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       # taz.de -- Krisenjahr des FC Barcelona: Paukenschlag zum Abschied
       
       > Der Präsident des FC Barcelona erklärt seinen Rücktritt. Er übergibt den
       > Klub hochverschuldet und verrät Pläne für eine europäische Superliga.
       
   IMG Bild: Hat seinen Platz an der Spitze des FC Barcelona geräumt: Josep Maria Bartomeu
       
       BARCELONA taz | Die Beharrlichkeit von Josep Maria Bartomeu konnten selbst
       die vielen Gegner nur bestaunen. Sein Sitzfleisch auf dem Präsidentensessel
       des FC Barcelona nahm Züge einer „Parodie“ an, wie die Zeitung La
       Vanguardia, kommentierte. Von Skandal zu Fettnäpfchen, von Fehler zu
       Debakel. Erst als sich auch noch die Politik von ihm abwandte, musste
       Bartomeu aufgeben. Am Dienstagabend trat er mit seinem gesamten Vorstand
       zurück.
       
       Mit Kataloniens „unverantwortlicher“ (Bartomeu) Regionalregierung fand er
       zum Schluss noch einen idealen Schuldigen. Die Exekutive versagte dem
       Verein den Aufschub eines Referendums über den Präsidenten, das
       entsprechend der Klubstatuten an diesem Wochenende hätte stattfinden
       müssen. Der Verein hatte auf die Pandemie hingewiesen, die Spanien und
       besonders Katalonien dieser Tage wieder in den Lockdown zwingt.
       
       Aussagekräftiger ist allerdings, warum das Referendum überhaupt fällig
       wurde: Die Opposition hatte unter Pandemiebedingungen über 20.000
       Mitgliederunterschriften für die Abwahl Bartomeus gesammelt. Es schien
       sicher, dass sie die nötige Zweidrittelmehrheit gegen den Präsident
       erreichen würde. Bartomeu wollte es wohl nicht darauf ankommen lassen, als
       erster Chef der Klubgeschichte so vom Hof gejagt zu werden.
       
       Letztlich ging es also nur noch um ein paar Wochen Agonie mehr oder weniger
       in Barças Annus horribilis, das im Januar mit der Entlassung von Trainer
       Ernesto Valverde als Tabellenführer begann. Es folgte eine Attacke auf die
       Mannschaft von Sportdirektor Eric Abidal, die Superstar Lionel Messi zu
       seinem ersten Wutanfall veranlasste, sowie vor allem das „Barçagate“: die
       Enthüllung, dass Spieler (darunter Messi) von einem durch den Verein
       bezahlten Unternehmen systematisch mit Fake News in den sozialen Netzwerken
       diskreditiert wurden. Schon damals, im März, schwenkten Zehntausende Fans
       weiße Taschentücher gegen Bartomeu.
       
       ## Probleme in Potenz
       
       Der Pandemiebeginn rettete ihm vorerst das Amt, doch die Probleme
       potenzierten sich in fast schon grotesker Manier. Sportlich: [1][verlorene
       Meisterschaft], 2:8 gegen den FC Bayern. Atmosphärisch: [2][Messis
       fulminanter Kündigungsversuch], der mäßig stilvoll gemanagte Abgang von
       Luis Suárez, öffentlicher Streit mit den Spielern um Gehaltskürzungen wegen
       Corona. Und wirtschaftlich: Bartomeu übergibt einen Verein, der im letzten
       Jahr 97 Millionen Euro Verlust gemacht und seine Nettoschulden auf 488
       Millionen mehr als verdoppelt hat.
       
       In zwei Spielzeiten nacheinander mussten zuletzt künstliche aufgeblähte
       Tauschgeschäfte die Bilanzen schönen, und sofortige Einschnitte beim
       teuersten Lohnzettel des Weltfußballs sind nicht weniger als ein Imperativ,
       wie Bartomeu bei seinem Abgang unterstrich: „Alles andere könnte böse
       Konsequenzen für den Verein haben.“
       
       Und wo man denkt, es geht nicht mehr … zauberte Bartomeu bei seiner
       Verabschiedung noch ein Lichtlein her: die Superliga. Quasi als Vermächtnis
       erklärte er: „Ich kann bekannt gegeben, dass wir die Voraussetzungen
       beschlossen haben, um Teil einer europäischen Superliga zu werden. Die
       Entscheidung, dort an den Start zu gehen, muss von der nächsten
       Hauptversammlung bestätigt werden.“ Offenbar handelt es sich um ein
       Projekt, das von den englischen Vereinen Manchester United und Liverpool
       angeschoben wurde, von der Investmentbank JP Morgan mit fünf Milliarden
       Euro finanziert wird und nach der WM 2022 in Katar den Betrieb aufnehmen
       könnte.
       
       Das Format klingt ähnlich wie in der Basketball-Euroleague: 16 bis 18
       Vereine, Hin- und Rückspiele, Finalturnier der besten Mannschaften zur
       Ermittlung des Gewinners. Die kürzlich gescheiterte Initiative von United
       und Liverpool für eine Reduzierung der Premier League kann in diesem
       Kontext gesehen werden. Vielleicht auch die Rücktrittsankündigung des
       deutschen Ligachefs Christian Seifert just für 2022.
       
       Wie es heißt, soll die Fifa dem Vorhaben aufgeschlossen gegenüberstehen.
       Die Uefa natürlich nicht, denn es würde das Ende der Champions League
       bedeuten. Bei Barça, das sich jenseits seiner katalanischen Identität als
       betont international versteht, dürfte es auf weniger Widerstände treffen
       als anderswo. Aber vorerst ist der Klub noch mit sich selbst beschäftigt.
       Bis in drei Monaten Neuwahlen stattfinden müssen, wird er von einer
       Übergangskommission unter Carles Tusquets geleitet. Mit 27 Jahren war er
       bereits Schatzmeister im Klub und trug zur Verpflichtung von Diego Armando
       Maradona bei. Heute gilt er als anerkannter Wirtschaftsexperte. Barça kann
       sein Wissen für die nächsten Wochen wohl gebrauchen.
       
       28 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Haupt
       
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