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       # taz.de -- Rechtsextremismus und Midlife-Crisis: Die Infantilität des Bösen
       
       > Rechte Männer tun gerne so, als ginge es ihnen um Identität und
       > Nationalstolz. Doch mehr als Hass und homoerotische Spannungen stecken
       > nicht dahinter.
       
   IMG Bild: Arschlöcher, Chauvis und Schläger: Proud Boys in Portland, Orgeon, am 26.September
       
       Wer hat euch wehgetan, Männer? Das darf doch echt nicht wahr sein, dass ihr
       da draußen immer noch rumlauft und faschistische Milizen gründet. Habt ihr
       sonst keine Hobbys? Wie wärs mal mit Backen?
       
       Nehmen wir die „Proud Boys“ als Beispiel. Diese Schlägertruppe, die in den
       Nachrichten ist, weil sie in Portland bewaffnet aufläuft [1][und sich der
       US-Präsident nicht von ihnen distanzieren wollte]. Diese „Stolzen Jungs“
       sind zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil Familienväter in der
       Midlife-Crisis, denen Bartpflege und männlich-weiße Weltherrschaft wichtig
       sind.
       
       [2][Gegründet hat sie 2016 ebenfalls ein Familienvater in der Midlife
       Crisis;] als eine Art Deppenwitz der Geschichte, und das sind sie auch
       geblieben, außer, dass sie eben eine unkontrollierte Miliz sind, denen der
       Präsident diese Woche zugerufen hat, sie sollen sich bereithalten – auch
       wenn er später angeblich [3][nichts mehr von ihnen wissen wollte].
       
       Aber lassen Sie sich gar nicht erst in ihren „Ach, die USA …“-Lehnstuhl
       fallen. Hier drüben im Heiligen Römischen Reich haben wir die
       rechtsextremistischen „Identitären“, [4][die sich im Sommer in einem
       Sägewerk in der Lausitz getroffen haben], um nach antikem olympischen
       Vorbild Nahkampf zu trainieren und sich im Lagerfeuerschein gegenseitig
       ihre gestählten Herrenrasse-Waden zu bewundern.
       
       ## Homoerotische Spannungen im deutschen Vereinswesen
       
       Die „Identitären“, ebenso wie die „Proud Boys“, Prepper und andere
       Iterationen [5][der maskulinistischen Neuen Rechten], versuchen ihr Tun mit
       Historie, mit Mythos aufzuladen, mit Rückgriffen auf projizierte alte
       Ideale und angebliche Former Glory – dabei geht es bloß um Sport,
       Minderheitenhass und homoerotische Spannung. Also nichts weiter als
       deutsches Vereinswesen.
       
       Sich selber und uns, die Beobachter*innen und Analyst*innen, wollen sie
       überzeugen, dass da noch mehr ist: eine Tradition, ein inneres Narrativ.
       Die „Proud Boys“ pflegen deshalb Rituale (oder behaupten es) wie die
       Einschränkung des Masturbationsverhaltens, um daraus angebliche innere
       Stärke und Ruhe zu generieren. Das ist übrigens christlich-abendländischer
       Unsinn – bei der Kontrolle von Sexualität geht es immer nur um Kontrolle,
       nichts weiter. Und die „Identitären“ geben sich gerne Spitznamen aus Zach
       Snyders Sparta-Softporno-Blockbuster „300“.
       
       Ich frage mich dann oft: Wie kann man euch heilen? Worum geht es euch
       wirklich? Vielleicht ist es ja doch diese Zukunfts-, diese
       Globalisierungsangst oder die Furcht vorm Machtverlust. Adressierbare,
       bearbeitbare Themen also. Maybe you should talk to someone?
       
       Aber erstens würde ich alle diese Typ-A-Klemmschwestern nur therapieren,
       wenn man mich so richtig obszön dafür bezahlt ([6][Honorar im Bereich
       Luxus-Ledermantel müsste das schon sein]). Und zweitens ist dies ja genau
       Teil des Spiels. Bedeutung suggerieren, wo es bloß um infantile Instinkte
       geht: erniedrigen, einschüchtern, verängstigen, herrschen.
       
       ## Baby, we ain't born this way
       
       Man tut aber so, als ginge es um männliche Identität, Nationalstolz,
       Bruderschaft und Anti-Globalisierung. Mag sein, dass alle diese Dudes ihre
       individuellen biografischen Gründe haben, Dicks geworden zu sein. Der eine
       ist vielleicht wirklich einfach ganz doll gegen entgrenzten Kapitalismus.
       Der nächste hatte einen cholerischen Dad, der dritte hat Erektionsprobleme
       und noch einer ein leicht behandelbares, aber bislang undiagnostiziertes
       psychisches Problem.
       
       Mag ja alles sein. Aber nichts davon führt unweigerlich dazu, dass Leute
       Arschlöcher, Chauvis und Schläger werden. Sorry aber, baby, we ain’t born
       this way. Arschlöcher, Chauvis und Schläger sind Arschlöcher, Chauvis und
       Schläger, weil sie sich entschieden haben, Arschlöcher, Chauvis und
       Schläger zu sein. Da gibt es nichts hineinzudeuten. Und diesen Gefallen
       sollten wir ihnen auch nicht tun.
       
       4 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /US-Praesident-Trump-und-die-Proud-Boys/!5713246
   DIR [2] /Antifeminismus-in-Nordamerika/!5524323
   DIR [3] https://www.fr.de/politik/proud-boys-neonazis-donald-trump-usa-tv-debatte-bereithalten-joe-biden-90056880.html
   DIR [4] https://twitter.com/ibdoku/status/1297125565519060992
   DIR [5] /Neue-Rechte/!t5020823
   DIR [6] /taz-Autorin-macht-Werbung-fuer-Luxusmarke/!5714271
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Weissenburger
       
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