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       # taz.de -- Streit um spanische TV-Serie: Polizeiserie regt auf
       
       > „Antidisturbios“ empört die spanischen Polizeigewerkschaften. Offenbar
       > haben die Macher der Serie einen wunden Punkt getroffen.
       
   IMG Bild: Ein Polizist im Konfettiregen bei einer Zwangsräumung in Barcelona im Oktober 2020
       
       Madrid/taz | „Serie des Jahres“ oder „[1][echter Müll]“? Die Meinungen
       gehen weit auseinander, wenn es um die Serie „Antidisturbios“
       („Bereitschaftspolizisten“) geht. Während ein Großteil des Publikums und
       auch die Kritik die Produktion von Movistar lobt, sind mehrere
       Polizeigewerkschaften empört.
       
       In der sechsteiligen Serie geht es um „Puma 93“, die Besatzung einer
       „Wanne“. Der mit Holzknüppel verlängerte Arm des Gesetzes wird beim Einsatz
       gezeigt. Als bei der Zwangsräumung in der Madrider Altstadt ein Immigrant
       vom ersten Stock in den Innenhof stürzt und stirbt, wird die „Innere“
       aktiv. Die junge, hartnäckige Ermittlerin stößt schnell auf mehr als auf
       einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz: ein Netzwerk aus einem korrupten
       Polizeichef, einem Richter und einem Unternehmer, die an der
       Gentrifizierung des Stadtteiles verdienen und die Zwangsräumungen oft an
       der Gesetzeslage vorbei anordnen.
       
       Doch es ist nicht etwa dieser durchaus realitätsnahe Einblick in das
       spanische System, der die Polizeiorganisationen erzürnt. Es ist vielmehr
       die Darstellung der Beamten selbst. Es sind normale Menschen, mit ihren
       persönlichen Miseren und alltäglichen Problemen, mit Depressionen und
       Aggressionen und natürlich mit ihren Lastern in Form von Alkohol- und auch
       Drogenmissbrauch.
       
       Verhasste Eliteeinheit 
       
       Die Autoren von „Antidisturbios“, Isabel Peña und [2][Rodrigo Sorogoyen],
       zeigen eine Gruppe von Arbeitern und wie sie während der Untersuchung durch
       die „Innere“ nach und nach zusammenbrechen. Die Serie taucht ein in den
       Alltag einer Eliteeinheit der spanischen Polizei, die so verhasst ist wie
       keine zweite.
       
       „Sie stellen uns auf das gleiche Niveau wie die Ratten“, heißt es aus
       Reihen der Polizeigewerkschaft Jupol. Die Serie sei „[3][beleidigend],
       erniedrigend“ und „sie beschmutzt das Image der Bereitschaftspolizei“,
       erklärt die Gewerkschaft, die zuerst von den rechtsliberalen Ciudadanos
       gesponsert wurde, um anschließend in den Armen der rechtsextremen Vox zu
       enden, in sozialen Netzwerken.
       
       „StopBulos“ – spanisch für „Stoppt Fakenews“ – lautete das Schlagwort der
       Kampagne gegen „Antidisturbios“. Dass so mancher Bekannte, wie etwa der
       fortschrittliche Investigativjournalist und TV-Moderator Jordi Évole oder
       der katalanische Unabhängigkeitspolitiker Gabriel Rufián oder auch die
       linksliberale Tageszeitung El País „Antidisturbios“ empfehlen, macht die
       Sache in Augen der Jupol noch schlimmer.
       
       „Die Generaldirektion der Polizei genehmigt Dreharbeiten in Einrichtungen.
       Es werden Uniformen und Fahrzeuge verwendet. Sie haben offizielle Beratung
       erhalten. Dabei kommt die Serie ‚Antidisturbios‘ heraus, die 2.500 Kollegen
       mit Lügen und [4][Klischees beleidigt]. Wir fordern dringend eine
       Erklärung“, schreibt auch die andere rechte Polizeigewerkschaft, CEP.
       
       Nichts verschönern, nichts verteufeln 
       
       Das Innenministerium und die Polizeiführung haben Peña und Sorogoyen den
       Zutritt zu den Kasernen ermöglicht, um sich ein Bild von der Arbeit zu
       machen. Das verwundert nicht. Denn Peña und Sorogoyen sind keine
       Unbekannten. „Antidisturbios“ ist nicht ihre erste Erfolgsserie. Sorogoyen
       war selbst für einen Oskar nominiert. Filmerisch geben die beiden alles, um
       eine beklemmend dichte Atmosphäre zu schaffen. Viele Szenen sind mit
       Weitwinkel aus der Hand gedreht, die Kamera immer wieder so nah wie möglich
       an den Gesichtern der Protagonisten.
       
       „Wir wollen nichts verschönern und nichts verteufeln“, erklärt Sorogoyen.
       Es gehe vielmehr darum, dass „der Zuschauer so realistisch wie nur möglich
       miterlebt, was diese Leute erleben, und dass er danach sein Urteil fällt.“
       „Natürlich schrecken wir nicht davor zurück, zu erzählen, wie unnötig
       gewalttätig und ungerecht die Bereitschaftspolizei manchmal ist“, fügt Peña
       hinzu. Die Idee zu der Serie entstand nach der „Bewegung der Empörten“ 2011
       und den völlig überzogenen Polizeieinsätzen gegen sie und die Proteste
       gegen die Sozialkürzungen in den Jahren der Eurokrise.
       
       Auch die weitaus gemäßigtere Gewerkschaft SUP, die einst gar Hand in Hand
       mit der postkommunistischen CCOO gegen ebendiese Sozialkürzungen auf die
       Straße ging, beschwert sich und verlangt, dass die „Verantwortlichen bei
       der Generaldirektion der Polizei Rechenschaft ablegen“. Die SUP selbst
       stand bei den Recherchen Rede und Antwort und taucht im Abspann der Serie
       auf. „Wir wollen in den Danksagungen nicht erscheinen“, twittert die
       SUP-Führung jetzt, wo sie durch die rechten Kollegen unter Druck geraten
       ist.
       
       22 Oct 2020
       
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