# taz.de -- Abtreibungsverbot in Polen: Nicht das letzte Wort
> Polens Gesellschaft ist zerstritten. Das jüngst verschärfte
> Abtreibungsverbot ist ein Sieg für die katholischen Fundamentalisten.
IMG Bild: Die polnische Polizei hält die Proteste gegen das Abtreibungsverbot unter strikter Kontrolle
Der Kulturkampf in Polen ist in vollem Gang. Letzte Woche konnten die
katholisch-fundamentalistischen Hardliner der regierenden
Nationalpopulisten einen weiteren Sieg für sich verbuchen. Das ohnehin
[1][sehr restriktive Abtreibungsrecht] wurde weiter verschärft. Dieses Mal
war es nicht das Parlament, das über die schwierige ethische Frage
debattierte, ob das Leben eines schwerstbehinderten Fötus höher zu bewerten
sei als das Leben einer Frau.
Dieses Mal war es das von der [2][nationalpopulistischen Recht und
Gerechtigkeit (PiS)] kontrollierte Verfassungsgericht, das durch die
Hintertür ein Gesetz aus dem Jahre 1993 für verfassungswidrig erklärte. In
der Vergangenheit hatten die Frauen mit ihren landesweiten [3][„schwarzen
Protesten“] immer wieder die Debatten im Parlament gewonnen. Dieses Mal –
in Coronazeiten – waren Massendemonstrationen verboten.
Zahlreiche Frauenorganisationen wandten sich zwar mit Eingaben und offenen
Briefen an das Verfassungsgericht, auch der [4][Bürgerrechtsbeauftragte
Adam Bodnar] und zum ersten Mal 600 Ärzte. Doch es nutzte alles nicht. Die
Mehrheit der 15 Richter, von den 14 von der PiS-Mehrheit im Sejm, der
Abgeordnetenkammer, ernannt wurden, stimmte für „die Wiedereinführung der
Folter in Polen“, wie Frauenrechtlinnen sagen.
Die ungeheure Wut, die das Urteil ausgelöst hat, könnte sich aber gegen die
PiS richten, wenn der Protest nicht wieder ins Leere läuft. Nach den
gewonnenen Schlachten hatten sich die Frauenorganisationen immer wieder
beruhigen lassen, dabei ging es Wochen später von vorne los: Es sind einige
katholisch-fundamentalistische Organisationen, die Polen gekapert haben.
Sie sind eine Komplizenschaft mit der PiS eingegangen, die ständig neue
Feinde erfindet, um dann wegen der angeblichen „Verteidigung der polnischen
Werte“ oder der „polnischen Souveränität“ ihre höchst eigenen Interessen
durchzukämpfen. Beiden geht es um Macht. Je zerstrittener eine Gesellschaft
ist, desto weniger kann sie sich wehren gegen die Vereinnahmung durch
radikale Gruppen, die zwar keine Mehrheit in der Gesellschaft haben, aber
die Machtstrukturen eines Staates für sich auszunutzen verstehen.
26 Oct 2020
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## AUTOREN
DIR Gabriele Lesser
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