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       # taz.de -- EU-Parlament zu Fleischersatzprodukten: Veggie-Wurst bleibt Wurst
       
       > Das EU-Parlament lehnt ein Verbot von Bezeichnungen wie „Veggie-Burger“
       > ab. Zum Glück, alles andere wäre Irrsinn gewesen.
       
   IMG Bild: Dürfen weiter Burger oder Wurst heißen: vegetarische Produkte im Supermarkt
       
       Eins ist klar wie Kräuterbrühe: Pflanzenbasierte Produkte sind global auf
       dem Siegeszug. Der Markt wächst rasant und allein für die Europäische Union
       beträgt der [1][vorausgesagte Umsatz für 2025] rund 2,6 Milliarden
       US-Dollar.
       
       Umso signifikanter ist die Entscheidung, die in dieser Woche vom
       EU-Parlament getroffen wurde. Und zwar des Ablehnung der von der Milch- und
       Fleischindustrie initiierten Änderungsantrags [2][165] zu [3][Anhang VII]
       der „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine
       gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse“.
       
       Was sehr unsexy klingt, ist es auch. Denn dabei handelte es sich um
       Regulierungen dazu, wie pflanzliche Produkte genannt, verpackt und
       vermarktet werden können. Fast wäre es zu Verboten von Bezeichnungen à la
       „Burger“ und „Wurst“ für vegetarische und vegane Produkte gekommen. Burger
       hätten dann vielleicht noch „Veggie-Disk“ heißen können und pflanzliche
       Wurst „Veggie-Röhre“.
       
       In dieselbige hätten sowohl Hersteller und Konsumenten von pflanzlichen
       Produkten dann geschaut. Gut, dass es nicht so gekommen ist! Doch leider
       ist ein andere Änderungsantrag, mit der Nummer [4][171], durchgekommen. Der
       wiederum verbietet, dass Beschreibungen wie „Joghurt-Style“, oder
       „Käse-Alternative“ verwendet werden dürfen. Das ist natürlich großer Käse!
       
       Die EU hatte ohnehin schon, im Vergleich mit dem Rest der Welt, die
       restriktivsten Regelungen in Bezug auf Veggie-Produkte, Namen wie „Veganer
       Käse“, oder etwa „Hafermilch“ durften schon vorher nicht verwendet werden.
       Und so oder so standen beide Änderungsanträge – 165 und 171 – im
       Widerspruch zur EU-Politik, wie etwa dem [5][European Green Deal] oder der
       [6][Farm to Fork Strategy], denen die Absicht zugrunde liegt, die
       Wirtschaft nachhaltiger zu machen und die Ernährung gesünder,
       umweltbewusster und fairer zu gestalten.
       
       ## Mehr als bloß Semantik
       
       Wer jetzt meint: Ach, ist doch bloß Semantik, regt euch nicht so auf – der
       hat keine Ahnung von den immensen finanziellen und logistischen
       Auswirkungen. Unter den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen müssen Produkte
       mit neuen Verpackungen und Labels ausgestattet werden. Außerdem ist das
       Risiko für Klagen hoch. Denn unter Umständen kann schon die „Aneignung,
       Nachahmung oder Anspielung“ eines Milchprodukts rechtswidrig sein. Ein
       pflanzliches Dessert in einer Verpackung, die einem Joghurtbecher ähnlich
       sieht, wäre also: verboten! Auch den Konsumenten wird das Leben nun unnötig
       schwer gemacht.
       
       Das Hauptargument, welches die Änderungsanträge pushen sollte, war: die
       Konsumenten vor Verwirrung zu schützen. Aber wäre das der Fall? [7][Laut
       einer Studie der European Consumer Organisation], die in zehn
       EU-Mitgliedsstaaten durchgeführt wurde, haben nämlich über 68 Prozent der
       Verbraucher kein Problem mit Bezeichnungen wie „Burger“ oder „Steak“ auf
       pflanzlichen Alternativprodukten, solange diese auch als vegetarisch oder
       vegan gekennzeichnet sind.
       
       Die Panik in der Milchindustrie, deren Lobbyisten nicht unschuldig an der
       Entscheidung des EU Parlaments waren, ist spürbar. Vor allem junge Menschen
       ernähren sich immer häufiger pflanzlich. Über Geschmack lässt sich
       bekanntlich streiten – aber vielen Konsumenten finden das, was ihnen
       jahrzehntelang vorgesetzt wurde, inzwischen schlicht ungenießbar. Sie
       wollen sich gesünder und nachhaltiger ernähren.
       
       Das muss die Milch- und Fleischwirtschaft schlucken. Die globale Nachfrage
       in Bezug auf plant based foods wird weiterhin steigen. Und
       EU-Entscheidungen hinsichtlich Veggies, wurden auch früher schon mal
       vergurkt, [8][Stichwort Gurkenkrümmung]. Aber die lassen sich ja zum Glück
       im Nachhinein beheben.
       
       Korrektur: In einer früheren Version des Textes stand fälschlicherweise,
       beide Änderungsanträge wären abgelehnt wurden. Danke an den Kommentator
       Joaquin J. für den Hinweis. Der Fehler ist jetzt korrigiert.
       
       23 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.mordorintelligence.com/industry-reports/europe-plant-protein-market
   DIR [2] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2019-0198_DE.pdf#page=189
   DIR [3] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A02013R1308-20180101&from=DE#tocId611
   DIR [4] https://europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2019-0198_DE.pdf#page=192
   DIR [5] /Massnahmen-der-EU-gegen-Erderhitzung/!5716282
   DIR [6] /Gruenen-Politiker-ueber-EU-Agrarplaene/!5722843
   DIR [7] https://www.beuc.eu/publications/beuc-x-2020-042_consumers_and_the_transition_to_sustainable_food.pdf#page=35
   DIR [8] https://de.wikipedia.org/wiki/Verordnung_(EWG)_Nr._1677/88_(Gurkenverordnung)#Abschaffung_der_Verordnung
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ariane Sommer
       
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