# taz.de -- Corona-Regeln in Berlin: Volles Haus im „Klo“
> Die aufgehobene Sperrstunde beschert einer Kuriositätenkneipe neue Gäste.
> Nach 23 Uhr ist der Laden voll, obwohl es keinen Alkohol mehr gibt.
IMG Bild: Nach 23 Uhr nur noch alkoholfrei
Berlin taz | In der Kneipe „Klo“ nahe dem Ku’damm hängen Klobürsten von der
Decke, Leute sitzen auf Toilettenschüsseln und nippen an Urin-Enten, die
mit Bier gefüllt sind. Die Kneipe lockt auch sonst mit Kuriosem: Ab und an
kippen Barhocker um, oder Puppen mit Hämmern dreschen von der Decke. „Ab 11
Uhr gibt es nur noch alkoholfreie Cocktails“, dröhnt es aus einem
Lautsprecher. Um 23.30 Uhr ist die Bar am Freitagabend gut besetzt, die
Luft stickig. Alle paar Minuten kommen neue Leute in rein, auf der Suche
nach einem freien Platz.
Der Besitzer des „Klos“ ist einer von elf Gastwirten, die erfolgreich gegen
die Sperrstunde geklagt hatten. Nach nicht mal einer Woche hatte das
[1][Verwaltungsgericht] die Sperrstunde in Berlin teilweise aufgehoben. Dem
Beschluss zufolge dürfen die elf Bars und Kneipen, die geklagt hatten, nach
23 Uhr weiter öffnen, jedoch keinen Alkohol ausschenken.
Dunja und ihre Mitbewohnerin Tanja, beide Anfang zwanzig, sitzen ganz
hinten links an einem kleinen Tisch. Sie sind zum ersten Mal im „Klo“ –
wegen der aufgehobenen Sperrstunde. Sie habe vorher sogar extra in der
Kneipe angerufen, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich nach elf Uhr
geöffnet habe, sagt Dunja. Dafür haben sie einen langen Weg auf sich
genommen: Die beiden Frauen wohnen in einer WG in Alt-Mariendorf. „Wenn die
Kneipen und Bars um elf dichtmachen, brauchen wir gar nicht erst
auszugehen. Dafür ist es von uns in die Stadt zu weit“, sagt Dunja.
Genauso wie Dunja und ihre Mitbewohnerin sind auch andere Leute nur
deswegen ins „Klo“ gekommen, weil sie hier nicht um elf rausgeschmissen
werden. „Die Sperrstunde ist Quatsch. Sie führt dazu, dass sich alles nach
Hause verlagert“, findet eine 26-Jährige, die sonst eher in anderen Bars
unterwegs ist.
Dass sich hier nun Berliner*innen aus allen möglichen
BVerwaltungsgerichtezirken knubbeln, ist nach Auskunft des Wirts
ungewöhnlich. Normalerweise kämen vor allem Tourist*innen in seine Kneipe,
sagt Norbert Finke. Seit 49 Jahren betreibt er das Klo in Charlottenburg.
Obwohl er recht bekommen hat, ist der Gastwirt nicht glücklich. „Es ist
nicht fair, dass nur ein paar wenige Kneipen nach elf öffnen dürfen. Ich
will Gleichheit für alle“, sagt der 76-Jährige.
18 Oct 2020
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DIR Rieke Wiemann
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