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       # taz.de -- Gästeregistrierung in Gastronomie: Wirte in der Verantwortung
       
       > Falsche Angaben bei der Gästeregistrierung führen künftig zu Bußgeldern.
       > Um die Überprüfung soll sich die Gastronomie teils selbst kümmern.
       
   IMG Bild: Ehrlichkeit gefragt: Gästeregistrierung in einem Restaurant
       
       Wer im Restaurant falsche Daten angibt, muss künftig Bußgeld bezahlen.
       Darauf haben sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Chefs der 16
       Bundesländer in einer Videokonferenz am Mittwochnachmittag geeinigt.
       Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) fordert allerdings eine
       gesetzliche Regelung, dass die Daten nur zur Coronabekämpfung genutzt
       werden dürfen.
       
       Schon seit Wiederöffnung der Gastronomie im Mai müssen die Gäste von
       Restaurants, Kneipen und Bars ihre Kontaktdaten angeben. So soll eine
       Benachrichtigung sichergestellt werden, wenn zum Beispiel die
       Corona-Infizierung einer Servicekraft bekannt wird. Die Gästeregistrierung
       dient einerseits den Gästen und ihrem Umfeld, aber auch der ganzen
       Gesellschaft, weil so Infektionsketten nachverfolgbar werden.
       
       Bei der Bund-Länder-Konferenz wurde nun beschlossen, dass Gäste, die
       falsche Daten angeben, künftig mindestens 50 Euro Bußgeld zahlen müssen.
       Die Gaststätten sollen Plausibilitätskontrollen vornehmen, die
       Ordnungsbehörden verstärkt kontrollieren und sanktionieren. Die
       Beschlüsse von Mittwoch haben zunächst allerdings nur empfehlenden
       Charakter.
       
       Bei solchen Gesprächen versuchen sich die Bundesländer auf eine gemeinsame
       Linie zu einigen, die Kanzlerin moderiert lediglich. Die Beschlüsse sind
       also weder gegenüber den Bürgern verbindlich noch gegenüber den Ländern.
       Entscheidend ist, was in den Coronaverordnungen der Länder steht. Diese
       können über die verabredete Linie hinausgehen oder dahinter zurückbleiben.
       So hat Sachsen-Anhalt bereits Mitte September die Registrierungspflicht
       abgeschafft.
       
       Andere Länder wollen dagegen strenger sein als am Mittwoch beschlossen. So
       hält NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ein Bußgeld in Höhe
       von 250 Euro für richtig. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel
       Günther (CDU) kündigt sogar bis zu 1.000 Euro Bußgeld an.
       
       Von den Gaststätten wird im Bund-Länder-Beschluss nur eine
       Plausibilitätskontrolle verlangt. Das heißt: Wenn ein Gast „Donald Trump“
       oder „Mutter Theresa“ einträgt, muss das Personal nachhaken. Es wäre aber
       nicht verpflichtet, generell die Eintragungen anhand von Ausweispapieren zu
       kontrollieren. Auch hier können die Länder strenger sein. In
       Schleswig-Holstein drohen Wirten jetzt schon Bußgelder, wenn sie falsche
       Eintragungen dulden.
       
       Wenn behördliche Kontrollen effizient sein sollen, müssten Beamte die
       Listen prüfen, bevor die Gäste das Restaurant verlassen haben. Das wird
       wohl nicht häufig vorkommen. Sollte sich erst im Infektionsfall
       herausstellen, dass die Kontaktdaten frei erfunden waren, lässt sich kaum
       noch aufklären, wer die falschen Angaben gemacht hat.
       
       Die Polizei darf die Daten grundsätzlich beschlagnahmen, wenn sie diese für
       Ermittlungen benötigt. Beispiel: Vor einem Lokal findet eine Straftat
       statt, die Polizei will die Gäste befragen, ob sie etwas gesehen haben. In
       vielen Bundesländern gab es schon polizeiliche Zugriffe auf die
       Gästelisten. Rechtsgrundlage sind allgemeine Regeln der
       Strafprozessordnung. Die Beschlagnahme der Listen muss allerdings von einem
       Gericht genehmigt werden. Dabei ist auch die Verhältnismäßigkeit zu prüfen.
       
       ## Unbefugte verboten
       
       Thüringen hält solche Beschlagnahmen für falsch, weil sie das Vertrauen der
       Bürger und damit den Infektionsschutz beeinträchtigen. Ministerpräsident
       Ramelow wird wohl eine Bundesratsinitiative lancieren, die die polizeiliche
       Nutzung der Gästelisten verbieten soll. Vorbild ist eine Regelung im
       Autobahnmautgesetz von 2002, die die Nutzung von Maut-Daten für
       polizeiliche Ermittlungen untersagt.
       
       Eigentlich müssen die Länder aber nicht auf ein Bundesgesetz warten,
       sondern können das Verwertungsverbot selbst anordnen. So heißt es in der
       Coronaverordnung von Baden-Württemberg, dass die Gästelisten nur für den
       Infektionsschutz genutzt werden dürfen, „eine anderweitige Verwendung ist
       unzulässig“.
       
       Der Datenschutz gilt aber nicht nur gegenüber der Polizei, sondern auch
       gegenüber neugierigen Privatpersonen. Die Gaststätten müssen die Listen so
       aufbewahren, dass Unbefugte keinen Zugriff haben, nach einigen Wochen sind
       sie zu vernichten. Auch die Wirte dürfen die Gästedaten nicht für
       Marketingzwecke nutzen.
       
       Zudem wurde beschlossen, dass wenn in einem Landkreis binnen sieben Tagen
       mehr als 35 Neu-Infizierung pro 100.000 Einwohner gemeldet werden, private
       Feierlichkeiten in öffentlichen Räumen auf maximal 50 Teilnehmer beschränkt
       werden sollen. Steigt die Rate auf 50 Neu-Infizierungen, soll die Grenze
       sogar auf 25 Personen abgesenkt werden.
       
       Der Bund will die Gesundheitsämter der Länder bis 2025 mit einem Betrag von
       4 Milliarden Euro fördern. Mit diesem Betrag sollen die Ländern insgesamt
       bis zu 5.000 neue Stellen schaffen, die Digitalisierung in den
       Gesundheitsämtern voranbringen und die Amtsärzte besser bezahlen.
       
       30 Sep 2020
       
       ## AUTOREN
       
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