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       # taz.de -- Lockdown, Thomas Oppermann und der BER: Kein Ego-Mensch
       
       > Was an Thomas Oppermann schätzenswert war, der Konflikt zwischen
       > Frankreich und der Türkei und ein Versuch, das Jahresende zu retten.
       
   IMG Bild: Der verstorbene Bundestagsvize Thomas Oppermann
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Soldaten müssen in Gesundheitsämtern helfen.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Besser als umgekehrt.
       
       Ab Montag also „Lockdown light“. Weihnachten ist damit sicher, oder? 
       
       Keine Ahnung. Nachdem der erste Lockdown den Ramadan privatisierte und im
       Dezember auch Chanukka zur Debatte steht, ließe sich höflicher von
       „Jahresende retten“ sprechen.
       
       Restaurants und Bars sowie Kinos und Theater müssen schließen. Die
       Superspreader-Orte Kirche bleiben dagegen offen. Bleibt also: Beten und
       arbeiten. Klingt nach Leben wie im Mittelalter? 
       
       Kirchen sollten leer sein, wenn keiner hingeht – nicht, weil keiner
       reindarf. Wo sie Seelsorge an Erkrankten, Bedrohten, Angehörigen in den
       Vordergrund stellen, mögen sie Trost und Zuversicht spreaden. Das
       allerdings bürden Caritas und Diakonie rund 1,3 Millionen MitarbeiterInnen
       auf, für die der aktuelle Tarifabschluss in der Pflegebranche nicht gilt.
       Die kein Streikrecht haben. Wer „verkündungsnahen Tätigkeiten“ nachgeht und
       gerade jetzt Besonderes leistet, wird von den Kirchen dafür bestraft.
       Klingt nach Leben wie im Mittelalter.
       
       Coronaleugner haben sich dazu bekannt, in Berlin-Mitte einen selbstgebauten
       Sprengsatz gezündet zu haben. In ihrem Bekennerschreiben fordern sie den
       Rücktritt der Bundesregierung und die Abschaffung der Coronamaßnahmen.
       Macht Ihnen das Angst? 
       
       Bisher war man froh, wenn sie einen selbstgebauten Satz überlebten. Schön
       übrigens das Dezernat Duden der Berliner Polizei, die hier nur noch von
       „Selbstbezichtigungsschreiben“ schreiben bzw. sprechen bzw. „jeder Penner
       macht auf Bekenner“: das Geprahle nicht mehr durchgehen lassen. Vorsicht
       mit historischen Parallelen, doch – der Rechtsradikalismus seit den 90ern
       gebar den „NSU“, von den 68ern splitterte die „RAF“ ab und jetzt – ja,
       bisschen Angst schon.
       
       Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan warf Frankreichs Präsidenten
       Emmanuel Macron kürzlich Islamfeindlichkeit vor und empfahl ihm
       psychologische Behandlung. Außerdem fühlt sich der türkische Staatschef
       durch die jüngste Charlie-Hebdo-Karikatur beleidigt. Wie viel Spannung
       verträgt die Beziehung zwischen der Türkei und Frankreich noch? 
       
       Beim Beutemachen in Libyen gerieten die Kriegsschiffe der Nato-Partner im
       Sommer aneinander. In Syrien, beim Krieg um Bergkarabach, beim Gaskonflikt
       um Zypern – überall kurz vor Peng. Der Streit um die Karikaturen ist die
       Karikatur des Streits, den beide Länder führen. Nicht bei allen Themen
       agiert Macron nur im Namen Europas. Erdoğan allerdings bei keinem.
       
       Das Verfassungsgericht in Polen hat vergangene Woche entschieden, die
       ohnehin schon strengen Abtreibungsgesetze weiter einzuschränken. Sind wir
       von so etwas in Deutschland noch weit entfernt? 
       
       Jedenfalls brauchen wir keine Islamisten, um über politischen Missbrauch
       der Religion zu trauern.
       
       Den verschobenen CDU-Parteitag interpretierte Friedrich Merz als
       Verschwörung gegen ihn. CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer
       widersprach ihm. Wie weit will Merz das noch treiben? 
       
       Wünscht man einen Parteichef oder gar Bundeskanzler, der nach einer
       Verhandlungsniederlage das nationale Rumpelstilzchen gibt? Merz gab eine
       Kotzprobe kindischen Zeterns, wo Trump vierschrötig geblufft hätte: Termin
       egal, ich gewinne sowieso. Nun haben die drei sich auf einen Parteitag im
       Januar geeinigt: Laschet, Röttgen und der Rest von Merz.
       
       In dieser Woche ist es endlich so weit: In den USA wird ein neuer Präsident
       gewählt. Wollen Sie einen Tipp abgeben? Wer wird’s? 
       
       „Deutschland will mich loswerden“, tippt Trump. Keine zweite Meinung. Nach
       den Fristen für die Auszählung wäre drittens – keiner von beiden wird
       bereits nächste Woche gewählt – eine Option.
       
       SPD-Politiker Thomas Oppermann ist überraschend verstorben. Was schätzten
       Sie an ihm? 
       
       Die Genügsamkeit, mit der Bundestagsvize Oppermann andere an seiner statt
       ministrieren sehen konnte. Ohne den Sigmar zu machen, den Gerhard, den
       Wolfgang. Ohne am Ende das Ego nicht mehr unter die gut sozialdemokratische
       Mütze zu bekommen.
       
       Der BER öffnet mit ganzen neun Jahren Verspätung. Hat sich’s gelohnt? 
       
       Ab Planungsbeginn sogar 20 Jahre – französisches Nussbaumholz, edle
       Kalksteinböden. Da lacht der unterbezahlte Billigflieger-Pilot. Ob der BER
       ein Finanzfiasko bleibt, steht dahin. Beim Denkmalschutz darf man
       optimistisch sein.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Es war ein Tarnmanöver! Der BVB hat diese vielen Superstürmer nur gekauft,
       damit dann Hummels von hinten kommt und die Tore macht!
       
       Fragen: eaz
       
       1 Nov 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Friedrich Küppersbusch
       
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