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       # taz.de -- Neues Album der US-Rapperin Sa-Roc: Wie eine Kalaschnikow
       
       > US-Rapperin Sa-Roc bringt die Reime auf ihrem neuen kämpferischen Album
       > „The Sharecropper’s Daugher“ zum Fließen.
       
   IMG Bild: Sa-Roc
       
       „They want us in the same place / Ain’t nobody ever gonna really change
       nothing but us / Hello, this is revolution, get on up“. Die Zeilen der aus
       der US-Hauptstadt Washington, D. C. stammenden Rapperin Sa-Roc beschreiben
       kämpferisch die Gegenwart – eine Zeit, in der sich von den USA ausgehende
       Proteste auf der ganzen Welt zur Black-Lives-Matter-Bewegung formiert haben
       und soziokulturellen Wandel einfordern. Sa-Roc setzt diesem Umstand [1][mit
       ihrem Song „r(E)volution“] ein Denkmal.
       
       Die Künstlerin heißt bürgerlich Assata Perkins und ihr neues Album „The
       Sharecropper’s Daughter“ verleiht ihren Worten zusätzlich Schlagkraft: Mit
       Sharecropper sind Bauern gemeint, die den Grund von Landbesitzern
       bewirtschaften. Als Fron geben sie etwas von der Ernte (crop) ab. Dieses
       System herrschte über Jahrhunderte in den US-Südstaaten – dort, wo Sa-Roc
       mittlerweile lebt.
       
       Seine Aufrechterhaltung führte auch dazu, dass früheren Sklaven nach dem
       Sezessionskrieg 1861–65 das Recht auf Autonomie verweigert wurde. Denn
       statt eigenem Land („40 Acres and a Mule“) blieb befreiten Afroamerikanern
       nur die „Wahl“ zwischen Gefängnis und jährlichen
       Sharecropper-Bewirtschaftungsverträgen. Landbesitzer blieben oftmals die
       früheren Sklavenhalter.
       
       ## Nirvana als Vorbild
       
       Der Track „r(E)volution“ beginnt mit einem Sample, das nach dem Grunge-Hit
       „Smells like Teen Spirit“ klingt, [2][Nirvana] gehört zu den musikalischen
       Vorbildern der 38-Jährigen. Worte bekommen ihre Stärke durch ihre Stimme.
       Und hier ist nicht die Lautstärke gemeint, sondern vielmehr, wie
       überzeugend die Perspektive der Künstlerin ist, für die die Stimme steht.
       
       [3][Der Westküstenrapper 2Pac (1971–1996]) etwa hat in seiner kurzen
       Lebenszeit auch mit seinen wütenden Reimen und seiner markanten Stimme die
       Schwarze Diaspora gewürdigt. Auch Sa-Rocs langjähriger Produzent Sol
       Messiah bedient sich für ihren Sound beim HipHop der 1990er Jahre, ein
       Slogan jener Zeit hieß nicht umsonst, „it’s mostly the voice“. Auf die
       Stimme kommt es an.
       
       Wer Sa-Rocs Stimme hört, kann nicht begreifen, dass sie derart unbekannt
       ist. Seit 2016 steht sie beim HipHop-Label Rhymesayers Entertainment unter
       Vertrag, nicht zuletzt die Werkstatt ihres Kollegen MF Doom. 2018 wurde
       Sa-Rocs bisher erfolgreichste Single „Forever“ veröffentlicht, ihre
       charakteristischen Wassersprudelsamples erinnern an die R&B-Crew TLC.
       
       ## Selbsthass und Narben
       
       Zur Sicherheit ist dieser Song nochmal auf dem neuen Album vertreten. Hier
       schafft sie den Spagat zwischen einem hymnenhaften Refrain und einer ins
       Mark treffende Offenheit, wenn sie über Selbsthass und die Narben auf ihrem
       Körper rappt, die sie sich als Teenager selbst zugefügt hat.
       
       Es sind ihre Fähigkeiten als Rapperin, die den Inhalt ihrer Songs auf ein
       höheres Level heben. Mit eisernem Atem bringt sie die Reime im Song
       „Deliverance“ zum Fließen. Das düstere Klanggewand und der tickende Beat
       stammen vom Produzenten Evidence. Nach nur wenigen Sekunden ist man
       unbedingt bereit, ihr zu folgen. Soul wird technisch versiert auf
       „Undersold“, „Obsidian“ auf „Gideon“ gereimt.
       
       Ihr berühmter Kollege Black Thought von The Roots beschreibt ihren Style
       twährend seines Features auf „The Black Renaissance“ treffend: Darin rappt
       er in Begleitung des einmaligen Klangs eines Airhorn, 808-Drums und Piano:
       „My little sister bars blast like Kalashnikov … the sound pierce like
       bullets and swords.“
       
       ## Wunsch nach besserem Zusammenhalt
       
       Wer wie ein Maschinengewehr rappen kann, muss nichts Böses im Sinn haben.
       Sa-Rocs Lyrics fußen immer wieder auf dem Wunsch nach besserem
       Zusammenhalt. Natürlich spricht sie sich Mut zu, bekundet, wie gut sie
       selbst sei, genauso sehnt sie im Song „Goddess Gang“ zum Klang einer
       Blaskapelle auch Kolleginnen herbei. Das allein ist schon ein Grund, ihre
       Musik mit der Bezeichnung Conscious-Rap zu versehen, kritisiert es doch den
       Irrglauben, dass es Solidarität Support unter Frauen nicht geben kann.
       
       Conscious-Rap wird in der Trap-Ära, in der es oft nur um Bling-bling geht,
       gerne als Zeigefinger-Musik missverstanden, weil der Inhalt politisch und
       sozialkritisch ist. Sa-Roc ist das schnuppe. Sie hat auch keinen Song extra
       für die BLM-Proteste komponiert, sie will Kontexte schaffen in einer Welt,
       in der nur die lauteste Stimme auf Twitter gewinnt. Das ist eben doch
       revolutionär.
       
       15 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://youtu.be/8Q1I9pN8a-M
   DIR [2] /Vor-20-Jahren-erschoss-sich-Kurt-Cobain/!5044956
   DIR [3] /Mails-vom-Chef/!5607455
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Yuki Schubert
       
       ## TAGS
       
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