URI: 
       # taz.de -- Italien-Rundfahrt der Radprofis: Giro d'Italia wird militärisch
       
       > Etappenstart bei der Luftwaffe: So versucht die Rundfahrt von der
       > Coronakrise abzulenken. Der Niederländer Wilco Kelderman gilt als
       > Geheimfavorit.
       
   IMG Bild: Hält die Spannung beim Giro aufrecht: Wilco Kelderman
       
       Dieses Beispiel könnte Schule machen in Pandemiezeiten. Die 15. Etappe des
       Giro d’Italia wurde im militärischen Sperrbereich des Feldflughafens der
       Kunstflugstaffel der italienischen Luftwaffe gestartet. Militärangehörige
       wachten darüber, dass in diese militärisch-profisportliche Gesamtblase nur
       ausgewählte Menschen hineinkamen. Das Gelände selbst war auch sehr
       weitläufig. Ein paar Hangars waren zu sehen, ein paar Erdbunker hoben sich
       kuppelförmig aus dem Erdreich, ansonsten viele grüne Rasenflächen und graue
       Start- und Landebahnen. Wer sich dort zu eng an jemanden anderen halten
       wollte, den hielt allein die Drohkulisse des Militärs davon ab.
       
       Das Sicherheitsprotokoll des Etappenstarts passt nicht so recht zum
       bisherigen Umgang des Giro mit Corona. Neun positive Fälle hatte es Ende
       der ersten Woche gegeben. Zurückzuführen waren sie offenbar auch auf
       Sicherheitsmängel. Einige Teams waren gemeinsam in Hotels untergebracht,
       teils zusammen mit ganz normalen Feriengästen.
       
       Die strenge Trennung auf dem Flugfeld von Rivolto schien da zumindest
       symbolisch die richtige Antwort zu sein. Geplant war der Etappenstart auf
       der Militärbasis aber schon vor Corona. In Italien sind die Militärpiloten
       von dieser Basis Nationalhelden. Zu deren Loopings tönte aus den
       Lautsprechern Luciano Pavarottis gewaltiges Organ, und natürlich malten die
       Piloten die italienische Trikolore an den Himmel.
       
       Den Profis, zumal den nichtitalienischen, mochte während der etwa
       20-minütigen Flugschau die Muskulatur kalt geworden sein. Aber Aktionen wie
       diese, die nicht recht vereinbar sind mit den Erfordernissen im
       Hochleistungssport, gehören zum Giro einfach dazu.
       
       Äußerlich unbeeindruckt ließ Wilco Kelderman das Spektakel über sich
       ergehen. Der 29-jährige Niederländer hat sich Tag für Tag mehr in die
       Favoritenposition für diesen Giro geschoben. Er ist der Einzige, der
       bislang zumindest halbwegs mithalten konnte mit dem überraschenden
       Debütanten Joao Almeida. Beim Zeitfahren am Samstag verlor er nur 16
       Sekunden auf den Portugiesen.
       
       ## Das Talent, das Pech hatte
       
       Bei den anderen Podiumsaspiranten belief sich der Rückstand auf ein bis
       zwei Minuten. Kelderman hielt aber nicht nur beim Zeitfahren stand, sondern
       sorgte auch für offensive Akzente. Er fuhr etwa bei der Apennin-Etappe nach
       Roccaraso sowie beim Aufstieg zum Ätna ein paar Sekunden auf die Konkurrenz
       heraus. Im Schatten von Almeida präsentierte er sich als der Frischeste und
       Angriffslustigste aus dem Kreis der Favoriten. Und er war zugleich der
       beständigste.
       
       Damit löst Kelderman in seiner letzten Saison bei Sunweb endlich ein, was
       man schon länger von ihm erwartet hatte. Er galt früh als großes Talent,
       wurde 2014 bereits Siebter des Giro. Zahlreiche Verletzungen, darunter ein
       Schlüsselbeinbruch, behinderten jedoch seinen weiteren Aufstieg. 2017, nach
       seinem Wechsel zum deutschen Rennstall Sunweb, deutete er mit einem vierten
       Platz bei der [1][Vuelta] sein Potenzial an.
       
       Doch in der darauf folgenden Saison zerstörte eine Schulterverletzung
       erneut den Traum vom nächsten Karriereschritt. „Wilco hat in den letzten
       Jahren wirklich Pech gehabt. Er hat einen starken Motor. Aber immer wieder
       warfen ihn Verletzungen zurück“, sagt Sunwebs sportlicher Leiter Luke
       Roberts. „In diesem Jahr konnte er erstmals problemlos trainieren. Wir
       haben schon im Höhentrainingslager gesehen, dass er eine gute Basis hat.
       Und beim Tirreno Adriatico konnte er das bestätigen“, so Roberts. Dort
       wurde Kelderman guter Vierter.
       
       Nach dem Ausfall einiger Topfavoriten wie Geraint Thomas und Simon Yates
       könnte bei diesem Giro endgültig der Knoten für den bislang vor allem als
       solider Berghelfer aufgefallenen Niederländer platzen. Für [2][Sunweb]
       allerdings wäre ein Sieg in Mailand auch ein bittersüßes Finale. Im Zuge
       der Radikalverjüngung des Kaders gab der Rennstall dem 29-Jährigen zum
       Saisonende den Laufpass. Er fährt im nächsten Jahr bei Bora-hansgrohe. Ob
       dort als Helfer für Emanuel Buchmann oder mit Anspruch auf eine eigene
       Kapitänsrolle – genau das wird sich auch bei diesem Giro entscheiden.
       
       18 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Archiv-Suche/!5442785&s=/
   DIR [2] /Teamwork-bei-der-Tour-de-France/!5709934
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tom Mustroph
       
       ## TAGS
       
   DIR Giro d’Italia
   DIR Italien
   DIR Radsport
   DIR Giro d’Italia
   DIR Radsport
   DIR Giro d’Italia
   DIR Giro d’Italia
   DIR Giro d’Italia
   DIR Tour de France
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Starke Deutsche beim Giro: Kollektive Attacken
       
       Beim Giro d’Italia wächst das deutsche Bora-Team über sich selbst hinaus.
       Mit dem Australier Hindley hat es zudem einen Asprianten für den
       Gesamtsieg.
       
   DIR Ehemaliger Vuelta-Sieger als Helfer: Der lange Abstieg
       
       Vom Champagnerverschütter zum Wasserflaschenträger: Radprofi Chris Froome
       hat eine ungewöhnliche Metamorphose hinter sich.
       
   DIR Überraschungssieg beim Giro d'Italia: Am Ende ist es Hart
       
       Forsche Jungprofis, eine nicht ganz dichte Sportlerblase und aufmüpfige
       Fahrer. Der Giro d’Italia 2020 wird in Erinnerung bleiben.
       
   DIR Generationswechsel im Radsport: Feiern zur Jugendweihe
       
       Es sind vor allem junge Radprofis, die die großen Rundfahrten beherrschen.
       Der Trend setzt sich auch jetzt beim Giro d’Italia fort.
       
   DIR Abwertung des Giro d’Italia: Der Giro als Anhängsel
       
       Wegen Corona muss die Italienrundfahrt der Radprofis nach der Tour de
       France starten. Dem Frauen-Giro wurde sogar der WorldTour-Status entzogen.
       
   DIR Machtwechsel bei der Tour de France: Sehnsucht nach den Altstars
       
       Der Gesamtsieg bei der Tour de France ist für die Gewinner der letzten
       Jahre, das Team Ineos, bereits außer Sichtweite. Das löst einige Debatten
       aus.