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       # taz.de -- Neuer Lucky-Luke-Band vor US-Wahl: Ein Cowboy gegen Rassisten
       
       > Black Lives Matter in den Südstaaten: Comic-Held Lucky Luke reitet
       > wieder. Band 99 erscheint in einer reizvollen Variante von Achdé und Jul.
       
   IMG Bild: Szene aus „Lucky Luke“, Band 99
       
       Überraschung: Lucky Luke wird von einer ihm unbekannten, verstorbenen
       Verehrerin zum Alleinerben ernannt. Und damit zum Besitzer einer riesigen
       Baumwollplantage in Louisiana. Kaum hat er auf dem Rücken seines Pferdes
       Jolly Jumper die Südstaaten erreicht, wird er auch schon mit der dortigen
       repressiven Gewalt konfrontiert. Zwei weiße Männer wollen einen schwarzen
       Jungen auspeitschen, der ihnen angeblich nicht den „Vortritt“ ließ.
       
       Der Western-Comic-Held Lucky Luke reitet nun schon seit über 70 Jahren
       durch den Wilden Westen, seit sein Schöpfer Morris ihn 1946 [1][im
       Spirou-Magazin] einführte. An das Thema Rassismus wagte sich der 2001
       verstorbene Zeichner nicht heran, vielleicht, weil er es sich in einer
       vorwiegend für Kinder konzipierten Westernparodie nicht vorstellen konnte.
       
       In der von [2][René Goscinny geschriebenen Geschichte] „Am Mississippi“ von
       1959 verschlug es die Comicfigur – Lucky Luke, den Mann, der schneller
       schießt als sein Schatten – das erste Mal in das Louisiana nach dem
       Bürgerkrieg. Hier tauchten bereits Afroamerikaner auf, die als
       sympathische, lässige, musikalisch talentierte Arbeiter charakterisiert und
       zugleich mit rassistischen Stereotypen als faule Lastenträger und Hasenfüße
       belegt wurden.
       
       Der neueste Lucky-Luke-Band „Fackeln im Baumwollfeld“ versucht ein solches
       altes Story-Telling nun zu korrigieren. In der Zeit eines unter Präsident
       Trump verstärkt aufflammenden Rassismus und der „Black Lives
       Matter“-Gegenbewegung wirft er einen komprimierten und in Ausschnitten
       profunden Blick auf die Geschichte der USA und ihrer Südstaaten.
       
       ## Sehr überzeugend
       
       Es ist nun das dritte gemeinsame Lucky-Luke-Album des Duos Achdé
       (Zeichnungen) und Jul (Text). Und es ist zugleich deren überzeugendstes.
       Wie Jul (Julien Berjeaut) schon [3][im vorletzten Album „Das gelobte Land“
       jüdische Einwanderer] als diskriminierte Randgruppe prägnant porträtierte,
       nimmt er sich diesmal eines der schwierigsten Themen in der Geschichte der
       USA an: des Rassismus und der nach der Abschaffung der Sklaverei
       fortdauernden Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung.
       
       An der Entwicklung dieses Bandes feilte das Autorenduo vier Jahre lang, wie
       Jul in einem Interview sagt. Schon das Cover ist eindrücklich: Lucky Luke
       ist mit einem schwarzen Sheriff an seiner Seite in einem blühenden
       Baumwollfeld zu sehen, im Hintergrund Männer mit weißen Kapuzen und
       Fackeln.
       
       Kurz zur Handlung: Lucky Luke trifft auf einen alten Freund, der die aus
       vielen Lucky-Luke-Bänden bekannten berühmt-berüchtigten Dalton-Brüder ins
       Gefängnis überführen soll. Es ist kein Geringerer als Bass Reeves. Ein
       US-Marshal schwarzer Hautfarbe. Dieser warnt Lucky Luke, dass der Süden
       doch immer noch etwas „wilder als der Wilde Westen“ sei. Einer der
       Ganoven-Brüder, Joe Dalton, wird hellhörig. Er erlauscht, dass Lucky Luke
       ein reiches Erbe antreten soll. Und reißt mit seinen Verbrecher-Brüdern bei
       erstbester Gelegenheit aus.
       
       Lucky Luke selber hat gar kein Interesse an der Südstaaten-Plantage. Er
       reitet einzig dorthin, um den Besitz unter den schwarzen Landarbeitern
       aufzuteilen. Doch so gut die Absicht, ganz so einfach gelingt ihm die
       Umsetzung nicht. Die Afroamerikaner, allen voran die resolute junge
       Lehrerin Angela, bezweifeln zunächst, dass Luke es ernst meint. Luke macht
       zudem Bekanntschaft mit den versnobten weißen Gutsbesitzern der Gegend,
       angeführt vom selbstherrlichen Quentin Quarterhouse („QQ“!). Der würde ihn
       gerne in seinen rassistischen Verein aufnehmen.
       
       ## Absurder Humor
       
       Jul verwebt mit dem filmisch geschriebenen Szenario gekonnt die finstere
       Südstaatenhistorie mit dem Plot. Die Erzählung ist anspielungsreich und von
       einem leicht absurden Humor geprägt. Das ist sehr unterhaltsam.
       
       So kommen die Daltons mit einem Reiseführer in der Hand in den Sümpfen
       Louisianas an. Die dortigen [4][Cajuns – französischsprachige],
       abgeschieden lebende Vertriebene aus Kanada – halten sie zunächst für
       Mexikaner. Später treffen sie auf Mitglieder des Ku-Klux-Klans, die die
       Daltons wegen ihres merkwürdigen Aufzugs für Indianer halten. Und die
       gerade „ihren“ Lucky Luke skalpieren wollen.
       
       So bewahren sie aus dem Missverständnis heraus den Cowboy vorm Tod auf dem
       Scheiterhaufen. Doch auch der schwarze Marshal eilt zu Hilfe, bevor ein
       gewaltiger Hurrikan aufzieht. Eine Naturgewalt, die die Lebensgrundlage
       aller bedroht. Zeichner Achdé (Hervé Darmenton) entwirft dabei
       eindrückliche Bilder in deutlichem visuellen Kontrast zum Terror des Klans
       – zur betörenden Fauna Louisianas und dem lebensfrohen Cajun-Völkchen.
       
       Prachtvolle Südstaatenvillen erinnern an den heute umstrittenen
       US-Filmklassiker „Vom Winde verweht“ von 1939 und sind ein gelungenes Spiel
       mit überlieferten kulturellen Klischees.
       
       ## Die Partys des Ku-Klux-Clans
       
       Die Darstellung des Ku-Klux-Klans bleibt nahe an der tatsächlichen
       Geschichte. Erste Klans samt maskierten Mummenschanz und „Großem
       Hexenmeister“ bildeten sich 1865 direkt nach Bürgerkrieg und Niederlage der
       Sklavenhaltergesellschaft des Südens. Sie überzogen die lokalen Gemeinden
       mit grausamen Terrorakten.
       
       Der Comic bildet dies ab. Auf QQs Partygesellschaften sprechen Weiße locker
       über Lynchmorde an Schwarzen. In anderen Szenen entkommen einige
       Afroamerikaner nur knapp Auspeitschungen und anderen Bedrohungen.
       
       Durch die fiktionale Auferstehung einer historisch-mythischen Figur wie
       Bass Reeves gelingt den Autoren Jul und Achdé ein besonderer Coup. Der als
       Sklave geborene Reeves (1838–1910) wurde nach dem Sezessionskrieg der erste
       schwarze U. S. Deputy Marshal. Er sorgte vor allem in Oklahoma und Arkansas
       für Recht und Ordnung. Er soll über 3.000 Kriminelle festgenommen haben.
       Mit ihm stellen die Comic-Autoren Lucky Luke einen legendären schwarzen
       Helden an die Seite. Auch andere afroamerikanische Figuren wie die
       selbstbewusste Angela oder der zurückhaltende Diener Socrates Pinkwater
       erweitern die Erzählperspektiven des Comics.
       
       Mit „Fackeln im Baumwollfeld“ haben Jul und Achdé eine zeitgemäße
       Lucky-Luke-Variation vorgelegt. Das Album erzählt auf originelle Weise von
       einer unrühmlichen Geschichte aus dem historischen Süden der USA.
       Gegenwartsbezüge („Yes, we can“) tauchen gut dosiert ebenfalls auf.
       
       1 Nov 2020
       
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       ## AUTOREN
       
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