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       # taz.de -- Chemikalien in Lebensmittelverpackungen: Der Kampf um das Vorsorgeprinzip
       
       > Giftige Chemikalien raus aus Lebensmittelverpackungen, fordern
       > Verbraucherschützer – kurz bevor die EU ihre neue Chemikalienpolitik
       > vorstellt.
       
   IMG Bild: Gut verpackt aber nicht unbedenklich
       
       Berlin taz | Neue Regeln für Lebensmittelverpackungen fordert der
       Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Verbraucher müssten sich darauf
       verlassen können, dass Geschirr und Lebensmittelverpackungen unbedenklich
       seien.
       
       „Es braucht dringend wirksamere Gesetze und bessere Kontrollen, um diese
       Belastungen durch Schadstoffe zu verringern und die Gesundheit von
       Verbrauchern besser zu schützen“, sagt Klaus Müller, Vorstand des vzbv.
       „Phthalate, die als Weichmacher in Kunststoffen eingesetzt werden, sind in
       Textilien verboten, in Trinkflaschen jedoch weiterhin erlaubt. Scheinbar
       nachhaltige Produktalternativen, wie Coffee-to-go-Becher mit Bambus setzen
       bei dem Kontakt mit warmen Flüssigkeiten Formaldehyd frei. Das muss sich
       ändern“, so Müller.
       
       Den Zeitpunkt seiner Forderungen hat der vzbv geschickt und wohl mit
       Absicht gewählt: Am nächsten Mittwoch will die EU-Kommission ihre neue
       Chemikalienstrategie vorstellen. Diese Strategie ist Teil des Großprojektes
       Green Deal und soll die Chemikalienpolitik der EU sowohl effizienter als
       auch effektiver machen.
       
       [1][Seit Monaten laufen die Lobbyaktivitäten der Industrie auf Hochtouren],
       um neue Vorschriften zu verhindern – mit den alten fährt die Industrie
       nämlich ganz gut. Regulierungen von schwer greifbaren Schadstoffen wie
       hormonell wirksamen Chemikalien, den „Endokrinen Disruptoren“, konnte sie
       verzögern, zudem dauert es aus Industriesicht erfreulich lange, bis ein
       Stoff durch die EU-Behörden bewertet und reguliert wird.
       
       Eigentlich wollte die EU-Kommission ihre neue Chemikalienpolitik schon im
       Frühjahr vorstellen, intern wird heftig über ihre Ausrichtung gestritten.
       Erst kürzlich kritisierte das Europäische Umweltbüro (eeb) aus Brüssel die
       Haltung der Generaldirektion Gesundheit, die keine Notwendigkeit für
       strengere Vorschriften sieht.
       
       „Die EU muss endlich dazu übergehen, Chemikalien in Gruppen zu bewerten“,
       fordert hingegen Ninja Reineke von der Organisation Chemtrust Europe. „Wenn
       jede Chemikalie einzeln bewertet wird, dauert das viel zu lange.“ Das würde
       bedeuten, dass Substanzen mit sehr ähnlicher Struktur und ähnlichen
       Eigenschaften gemeinsam bewertet und gegebenenfalls in der Verwertung
       beschränkt oder verboten würden – bei rund 23.000 Chemikalien, die bislang
       bei der EU-Chemikalienagentur Echa von Unternehmen angemeldet wurden,
       [2][wäre das für die Behörde eine echte Erleichterung.]
       
       Die Europäische Chemikalienpolitik basiere eigentlich auf dem
       Vorsorgeprinzip, sagt Reineke. Problematische Chemikalien müssen schon
       identifiziert und bewertet werden, bevor Arbeiter oder Verbraucher mit
       ihnen in Berührung kommen. Doch dieses Prinzip funktioniere bislang nicht
       ausreichend, weil die Prozesse zu lange dauerten, sagt die
       Chemikalienexpertin.
       
       8 Oct 2020
       
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