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       # taz.de -- Kritik an EU-Kommissionschefin: Von der Leyen unter Beschuss
       
       > Das EU-Parlament bilanziert ihre Amtszeit. Es fehle an Transparenz, an
       > Engagement für den „European Green Deal“ und ein krisenfestes Budget.
       
   IMG Bild: Ihre bisherige Bilanz überzeugt nicht: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
       
       Brüssel taz | Fast ein Jahr nach ihrem Amtsantritt in Brüssel ist
       EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen unter Beschuss geraten. Die
       CDU-Politikerin setze sich zu wenig für den „[1][European Green Deal]“ und
       für ein krisenfestes EU-Budget ein, heißt es im Europaparlament. Die Grünen
       werfen ihre zudem mangelnde Transparenz vor.
       
       Der Frust über „VDL“ geht quer durch alle Fraktionen. Am heftigsten äußerte
       sich nun aber ausgerechnet ein Parteifreund, der CDU-Europaabgeordnete
       Dennis Radtke. Von der Leyen werde ihrem Führungsanspruch nicht gerecht,
       klagt der Europapolitiker aus Bochum in einem Gastbeitrag für die Welt. Sie
       werbe zwar für einen Ausgleich von Wirtschaft und Umwelt, lasse aber Taten
       vermissen.
       
       Die Kommissionschefin hatte den European Green Deal im Dezember 2019
       angekündigt und ihn als „Europas Mann-im-Mond-Moment“ bezeichnet. Für
       Radtke sind das leere Worte. Die EU brauche „weniger pathetische und
       wolkige Beschreibung des Problems und mehr beherztes Zupacken“, so der
       Gewerkschafter, der auch NRW-Landesvorsitzender der
       Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) ist.
       
       Die Existenzängste von Industriearbeitern, Mittelständlern und Landwirten
       kämen bei von der Leyen zu kurz, so Radtke, der das Ruhrgebiet vertritt.
       Sie habe an ihrem Politikstil nichts geändert: „Markige und/oder
       pathetische Überschriften nach außen, fehlende Kommunikation und Misstrauen
       nach innen, garniert mit dem völligen Ignorieren des Seelenlebens ihrer
       eigenen politischen Familie.“
       
       ## Gerechter Übergang
       
       Hintergrund ist der Streit um schärfere Klimaziele und das neue EU-Budget.
       Die EU-Kommission tritt für eine Senkung des CO2-Ausstosses um mindestens
       55 Prozent bis 2030 ein – hat jedoch noch nicht erklärt, wie dieses Ziel zu
       erreichen wäre. Die nötigen EU-Gesetze sollen erst 2021 folgen. Zudem droht
       eine Kürzung der EU-Mittel für benachteiligte Kohle-Regionen und einen
       „gerechten Übergang“ hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft.
       
       Zuletzt hatten sich die Fraktionschefs aller europafreundlichen Parteien
       (darunter CDU/CSU) gegen Kürzungen ausgesprochen und mehr Geld verlangt.
       Von der Leyen trete nicht genug für ein faires und klimafreundliches
       EU-Budget ein, lautet der Vorwurf im Parlament. Sie ordne sich
       Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unter, die den EU-Vorsitz innehat und
       den Budgetentwurf verantwortet.
       
       Für Frust sorgt aber auch die schleppende Bearbeitung von Anfragen und
       Auskunftsbegehren aus dem Europaparlament. „Die EU-Kommission hat unter
       Präsidentin Ursula von der Leyen [2][im Bereich Transparenz] bisher nicht
       geglänzt“, klagt der grüne Abgeordnete Daniel Freund. In einem Brief an die
       EU-Kommission, der der taz vorliegt und der von neun weiteren Abgeordneten
       unterzeichnet wurde, zählt Freund eine ganze Reihe verspäteter Antworten
       auf.
       
       So sei eine Anfrage zur Beschäftigung einer privaten PR-Firma bis heute
       nicht beantwortet worden. Dabei ging es um Videos der Firma Storymachine,
       die von der Leyen in ihren Diensträumen in der EU-Kommission drehen ließ
       (der angeblich rein private Vertrag wurde mittlerweile gekündigt). Auch zu
       einem Kontakt mit der umstrittenen New Yorker Firma Augustus Intelligence
       habe die Leyen-Behörde bisher keine Auskunft gegeben.
       
       ## Mit Corona herausreden
       
       Andere Anfragen wurden teilweise erst nach 14 oder gar 17 Wochen
       beantwortet – statt wie üblich in sechs Wochen. „Der Zugang zu
       Informationen der Exekutive ist für unsere Arbeit und die Kontrollfunktion
       des Parlaments essenziell wichtig“, so Freund. Die EU-Kommission könne sich
       nicht mit der Coronapandemie herausreden.
       
       „Frau von der Leyen kann kein ernsthaftes Interesse daran haben, dass die
       Kommission von außen als intransparenter, bürokratischer Bunker
       wahrgenommen wird“, warnt der Grünen-Politiker.
       
       22 Oct 2020
       
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