URI: 
       # taz.de -- Die Wahrheit: Fei frei
       
       > Lebenslänglich Bayer: Maskenmuffel gibt es überall. Fei auch in München.
       > Dort sind sie aber noch ungerner gesehen als anderswo.
       
   IMG Bild: Draußen vor der Stadt, wo die echten Münchner hausen: Arena am Abend
       
       Ich bin froh, dass ich in Berlin wohne. Manchmal zumindest. Vor allem
       zurzeit. In München, der Heimat meiner Vergangenheit, ist es schier nicht
       mehr zum Aushalten. Natürlich hat das etwas mit der Seuche zu tun und mit
       dem bayerischen Kampf dagegen, der einen wie diesen Söder-Markus am Ende
       sogar ins Kanzleramt spülen könnte. Eine unangenehme Stimmung liegt über
       der Stadt an der Isar.
       
       Im Juni war es, als mich eine Frau dort aus der wohl sicheren Entfernung
       von fünfzehn Metern angepflaumt hat. Ich stand wie sie an einer
       Trambahnhaltestelle in der Grünwalder Straße und habe gewartet.
       „Maskenpflicht gilt fei auch an der Haltestelle!“, hat sie mich mit einer
       Stimme, die sonst nur Hühner haben, angegackert. Es war früh am Nachmittag,
       Leute waren kaum unterwegs und außer mir und der Frau stand niemand auf der
       Warteinsel. „Maskenpflicht gilt fei auch an der Haltestelle!“ Ein eiskalter
       Schauer lief mir den Buckel runter, nachdem ich diesen Satz gehört habe.
       
       Später dann am Englischen Garten habe ich gesehen, wie die Polizei an einem
       Zugang geschaut hat, wer seinen Nachmittag in der Anklage verbringen
       möchte. Es war eine Art Einlasskontrolle. Später konnte man lesen, dass
       jungen Leuten das Betreten des Parks untersagt worden ist, weil sie in den
       Augen der Polizisten so ausgesehen haben, als könnten sie eine spontane
       Coronaparty auf irgendeiner Wiese anzetteln. Eine gute Portion Racial
       Profiling war wohl im Spiel beim Aussprechen von Betretungsverboten für
       einen Park, auf den München immer so stolz war, weil es einer für alle war.
       „Maskenpflicht gilt fei auch an der Haltestelle!“ Irgendetwas stimmt nicht
       mehr mit dieser Stadt.
       
       Vom Eisbach aus konnte man dann sehen, wie sich Polizeibeamte eingehakt und
       sich mit den Gesichtern nach außen im Kreis aufgestellt haben, um zur
       Verteidigung der Volksgesundheit die große Wiese unter dem Monopteros im
       Auge haben zu können. „Maskenpflicht gilt fei auch an der Haltestelle!“ Das
       ist der Sound der neuen Münchner Freiheit. Er ist ein Ohrwurm, der kaum
       auszuhalten ist.
       
       ## So schnell ganz klein
       
       Jetzt nehmen sie mich mit, habe ich gedacht, als ich vor der Rückreise nach
       Berlin gesehen habe, wie in der Gleishalle des Hauptbahnhofs fünf
       Uniformierte auf mich zuschreiten. Mein Kopf ist heiß geworden,
       wahrscheinlich war er auch knallrot, aber das konnte ich ja nicht sehen.
       Ich hatte doch tatsächlich vergessen, meinen Mund-Nasen-Schutz anzulegen.
       Schnell habe ich meinen Lappen aus der Hosentasche gezogen, den
       Sicherheitsleuten noch einen unterwürfigen Blick zugeworfen und ihn
       angelegt. „Maskenpflicht gilt fei auch an der Haltestelle!“ So schnell also
       kann man ganz klein werden.
       
       Ein paar Stunden später steige ich in Berlin in die S-Bahn ein, atme einmal
       ganz tief durch, setze meine Maske auf und hoffe, dass die Stadt nicht so
       schnell so preußisch wird, wie es Bayern zurzeit ist. Im November fahre ich
       wieder nach München. Mir graust es fei schon jetzt davor.
       
       16 Oct 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR München
   DIR Maskenpflicht
   DIR Kolumne Home
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Zeitumstellung
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR FC Bayern München
   DIR Hubert Aiwanger
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bayerische Momente der Fußball-EM: Vom alten Schlag
       
       Ausgerechnet in der aalglatten Uefa-Welt trifft man auf indigene Münchner.
       Ihr Mundwerk ist einzigartig und ihr Dialekt wunderschön.
       
   DIR Die Wahrheit: Heilands Handyhülle
       
       Lebenslänglich Bayer: Ein Weihnacht in Bayern findet unbedingt auf
       knirschendem Schnee und unter allerlei traditionellen Umständen statt.
       
   DIR Die Wahrheit: Papa Balú
       
       Lebenslänglich Bayer: Wer wird eigentlich der Nachfolger von Markus Söder,
       sollte der bayerische Ministerpräsident Bundeskanzler werden?
       
   DIR Die Wahrheit: Finstere Tage ohne Freiheit
       
       Existiert die kalte Jahreszeit überhaupt? Oder ist der Winter nur
       menschengemacht? Porträt eines misstrauischen Winterskeptikers.
       
   DIR Die Wahrheit: Ein schwerer Unfall
       
       Lebenslänglich Bayer: Auf dem Weg zu einem Picknick kommt es zu einem
       fatalen Malheur mit Folgen für das innere Fluchzentrum.
       
   DIR Die Wahrheit: Ich bin nicht mia
       
       Lebenslänglich Bayer: Wieder ist der FC Bayern Meister geworden. Und wieder
       muss ich mich dafür bei Gott und der Welt entschuldigen.
       
   DIR Die Wahrheit: Fortschreitende Hubsifizierung
       
       Lebenslänglich Bayer: Der Aiwanger Hubert ist bayerischer
       Wirtschaftsminister und ein gar atemberaubender Rechenkünstler.