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       # taz.de -- Berliner Sperrstunde gekippt: Kreuzberger Nächte wieder lang
       
       > Das Verwaltungsgericht kippt die Coronamaßnahme nach Eilklagen von
       > Wirt:innen. Das Alkoholverbot bleibt gültig. Senat legt am Freitag
       > Beschwerde ein.
       
   IMG Bild: Bar im Berliner Stadtteil Friedrichshain zu nächtlicher Sperrstunde
       
       Berlin taz | Trotz steigender Coronafallzahlen dürften Kreuzberger Nächte
       bald wieder lang sein: Während der rot-rot-grüne Senat versucht,
       Infektionsschutzmaßnahmen zu verschärfen, hat das Verwaltungsgericht Berlin
       am Freitagvormittag die [1][vom Berliner Senat verhängte Sperrstunde] für
       Kneipen, Restaurants und Clubs ab 23 Uhr gekippt. In zwei Eilverfahren gab
       das Gericht elf Gastronom:innen recht, die gegen die Maßnahme geklagt
       hatten. Diese dürfen ihre Lokal ab sofort wieder so lange öffnen, wie sie
       wollen. Das Alkoholverbot nach 23 Uhr bleibt unangetastet. Geklagt hatten
       unter anderem „Das Klo“ aus Charlottenburg, die „BettyF- und die Aseve-Bar“
       aus Mitte und die „Bar am Ufer“ aus Neukölln.
       
       Für alle übrigen Gaststätten der Stadt gilt die Sperrstunde bis auf
       Weiteres – denn das Verwaltungsgericht kann keine Verordnungen allgemein
       verwerfen. Faktisch hat das Urteil aber auch Auswirkung auf die übrigen
       Restaurants, Kneipen und Clubs: Der Berliner Senat muss sich nun überlegen,
       ob er die Sperrstunde zurücknimmt oder ob er innerhalb von zwei Wochen
       Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegt. Erst dann würde das Urteil
       rechtskräftig.
       
       Das Gericht gab den Kneipenbesitzer:innen recht, weil die Sperrstunde
       ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit sei, wie es in einer
       [2][Pressemitteilung zum Urteil] heißt. Gaststätten seien nur ein
       untergeordnetes Infektionsumfeld. Zwar verfolge die Sperrstunde das
       legitime Ziel, die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Corona zu verringern.
       Allerdings sei bei einer Prüfung der Fallzahlen nicht ersichtlich, dass die
       Maßnahme für eine nennenswerte Bekämpfung des Infektionsgeschehens
       erforderlich sei – nach Zahlen vom Robert-Koch-Institut hätten Gaststätten
       keinen derart wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen. Bereits geltende
       Schutz- und Hygienemaßnahmen für die Gastronomie schienen dem Gericht für
       eine Eindämmung ausreichend.
       
       ## Wochenmärkte und Shoppingmeilen im Fokus
       
       Trotz der Schlappe vor Gericht will der Senat in anderen Bereichen
       Coronamaßnahmen verschärfen: Auf engen und belebten Plätzen und Straßen
       könnte bald eine Maskenpflicht gelten – also überall dort, wo es schwierig
       ist, das Abstandgebot von 1,50 Meter einzuhalten. Es betrifft
       voraussichtlich unter anderem Wochenmärkte und Einkaufsstraßen.
       
       Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) will am Dienstag im Senat
       für die Verschärfung der Infektionsschutzverordnung werben. Eine genaue
       Liste mit Orten könne man zusammen mit den Bezirken erstellen. Beispielhaft
       wurden bisher die Schlossstraße in Steglitz, aber auch der Markt am
       Maybachufer in Neukölln genannt, ebenso auch Zugänge zur U- und S-Bahn.
       
       Kalayci nannte die Entwicklung der Pandemie weiter „sehr, sehr dynamisch“
       und angesichts vieler Plätze und Straßen in Berlin, an denen es eng werde,
       sei die Verschärfung sinnvoll. Als Grundprinzip gelte weiterhin, „dass
       dort, wo Abstandhalten nicht möglich ist, die Maske eingesetzt werden
       muss“, sagte Kalayci. In Berlin gilt sie bereits im öffentlichen
       Nahverkehr, beim Einkaufen und teilweise in Büros.
       
       Die Koalitionspartner waren bereit, über eine erweiterte Maskenpflicht zu
       diskutieren. Silke Gebel, Fraktionschefin der Berliner Grünen, befürwortete
       eine [3][Erweiterung der Maskenpflicht], schließlich habe sie sich bereits
       für eine Maskenpflicht in Büros und insbesondere Fahrstühlen ausgesprochen.
       
       Zur gekippten Sperrstunde sagte sie: „Abstand und Vorsicht gelten dennoch
       weiter. Es ist nicht die Zeit für Partys, auch nicht privat.“ Man müsse nun
       nachjustieren. Der Pressesprecher der Linksfraktion Thomas Barthel sagte,
       dass es bei der Maskenpflicht auch noch Redebedarf gebe. Er habe Zweifel,
       ob es in Berlin so viele enge Plätze geben, an denen man sich im
       Vorbeigehen infizieren könne. Und an Bahnhöfen gelte die Maskenpflicht ja
       bereits.
       
       Wie der Senat mit der Sperrstunde weiter umgehen werde, wisse man noch
       nicht, so Barthel. Kontrollen müssten wohl in jedem Fall verschärft werden
       – auch, um das weiter gültige Alkoholverbot zu kontrollieren. Am
       Freitagnachmittag teilte die Senatskanzlei mit, gegen die Entscheidung des
       Gerichts Beschwerde beim Oberverwaltungsgerichts einzulegen. Außerdem wolle
       man eine „Zwischenverfügung“ beantragen. „Damit soll möglichst noch heute
       Klarheit geschaffen werden, dass auch die 11 klagenden Gastronomen nicht
       nach 23 Uhr öffnen dürfen.„, so Senatssprecherin Melanie Reinsch.
       
       16 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Sperrstunde-in-Berlin/!5717375&s=sperrstunde/
   DIR [2] https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.1004950.php
   DIR [3] /Diskussion-um-Maskenpflicht-in-Berlin/!5721601&s=sperrstunde/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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