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       # taz.de -- Sudans Beziehungen zu Israel: Normalisierung mit Vorbehalt
       
       > Nach den Emiraten und Bahrain will auch Sudan Beziehungen zu Israel
       > aufnehmen. Im Land findet der Schritt nicht nur Befürworter.
       
   IMG Bild: Sudans Übergangsregierungschef Abdalla Hamdok
       
       Nairobi taz | Seit Monaten [1][wurde spekuliert]; kurz vor der US-Wahl ist
       es nun so weit: [2][Nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain]
       hat auch Sudan unter US-Vermittlung eine Normalisierung der Beziehungen zu
       Israel beschlossen. Beide Länder wollten „Frieden schließen“, sagte
       US-Präsident Donald Trump am Freitag, Sudan und Israel bestätigten. Die
       Übergangsregierung in Khartum stößt mit dem Schritt im eigenen Land
       allerdings auf Kritik.
       
       Sudans Annäherung an Israel war eine von zwei Bedingungen für die
       Streichung Sudans von der US-Terrorliste, die Washington bereits
       eingeleitet hat. Die andere hat Sudan ebenfalls erfüllt: Umgerechnet mehr
       als 300 Millionen Euro wurden an die USA gezahlt, als Entschädigung für
       US-Opfer von Terroranschlägen in den neunziger Jahren in Kenia, Tansania
       und Jemen, die nach US-Ansicht von Sudans 2019 gestürztem Diktatur Omar
       Hassan al-Bashir unterstützt wurden. Khartum betont aber ausdrücklich, die
       Zahlung sei kein Schuldeingeständnis.
       
       Durch die Streichung von der US-Terrorliste erhält Sudan Zugang zu
       internationalen Finanzhilfen. Das Land steckt in einer Wirtschaftskrise. Es
       mangelt an Brot. [3][Katastrophale Überschwemmungen] haben dieses Jahr
       viele Ernten vernichtet. Die Inflationsrate liegt mittlerweile im
       dreistelligen Bereich.
       
       „Die wirtschaftliche und humanitäre Verzweiflung wurde ausgenutzt“, findet
       der Politologe Mohammed Abdul Aziz. „Dies wird die Unterstützung in der
       Bevölkerung für die Übergangsregierung untergraben. Es schwächt den
       Premierminister gegenüber jenen, die sich seinen Reformen widersetzen.“ Die
       Übergangsregierung ist eine [4][fragile Zusammenarbeit von Generälen und
       der einstigen zivilen Protestbewegung] gegen Bashir.
       
       ## Druck von USA und Sudans Militär
       
       Sudans Vizeaußenminister Omar Gamar Eddin Ismail erklärte, die
       Normalisierung der Beziehungen müsse vom Parlament ratifiziert werden. Ein
       solches existiert allerdings noch gar nicht; Wahlen sind erst für 2022
       vorgesehen.
       
       Zwar ist bis dahin ein Übergangsparlament vorgesehen, gebildet wurde es
       aber bislang nicht. Die Übergangsregierung allein habe nicht das Mandat,
       Beziehungen mit Israel aufzunehmen, hatte vor Wochen
       Übergangsregierungschef Abdalla Hamdok gesagt: „Es erfordert zunächst eine
       eingehende Diskussion in unserem Land.“
       
       [5][Druck kam nicht nur aus den USA], sondern auch aus Sudans Militär.
       Präsident Abdel Fattah al-Burhan und Vizepräsident Mohamed Hamdan Dagalo,
       einflussreiche Generäle aus der Bashir-Ära, sind starke Befürworter einer
       Normalisierung der Beziehungen zu Israel. „Wir brauchen Israel, es ist ein
       entwickeltes Land“, sagte Dagalo. „Wir können von solchen Beziehungen
       profitieren.“
       
       Doch die Zivilisten in der Regierung wie auch weite Teile der Bevölkerung
       sind dagegen. Eine Umfrage des Arabischen Zentrums für Forschung und
       politische Studien ergab, dass nur 13 Prozent der Sudanesen diplomatische
       Beziehungen zu Israel befürworten. Die Parteikoalition NCF (National
       Consensus Forum), Teil der Protestbewegung gegen Bashir, bezeichnet
       Beziehungen zu Israel als Verfassungsbruch.
       
       ## Geteilte Meinungen im Sudan
       
       1967 hatte Sudan mit anderen arabischen Ländern eine Resolution angenommen,
       um die Rechte der Palästinenser zu unterstützen. Sie wurde bekannt als die
       „drei Neins“: kein Frieden mit Israel, keine Anerkennung Israels, keine
       Verhandlungen.
       
       Sudans Oppositionsführer Sadiq al-Mahdi, Leiter der Umma-Partei, glaubt,
       dass Beziehungen mit Israel nicht nur dem Frieden im eigenen Land
       schadeten, sondern auch dem Frieden im Mittleren Osten. Am Wochenende
       bekräftigte er seine Ablehnung der Normalisierung und bezeichnete Israel
       als „Apartheidstaat“.
       
       Es gibt aber auch andere Meinungen, vor allem unter Geschäftsleuten. Der
       frühere Abgeordnete und Geschäftsmann Abu al-Qasim Borto sagte der Times of
       Israel, er sei für Beziehungen und wolle so schnell wie möglich mit einer
       Unternehmerdelegation nach Israel reisen. „Bashir war gegen Israel, jetzt
       ist es Hamdok. Sudans politische Elite geht immer noch den gleichen Weg. Es
       ist Zeit für etwas anderes.“
       
       25 Oct 2020
       
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