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       # taz.de -- USA wollen „I-Visa“ beschränken: Nochmal das Leben schwer machen
       
       > Trumps Regierung will die Dauer sogenannter „I-Visa“ radikal verkürzen.
       > Das gefährdet unter anderem die Berichterstattung über die USA.
       
   IMG Bild: Trumps Minister begründet sein Vorhaben mit Betrugsbekämpfung und mit der „nationalen Sicherheit“
       
       New York taz | Donald Trump begann seine Präsidentschaft mit einem
       „Muslim-Verbot“ und beinahe täglichen [1][verbalen Attacken gegen
       Journalist:innen]. Kommende Woche entscheidet sich, ob diese
       Präsidentschaft endet. Doch kurz vorher zeigt nun sein amtierender Minister
       für die „Heimatsicherheit“, Chad Wolf, dass er es weiterhin ernst meint.
       
       Mit einer neuen Regel will Wolf den US-Aufenthalt von jährlich mehr als
       zwei Millionen Menschen radikal verkomplizieren. Zu den Betroffenen gehören
       neben ausländischen Student:innen und Forscher:innen auch Journalist:innen
       aus aller Welt, die aus dem Inneren der USA berichten. Die Dauer ihrer
       „I-Visa“ soll von bislang fünf Jahren auf künftig nur noch acht Monate
       verkürzt werden. Der Minister begründet sein Vorhaben mit Betrugsbekämpfung
       und mit der „nationalen Sicherheit“. Sollte es umgesetzt werden, wäre es
       das Ende von kontinuierlicher ausländischer Berichterstattung über die USA.
       
       Die „journalistische Freiheit geriete in ernsthafte Gefahr“, schrieben 24
       Journalist:innengewerkschaften, Radiosender und Nachrichtenagenturen wie
       AFP und Reuters am Wochenende. In einer gemeinsamen Erklärung warnen sie:
       Die Rede- und Pressefreiheit sowie der internationale Ruf der USA als
       „freie und offene Demokratie“ seien bedroht.
       
       Die Foreign Press Association und der Overseas Press Club in Washington
       warnen zusätzlich vor der „Vergeltung durch ausländische Regierungen“, die
       im Gegenzug die Aufenthaltsdauer US-amerikanischer Journalist:innen
       einschränken könnten. [2][China hat das bereits im Frühling dieses Jahres
       getan]. Nachdem die US-Regierung damals ankündigte, sie würde die Zahl der
       Visa für chinesische Journalist:innen in ihrem Land von 160 auf 100
       reduzieren, verweigerte die chinesische Regierung mehreren US-Medien
       (darunter Wall Street Journal und CNN) neue Visa.
       
       ## Auch Nachteile für Bildung und Forschung
       
       Das Ministerium für „Heimatsicherheit“ – bedeutet: „innere Sicherheit“ –
       hat die neue Regel Ende September weitgehend unbeachtet von der
       Öffentlichkeit online gestellt. In der Nacht zum Montag lief die
       Kommentarfrist im „Federal Register“ ab. Mehr als 26.000 kritische
       Kommentare gingen ein. Die meisten stammen von ausländischen
       Stundent:innen, die unter der neuen Regel kein komplettes Studium mehr in
       den USA machen könnten, von US-Forschungsinstitutionen, die Talente aus
       aller Welt verlieren könnten, und von privaten Universitäten, denen mit den
       Gebühren der ausländischen Student:innen wichtige Einnahmen verloren
       gingen.
       
       (Transparenzhinweis: Die taz-Chefredaktion hat ebenfalls einen Einspruch
       gegen die Regelung eingereicht). 
       
       Von ausländischen Journalist:innen hingegen kamen kaum Reaktionen. Viele
       von ihnen waren mit der Berichterstattung über den Endspurt im US-Wahlkampf
       beschäftigt. Sie sind eine relativ kleine Gruppe, die in den letzten Jahren
       stark geschrumpft ist. Statt knapp 15.000 ausländischen Journalist:innen im
       Jahr 2016 waren zwei Jahre später nur noch 12.000 in den USA, die meisten
       aus Großbritannien und Japan, gefolgt von Deutschland mit 888
       Korrespondent:innen in den USA. Die Pandemie hat die Vergabe neuer Visa an
       ausländische Journalist:innen weiter gedrosselt. Monatelang ließen die
       US-Botschaften fast keine mehr ins Land.
       
       Bislang hat das „I-Visum“ für Journalist:innen eine Laufzeit von maximal
       fünf Jahren und kann beliebig oft verlängert werden. Künftig soll es nur
       noch 240 Tage gelten und allenfalls einmal für dieselbe Anzahl von Tagen
       verlängerbar sein. Die Verlängerungen müssten im Herkunftsland beantragt
       werden.
       
       ## Erschwert und verteuert Berichterstattung
       
       Das würde bedeuten, dass eine Auslandskorrespondentin, die zum Amtsantritt
       des nächsten Präsidenten in den USA ankommt, das Land schon vor dem Ende
       seines ersten Jahres im Weißen Haus wieder verlassen müsste. Sollte sie –
       nach der Rückkehr in ihr Heimatland – das Glück haben, ein Anschlussvisum
       zu bekommen, müsste sie die USA dennoch schon vor den Halbzeitwahlen im
       Herbst 2022 wieder verlassen. Die kurzen Zeiten würden das Eintauchen in
       das Land und den Aufbau von Kontakten erschweren, die Suche nach einer
       Wohnung beinahe unmöglich machen, die Kosten für eine US-Korrespondenz in
       die Höhe treiben – und dafür sorgen, dass sich ausländische
       Journalist:innen, die eine Visumverlängerung anstreben, kaum kritische
       Berichterstattung erlauben können.
       
       Wegen des langen Prüfungsverfahrens, das am Montag begonnen hat, würde die
       neue Regel erst nach den Präsidentschaftswahlen in Kraft treten. Mehrere
       Medien haben bereits den Demokraten Joe Biden dazu aufgerufen, dass er die
       Regel kippt, falls er am 3. November gewählt wird.
       
       26 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /US-Medien-wehren-sich-gegen-Trump/!5528647
   DIR [2] /China-weist-US-Journalisten-aus/!5668951/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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