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       # taz.de -- Besuchsregeln in Krankenhäusern: 60 Minuten Liebe
       
       > Einige Berliner Krankenhäuser verordnen strengere Coronamaßnahmen als der
       > Senat. Was in welchen Kliniken noch erlaubt ist.
       
   IMG Bild: In vielen Berliner Krankenhäusern gilt Besuchsverbot
       
       Immer mehr Berliner Krankenhäuser verhängen Besuchsverbote, darunter die
       neun Vivantes-Kliniken, die drei DRK-Kliniken, das St. Joseph- sowie das
       Franziskus-Krankenhaus. Grund dafür sind die stark steigenden
       Coronafallzahlen und das erhöhte Ansteckungsrisiko in den Einrichtungen.
       
       Mit den Verboten greifen die Kliniken härter durch als der Senat selbst,
       der vergangene Woche neue Besuchsregeln für Krankenhäuser verordnet hat:
       Seit dem Wochenende dürfen Patient*innen demnach nur noch einmal täglich
       für eine Stunde von einer Person Besuch bekommen. Diese Regelung gilt auch
       für Neugeborene und ihre Mütter. Geschwister des Babys dürfen die
       besuchende Person begleiten, wenn sie nicht älter als 16 Jahre sind.
       
       Voraussetzung für einen Besuch im Krankenhaus ist, dass die Besucher*innen
       keine Covid-19-Symptome aufweisen. Hierzu zählen laut Robert-Koch-Institut
       etwa Husten, Schnupfen, Fieber sowie Geschmacks- und Geruchsverlust. Beim
       Treffen selbst müssen sowohl Patient*innen als auch Besucher*innen eine
       Mund-Nasen-Maske tragen.
       
       In der Senatsverordnung gibt es aber auch Ausnahmen. Sterbende,
       Schwerstkranke sowie Kinder unter 16 Jahren können uneingeschränkt von
       gesunden Personen Besuch empfangen. Anfangs hatte die Coronaverordnung
       einen Fehler enthalten. Demnach galt auch für Kinder nur ein einstündiges
       Besuchsrecht. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) kündigte in einem
       Brief an die Berliner Krankenhäuser an, den Fehler zu korrigieren.
       
       ## Besuchsregeln variieren je nach Klinik
       
       Die konkreten Besuchsregeln variieren allerdings von Klinik zu Klinik.
       Während die Charité und die sieben Krankenhäuser der Johannesstift Diakonie
       die Senatsverordnungen umsetzen, verhängen andere Krankenhäuser strengere
       Besuchsregeln. Das ist erlaubt. Die strengeren Maßnahmen – etwa komplette
       Besuchsverbote – müssen jedoch zuvor vom jeweiligen Gesundheitsamt
       genehmigt werden.
       
       In den Krankenhäusern von Vivantes, einem der größten Krankenhausbetreiber
       Berlins, gilt seit mehr als einer Woche Besuchsverbot. Selbst Mütter und
       ihre Neugeborenen dürfen keinen Besuch empfangen, auch nicht vom anderen
       Elternteil. Das bestätigte Pressesprecherin Mischa Moriceau der taz.
       Ausgenommen von dem Verbot seien Schwerstkranke sowie Kinder. Wie lange und
       von wie vielen Personen diese Besuch bekommen dürften, müsse mit den
       verantwortlichen Ärzt*innen besprochen werden. Ähnliche Regeln wie in den
       Vivantes-Kliniken gelten im St.-Joseph- sowie im Franziskus-Krankenhaus.
       Der Unterschied: Neben Schwerstkranken und Kindern dürfen hier auch Mütter
       und ihre Neugeborenen einmal täglich von einer gesunden Person Besuch
       empfangen.
       
       Am strengsten sind die Beschränkungen in den drei DRK-Kliniken, in denen
       seit Montag Besuchsverbot gilt. Anders als in den anderen Berliner
       Krankenhäusern dürfen hier Schwerstkranke und Kinder nur einmal täglich für
       eine Stunde Besuch bekommen. Kinder könnten jedoch durchgehend von einem
       Elternteil begleitet werden, heißt es auf der Webseite der Krankenhäuser.
       
       ## Expert*innen äußern Kritik
       
       Die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Islim Kalali sieht die Regelung des
       DRK kritisch. „In einer solchen Situation brauchen Kinder ihre engsten
       Bezugspersonen um sich. Dazu gehört nicht nur ein Elternteil“, sagt sie.
       Für die Genesung eines Kindes sei es wichtig, dass es beide Elternteile und
       seine Geschwister bei sich habe. „Ein Besuch von einer Stunde ist viel zu
       kurz“, sagt Kalali.
       
       Auch Daniela Golz, Patientenfürsprecherin im Vivantes
       Auguste-Viktoria-Klinikum, ist wütend. „Für die Patient*innen ist das
       Besuchsverbot eine Katastrophe“, sagt Golz. Viele würden extrem darunter
       leiden, ihre Familien und Freunde nicht mehr sehen zu können. Das sei eine
       „starke emotionale Belastung“. Vor allem für Patient*innen, die lange im
       Krankenhaus lägen, sei das Verbot furchtbar. „Jetzt bleibt alles bei den
       Pfleger*innen hängen, nur haben diese eigentlich keine Zeit dafür, mit den
       Patient*innen zu plaudern“, sagt Golz. Sie fordert Schnelltests für
       Besucher*innen. Auch Günter Esser, Direktor der Akademie für Psychotherapie
       und Interventionsforschung der Universität Potsdam, sagt: „Die psychische
       Gesundheit beschleunigt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Genesung.“
       
       Anders als für Krankenhäuser hat der Senat für Alten- und Pflegeheime keine
       Besuchsregeln verordnet. Die Häuser setzen eigene Pläne um. In den acht
       Seniorenheimen der Caritas etwa müssen Besucher*innen ihre Kontaktdaten
       angeben sowie einen Schutzkittel tragen, sagt Claudia Appelt von der
       Caritas Altenhilfe.
       
       Besuchsverbote wie im Frühjahr seien bisher nicht geplant. „Die daraus
       resultierenden psychischen Belastungen der Bewohner*innen sind einfach zu
       groß“, sagt Appelt. Ein erneutes Besuchsverbot wäre nur dann sinnvoll, wenn
       sich ein*e Bewohner*in oder ein*e Mitarbeiter*in mit dem Covid-19-Virus
       infizieren würde. Derzeit sind 34 Berliner Pflegeeinrichtungen von
       Infektionen betroffen, teilte die Gesundheitsverwaltung am Dienstag mit.
       
       22 Oct 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rieke Wiemann
       
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