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       # taz.de -- Digitaler Unterricht in Niedersachsen: Jobcenter zahlt kein iPad
       
       > Schülerin aus einer Familie, die Hartz IV bezieht, bekommt Apple-Tablet
       > für den Unterricht nicht bezahlt. Sozialgericht: Familie hat keinen
       > Anspruch.
       
   IMG Bild: Es muss nicht immer Apple sein: Schüler arbeiten mit Tablet-Computern
       
       Hamburg taz | Obwohl sie in einer iPad-Klasse sitzt, hat eine Sozialhilfe
       beziehende Schülerin keinen Anspruch darauf, dass ihr das Jobcenter einen
       Tablet-Computer bezahlt. Wie das Landessozialgericht Niedersachsen
       geurteilt hat, sind die Ausgaben für ein solches Gerät im Regelsatz
       enthalten. Ein Härtefall liege nicht vor. Abgesehen davon habe die Schule
       allerdings das Recht gebrochen, indem sie sich freihändig für Apple-Geräte
       entschieden habe.
       
       Der Fall reicht in das Jahr 2017 zurück. Die Schülerin besuchte die sechste
       Klasse einer Oberschule in Garbsen, als das Lehrerteam beschloss, ab dem
       zweiten Halbjahr [1][mit iPads zu arbeiten]. Zuvor waren die Eltern um ihr
       Einverständnis gebeten worden. Alle stimmten zu – auch die Eltern der
       Klägerin. Hätte ein Elternteil nicht zugestimmt, wäre die iPad-Klasse nicht
       eingerichtet worden, sagte ein Lehrer vor Gericht.
       
       In der Annahme, dass das Jobcenter die Kosten für das Tablet übernehmen
       würde, beschaffte der Vater für 461,90 Euro das vorgeschlagene iPad
       allerdings in einer deutlich teureren Variante. Die Lehrer hatten
       hilfebedürftigen Familien empfohlen, die Rechnung beim Jobcenter oder
       Sozialamt einzureichen und bei einer Ablehnung Widerspruch einzulegen.
       
       Das Jobcenter lehnte tatsächlich ab und auch der Widerspruch wurde
       abschlägig beschieden. Deshalb klagte die Familie. Das Sozialgericht
       Hannover gab ihr teilweise recht: Es verpflichtete das Jobcenter, der
       Familie ein Darlehen in Höhe von 320 Euro mit monatlichen Tilgungsraten von
       30,20 Euro für den Kauf des Tablets zu gewähren. Das Jobcenter hatte das
       dies abgelehnt, da die Schule einen günstigeren Ratenkauf angeboten hatte –
       mit 36 Monatsraten zu 10,90 Euro. Doch die Familie wollte nach wie vor
       einen Zuschuss.
       
       ## Keine besondere Härte
       
       Das Landessozialgericht verwarf ihre Berufung als unbegründet. Kosten für
       digitale Geräte seien bereits vom Regelbedarf für Hilfeempfänger mit 8,40
       Euro pro Kind im Monat erfasst. Dazu komme das „Schülerstarterpaket“, eine
       Bedarfspauschale von 100 Euro pro Schuljahr. Im übrigen habe der Bundestag
       den Ländern eigens 5,5 Milliarden Euro für [2][Digitalisierung] zur
       Verfügung gestellt.
       
       Nach Ansicht des Gerichts stellt der Kauf eines Tablets für die Familie
       auch keine besondere Härte dar. Es handele sich um eine einmalige
       Anschaffung so wie etwa eine Waschmaschine, die auch aus dem Regelsatz
       bezahlt werden müsse.
       
       Im übrigen sei der Kauf eines Tablets, um an einer iPad-Klasse teilnehmen
       zu können, nicht nötig, „um im Einzelfall das menschenwürdige
       soziokulturelle Existenzminimum eines Schülers zu sichern“, schreibt das
       Gericht in seiner Urteilsbegründung. Was als „unabweisbarer Bedarf“ zu
       gelten habe, bemesse sich am Leben in einfachen Verhältnissen.
       
       „Nach diesen Maßstäben stellt die Anschaffung eines Tablets, solange nicht
       alle Schüler, insbesondere die aus einkommensschwachen Familien knapp
       oberhalb des SGB-II-Bezuges von der Schulverwaltung mit einem iPad versorgt
       werden, einen Luxus dar“, befand das Gericht. Die fünfköpfige Familie der
       Schülerin bekam 2018 fast 1.800 Euro Arbeitslosengeld II im Monat.
       
       In Niedersachsen gibt es keine [3][Lernmittelfreiheit]. Die Eltern sind
       verpflichtet, ihre Kinder für den Unterricht auszustatten. Seit 2005 können
       Eltern Lernmittel gegen Zahlung einer Miete von den Schulen ausleihen. An
       einer anderen Schule ist das dem Gericht zufolge so geregelt worden, dass
       das Gerät lediglich während der Ferien in der Schule bleiben musste.
       
       In seinem Schlusswort kritisierte das Gericht, dass die Schule mit ihrer
       Festlegung auf Apple gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen und der Firma
       einen zusätzlichen Kundenstamm verschafft habe. Die Lehrer hatten
       argumentiert, diese Geräte seien robust und böten einen besseren
       Virenschutz.
       
       Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls hat das Gericht eine Revision
       zugelassen.
       
       2 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Eltern-gegen-Zwang-zum-Tablet/!5321687
   DIR [2] /Digitalisierung-an-Schulen/!5717448
   DIR [3] https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/schule/schulorganisation/entgeltliche_ausleihe_von_lernmitteln/entgeltliche-ausleihe-von-lernmitteln-6561.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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