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       # taz.de -- Wahl zum Vogel des Jahres: Die große Piepshow
       
       > Erstmals dürfen wir den Vogel des Jahres wählen. 307 heimische Vögel hat
       > der Nabu zur Abstimmung gestellt. Wir haben unsere Favoriten schon
       > gefunden.
       
   IMG Bild: Favorit 1: die Stockente
       
       ## Ente gut, alles gut
       
       Fragt jemand, als welches Tier ich eines Tages wiedergeboren werden will,
       ist die Antwort für mich eindeutig: als Stockente, der Löwin der Tümpel.
       Die Stockente vereint einen entspannten Lifestyle (schlafen, treibenlassen,
       zum Essen untertauchen, schlafen), smaragdschimmernden Kopfschmuck und
       schier unendliche Begabung.
       
       Im Gegensatz zu [1][Ranglisten-Spitzenreitern] wie dem hübschen, aber
       talentfreien Goldregenpfeifer oder der Stadttaube, die ihren Spitzenplatz
       bestenfalls Mitleid, wenn nicht Ironie, zu verdanken hat, beherrscht die
       Stockente alle vier Elemente: Sie kann laufen, fliegen, schwimmen und
       irgendwas mit Feuer bestimmt auch. Bei ihren Fähigkeiten setzt die
       Stockente aber nicht auf den großen Aufriss, muss sie auch gar nicht,
       definiert sich echte Coolness doch immer über die Abwesenheit von
       Initiative.
       
       Der Nachwuchs wiederum ist niedlich, im Gegensatz zu verzogenen
       Singvogel-Nestkreischern aber total eigenständig – er durchschwimmt bereits
       Stromschnellen, während das Goldregenbaby gerade den Wurm wieder ausspuckt,
       weil die Eltern mal wieder nicht gut genug vorgekaut haben.
       
       Die Stockente ist uns allen überlegen, wir sollten dankbar sein, wenn sie
       unsere Auszeichnung annimmt. Quentin Lichtblau
       
       ## Glaube an Taube
       
       Lange hatte die Stadttaube einen schlechten Ruf: Sie kackt zu viel,
       vermehrt sich zu schnell und wurde zu oft beim Herumstochern in Erbrochenem
       erwischt. Aber jetzt scheint sich etwas zu ändern. In der Abstimmung zum
       Vogel des Jahres läuft es gut für sie.
       
       Und das zu Recht. Denn die Stadttaube ist schlau, frisst – wenn möglich –
       lieber Körner als unsere Reste und überträgt entgegen des Klischees
       potentiell nicht mehr Krankheiten als andere Vögel. Also, kein Grund zur
       Flucht, wenn Ihnen das nächste Mal eine Taube in der U-Bahn-Station zu nah
       kommt. Schauen Sie stattdessen mal genauer hin. Haben Sie die grünlich
       schillernden Akzente an Hals und Nacken schon mal bemerkt? Den zarten Kopf
       und die aufmerksamen Augen? Ein Stück Natur mitten in der Stadt.
       
       Und nehmen Sie es der Taube bitte nicht übel, wenn Sie Ihnen im Gegenzug
       nicht ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt. Vermutlich kennt sie Sie bereits.
       Denn – ein Aspekt, den Sie auch bei der Wahl bedenken sollten – Tauben
       merken sich Gesichter. Lena Wrba
       
       ## O Krähe, wenn ich dich sehe
       
       Im urbanen Alltag begegnen wir im Wesentlichen zwei Sorten von Vögeln. Den
       scheuen, die wegfliegen, wenn wir ihnen zu nahe kommen, und die wir
       manchmal eher hören als sehen: den Amseln, Nachtigallen, Staren. Sie haben
       ihr Tierhaftes auch in der Stadt behalten.
       
       Und denen, die wir füttern können, weil sie sich füttern lassen, und
       dadurch, leider, auch immer etwas Devotes haben: den Tauben, Enten,
       Schwänen, Möwen und Spatzen. Und dann sind da die Nebelkrähen. Sie sind
       nicht scheu und nicht devot. Sie machen einfach ihr Ding. Sie bewohnen die
       Städte wie eine Parallelpopulation.
       
       Sie hängen gern an Nichtorten ab, auf Marktplätzen, Busbahnhöfen, Gleisen.
       Sie wirken ernsthaft geschäftig, wenn sie an Plastikpackungen herumnesteln,
       von A nach B staksen oder Dinge in die Welt hinauskrähen. Krähen sollen
       übrigens auch sehr intelligent sein, liest man oft. Stimmt bestimmt, aber
       das müssten sie gar nicht. Weil sie schon so irre cool sind. Michael Brake
       
       ## Herzensgruß an den Blaufuß
       
       Vögel fliegen am Himmel um die ganze Welt (jedenfalls sehr viele von
       ihnen). Ein nationales Vogelvoting ist daher unfreiwillig komisch. So
       unfreiwillig komisch wie der Vogel, der es verdient hätte, internationaler
       Vogel des Jahrhunderts zu werden: der Blaufußtölpel. Anders als sein Name
       suggeriert, weiß der Vogel sehr wohl um seine wunderschönen Füße und zeigt
       sie gern her. Er hebt sie leicht seitlich angewinkelt auf Bauchhöhe und
       möchte mit dieser Füßeltechnik Werbung für Geschlechtsverkehr machen. Die
       Tölpelladys haben leider keine Blaufüße, stehen aber drauf.
       
       Vor allem, weil sein Träger ein smarter Typ ist: Er kann nicht nur fliegen
       (nice!), sondern auch tauchen. Aber vor allem kann er ein Gesicht machen,
       das man angesichts des derzeitigen gesellschaftlichen Diskursniveaus jeden
       Tag aufsetzen möchte. Und ganz ehrlich, wer würde es nicht vorziehen,
       jemandem statt einen Vogel lieber einen blauen Fuß zu zeigen? Doris Akrap
       
       17 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://vogeldesjahres.de/rangliste/index.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Quentin Lichtblau
   DIR Lena Wrba
   DIR Michael Brake
   DIR Doris Akrap
       
       ## TAGS
       
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