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       # taz.de -- Volksentscheid „Autofrei“ in Berlin: Mehr radikal als realistisch
       
       > Eine Initiative will Berlin per Entscheid „autofrei“ machen. Das leuchtet
       > auf den ersten Blick ein. Auf den zweiten ist es komplizierter als
       > gedacht.
       
   IMG Bild: Blechlawinen in Berlin – daran soll sich bald was ändern
       
       Wir leben in Zeiten großer Weichenstellungen. Diesen pathetischen Satz kann
       man auf vieles anwenden. Er passt aber auch ganz gut zur Frage, welche
       Rolle künftig das Auto in unseren Gesellschaften und vor allem Städten
       spielen wird, nein: darf. Während die Hersteller immer größere
       Straßenpanzer in den Markt drücken, wurde gerade in Frankreich – dies mal
       als kleiner Blick über den Tellerrand – gerade eine schmerzhafte
       Sondersteuer auf besonders schwere SUVs beschlossen.
       
       In Berlin will nun eine Initiative das, pardon, ganz große Rad drehen: Sie
       stellte am Mittwoch ihre Pläne vor, die Innenstadt [1][innerhalb von
       weniger als zehn Jahren „autofrei“] zu machen. Und nicht für einen
       wohlklingenden Appell sollen die BürgerInnen ab dem Frühjahr unterschreiben
       (und irgendwann womöglich an die Urnen gehen), sondern für einen
       knallharten Gesetzentwurf.
       
       Wobei der so knallhart aber nicht ausfallen wird. Busse, Laster und
       Müllwagen, Taxis, Transporter und Krankenwagen sowie eine Vielzahl von mit
       guten Gründen befreite private Kfz würden weiterrollen. Und zwar, das ist
       reine Logik, deutlich mehr als heute. Denn nicht nur müsste der öffentliche
       Nahverkehr massiv ausgebaut werden; auch für Lieferdienste würden wohl
       goldene Zeiten anbrechen.
       
       Um mal ganz frech ein Argument der CDU ins Feld zu führen: „Welche
       Verwaltung soll den Ansturm auf Sondergenehmigungen bewältigen?“ Klingt
       kleinmütig, ist deshalb aber nicht falsch. Auch sonst würde ein solcher
       Schritt einen schier endlosen Rattenschwanz an Folgeproblemen hinter sich
       herziehen. Insbesondere verlagerten sich viele Probleme in den Bereich
       außerhalb des Rings, wo im Gegensatz zum Volksglauben weit mehr als zwei
       Drittel der BerlinerInnen wohnen.
       
       Viel realistischer sind da die längst diskutierten Maßnahmen einer
       City-Maut, des Verbots von Verbrennungsmotoren, der massiven Ausweitung von
       Tempo 30 und der Einrichtung von Kiezblöcken. Das denken auch die
       allermeisten grünen PolitikerInnen, Kritik an „Berlin autofrei“ kam ihnen
       aber – abgesehen von „juristisch hochkomplex, bedarf gründlicher Prüfung“ –
       nicht über die Lippen.
       
       Wie es wird, wenn die Kampagne für den Volksentscheid mit dem nächsten
       Wahlkampf zusammenfällt? Auf jeden Fall spannend!
       
       24 Oct 2020
       
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