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       # taz.de -- heute in hamburg: „Potenzial, Rollenbilder aufzubrechen“
       
       Interview Paula Bäurich
       
       taz: Frau Carstensen, warum sind Sprachassistenten fast immer weiblich? 
       
       Tanja Carstensen: Es gibt die Vermutung, dass das daran liegt, dass
       weibliche Stimmen hilfsbereiter wirken.
       
       Fördert das traditionelle Rollenbilder? 
       
       Ja, auf jeden Fall. Mit den Stimmen der Sprachassistenten wird Weiblichkeit
       suggeriert. Problematisch ist das, da die Sprachassistenten zunehmend im
       Haushalt eingesetzt werden. Daraus kann schnell geschlussfolgert werden,
       dass Frauen für den Haushalt zuständig sind und hilfsbereit sein müssen.
       
       Hat auch die Coronakrise solche Rollenbilder verstärkt? 
       
       Zum Teil fand durchaus eine Retraditionalisierung statt. Während die
       Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen waren, haben Frauen mehr Zeit der
       Kinderbetreuung übernommen. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass der
       Anteil von Frauen in systemrelevanten Berufen, in denen man nicht von zu
       Hause aus arbeiten kann, sehr hoch ist. Entsprechend ist die Zeit, in der
       Männer ihre Kinder betreut haben, auch gestiegen. Die Coronakrise hat also
       auch bestimmte Arbeitsteilungen und Rollenbilder aufgebrochen.
       
       Welchen Einfluss hat dabei die Digitalisierung? 
       
       Diese Frage war Bestandteil meines letzten Forschungsprojekts. Wir sind zu
       dem Ergebnis gekommen, dass digitale Technologien an traditionellen
       Rollenbildern kaum etwas verändern. Vor allem am Arbeitsplatz werden sie
       sogar verfestigt.
       
       Warum? 
       
       Das liegt insbesondere daran, dass die Digitalisierung nur sehr selten als
       Gender-Thema diskutiert wird. Zwar wird die Vereinbarkeit von
       Kinderbetreuung und dem Job durch flexiblere Arbeitszeiten einfacher.
       Trotzdem bleibt das aber oft an den Frauen hängen und an der Arbeitsteilung
       in der Familie ändert sich kaum etwas.
       
       Wie kann dem entgegengewirkt werden? 
       
       Die Digitalisierung hat durchaus das Potenzial, traditionelle Rollenbilder
       aufzubrechen. Dafür braucht es die Akteure, die sich schon immer um diese
       Themen kümmern, wie feministische Bewegungen oder Gewerkschaften. Die
       müssen sich der geschlechtergerechten Gestaltung dieser neuen technischen
       Möglichkeiten annehmen. Wenn Unternehmen zum Beispiel Digitalisierung in
       Verbindung mit Gendergerechtigkeit diskutieren, gibt es oft schon sehr gute
       Ergebnisse.
       
       28 Oct 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Paula Bäurich
       
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