initiative in
       Gedenken an Oury Jalloh, Migrantifa Berlin und die Kampagne für Opfer
       rassistischer Polizeigewalt.
       
       Nur ein Puzzlestück 
       
       Das Denkmal, an dem Hinterbliebene sowie Opfer von Rassismus und
       Polizeigewalt nun zusammenkommen könnten, sei nur ein Puzzlestück von
       vielen, so Kocak. „Das Racial Profiling muss aus den Lehrbüchern
       verschwinden, denn es forciert und rechtfertigt Rassismus – da ist es auch
       egal, wie bunt die Polizei ist“, so der Linke-Politiker. #woistunserdenkmal
       wolle darum dazu anregen, die Rolle der Polizei in der Gesellschaft
       grundsätzlich zu überdenken.
       
       Anlässe gibt es derzeit genug: Am 1. Oktober, wenige Tage nach Errichtung
       des Denkmals, wurde eine [2][rassistische Chatgruppen der Berliner Polizei]
       öffentlich, in der Neonazis als mögliche „Verbündete“ bezeichnet wurden.
       Die Aufklärung der [3][rechten Anschlagserie in Neukölln] läuft bis heute
       schleppend. Auch [4][Kocak] wurde damals Opfer, als sein Auto im Februar
       2018 angezündet wurde. In Medienberichten waren immer wieder Hinweise auf
       eine [5][mögliche Verstrickung der Polizei] bekannt geworden.
       
       Und bereits einen Tag nach Auftauchen des Denkmals wurde dort an [6][Hussam
       Fadl] erinnert, der 2016 von einem Polizisten erschossen wurde. Die
       Ermittlungen waren mit Verweis auf Notwehr und Nothilfe 2017 eingestellt
       worden. Erst durch ein Klageerzwingungsgesuch durch die Kampagne für Opfer
       rassistischer Polizeigewalt nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen
       wieder auf.
       
       „Auch das Denkmal wurde in der Zwischenzeit von Rechten beschädigt“,
       erzählt Kocak. So sei das Schild abgerissen und ein neues mit der
       Aufschrift „In Gedenken an die Opfer linker Gewalt“ auf die Blumen gelegt
       worden. Seitdem habe die Initiative das ursprüngliche Schild fest
       verschraubt. Ein anderes Initiativenmitglied berichtet von einem weiteten
       Vorfall am Wochenende. Diesmal war das Denkmal mit Kot beschmiert worden.
       
       Unterstützung im Bezirk 
       
       Anfang Oktober hat die Initiative einen offenen Brief an den Bezirk
       geschickt und gefordert, das Denkmal solle am Gedenkort erhalten bleiben
       können. Eine zeitgleich geschaltete [7][Online-Petition] hat mittlerweile
       mehr als 3.300 Unterschriften. Unterstützung kommt unter anderem vom
       Technoclub about:blank, der Berliner Vereinigung der Verfolgten des
       Naziregimes und der Seebrücke Berlin.
       
       Auch Kerstin Wolter, Bezirksvorsitzende der Linken von
       Friedrichshain-Kreuzberg steht auf der Unterstützer:innenliste. Sie könne
       sich vorstellen, das Denkmal an seinem jetzigen Standort zu erhalten. „Der
       Oranienplatz ist einer der zentralen Plätze Kreuzbergs. Hier gehen nicht
       nur viele Menschen vorbei, hier wird auch verweilt, erzählt und
       protestiert“, so Wolter. Die Chancen, dass die Forderungen der Initiative
       erfüllt werden, stünden ihrer Einschätzung nach gut. „Ich gehe stark davon
       aus, dass sich der Bezirk für den Erhalt des Denkmals ausspricht. Die
       Linksfraktion ist auf jeden Fall dafür“, sagt Wolter. Auch eine Sprecherin
       des Bezirks teilt mit, dass es den generellen Willen gäbe, das Mahnmal zu
       erhalten.
       
       Mittlerweile stehe die Initiative mit Felix Weisbrich im Kontakt, dem
       Leiter des Straßen- und Grünflächenamts (SGA) in Friedrichshain-Kreuzberg.
       Bei einem Treffen wolle man sich in den kommenden Tagen über die Zukunft
       des Denkmals unterhalten, erzählt ein Mitglied der Initiative. Als ein Ort
       vieler antifaschistischer Kämpfe wolle man den Oranienplatz als Gedenkort
       gerne beibehalten. Eine vom SGA ins Gespräch gebrachte Verlegung des
       Denkmals auf die von Straßen umgebene Mittelinsel lehne die Initiative aber
       ab, berichtet ein Mitglied, sie sei kein würdiger Ort des Gedenkens.
       
       Während also noch unklar ist, ob das Denkmal seinen Standort noch einmal
       wechselt, ist sich Ferat Kocak in einem Punkt schon jetzt sicher: „Das
       Denkmal an sich soll nicht noch einmal ausgetauscht werden.“ Der Aktivist
       wisse, wie schwierig es sei, etwas illegal in der Nacht zu errichten, darum
       sei er mit dem Ergebnis absolut zufrieden: „Ich finde nicht, dass noch
       einmal für Tausende Euro etwas Neues gebaut werden muss. Das Denkmal sieht
       schön aus. Die Arbeit der Aktivist*innen soll auch gewürdigt werden!“
       
       15 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://oplatz.net/wo-ist-unser-denkmal-kundgebung-und-performance/
   DIR [2] /Rassistische-Chat-Gruppe-bei-Berliner-Polizei/!5715614
   DIR [3] /Rechte-Anschlagsserie-in-Berlin-Neukoelln/!5713025
   DIR [4] /Rechte-Anschlaege-in-Berlin-Neukoelln/!5564024
   DIR [5] /Ermittlungen-gegen-Berliner-Beamten/!5690788
   DIR [6] /Von-der-Polizei-erschossener-Hussam-Fadl/!5698209
   DIR [7] https://www.change.org/p/bezirksamt-friedrichshain-kreuzberg-das-mahnmal-in-gedenken-an-die-opfer-von-rassismus-und-polizeigewalt-muss-bleiben?redirect=false
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hartmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rassismus
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