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       # taz.de -- Oberster Gerichtshof in den USA: Trumps Kandidatin windet sich
       
       > Die erzkonservative Richterin Amy Coney Barrett soll an den Supreme Court
       > berufen werden. Bei ihrer Anhörung im Senat weicht sie wichtigen Fragen
       > aus.
       
   IMG Bild: Abgang nach neun Stunden Befragung: Amy Coney Barrett ließ sich nicht aus der Reserve locken
       
       Washington reuters/afp | Die Kandidatin von Präsident Donald Trump für das
       höchste US-Gericht, Amy Coney Barrett, hat bei ihrer Anhörung im Kongress
       Festlegungen in umstrittenen politischen Fragen vermieden. Am zweiten Tag
       ihrer Befragung vor dem Rechtsausschuss des US-Senats lehnte die Richterin
       am Dienstag etwa eine Antwort auf die Frage ab, ob sie auf eine Beteiligung
       an Verfahren verzichten würden, bei denen es um die Präsidentenwahl am 3.
       November gehen könnte.
       
       Experten schließen nicht aus, dass der Supreme Court bei einem unklaren
       Ausgang der Wahl eine Entscheidung zum Ergebnis treffen muss. Trump hat
       mehrfach – ohne Belege zu liefern – kritisiert, [1][per Briefwahl
       abgegebene Stimmen könnten das Wahlergebnis verfälschen]. Barrett könnte
       eine entscheidende Rolle spielen, sollte der Supreme Court über mögliche
       Anfechtungen des offiziellen Wahlausgangs entscheiden müssen.
       
       Die derzeitige Richterin an einem Bundesgericht in Chicago stellte im
       Justizausschuss des Senats klar, dass sie als Richterin keine politische
       „Agenda“ verfolge. „Meine Agenda ist es, mich an die Rechtsstaatlichkeit zu
       halten und Fälle zu entscheiden, wenn sie kommen.“
       
       „Richterinnen können nicht einfach aufwachen, sagen ‚Ich habe eine Agenda.
       Ich mag Waffen, ich hasse Waffen, ich mag Abtreibungen, ich hasse
       Abtreibungen‘ und dann wie eine Königin der Welt ihren Willen aufdrücken“,
       sagte Barrett weiter.
       
       ## Obamacare auf dem Prüfstand
       
       Ähnlich ausweichend reagierte Barrett auf Fragen zu ihrer Haltung zu der
       von Trumps Vorgänger [2][Barack Obama durchgesetzten Gesundheitsreform].
       Der Supreme Court wird sich nur eine Woche nach der Präsidentschaftswahl
       vom 3. November mit der als Obamacare bekannten Gesundheitsreform befassen,
       die 20 Millionen Menschen Zugang zu einer Krankenversicherung ermöglichte.
       
       Barrett hatte in der Vergangenheit Kritik an Obamacare geübt.
       Oppositionelle Demokraten halten sie deswegen für befangen. Sie lehnte es
       auch hier ab, sich festzulegen, ob sie sich an Verfahren über „Obamacare“
       beteiligen werde. Dasselbe sagte die überzeugte Katholikin zu Verfahren
       über die gleichgeschlechtliche Ehe.
       
       Barrett wollte eine Frage, ob sie die den Richterspruch von 1973 in „Roe
       gegen Wade“, mit dem Abtreibungen in den USA erstmals erlaubt wurden, für
       ein Fehlurteil halte, mit Verweis auf ihr derzeitiges Richteramt nicht
       beantworten. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein entgegnete: „Es
       ist besorgniserregend, darauf keine klare Antwort zu bekommen.“ Barrett
       beteuerte auch, sie sei nicht auf einer „Mission“, Obamacare zu „zerstören“
       – lehnte aber auch hier eine inhaltliche Festlegung ab.
       
       Die 48-Jährige betonte zugleich, sie habe niemandem im Senat oder im Weißen
       Haus Zusagen gemacht, wie sie über bestimmte Fälle entscheiden würde. Sie
       werde das auch im Justizausschuss nicht tun. „Das wäre eine grobe
       Verletzung der Unabhängigkeit der Justiz.“
       
       Nach dem Willen von Trump und den Republikanern soll sie die verstorbene
       [3][liberale Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg] noch vor der
       Präsidentenwahl ersetzen. Mit ihr wären die konservativen Richter am
       Supreme Court mit sechs zu drei Stimmen in der Mehrheit, möglicherweise auf
       Jahrzehnte hinaus.
       
       14 Oct 2020
       
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