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       # taz.de -- Labore am Limit: Coronatest im Tierlabor
       
       > Bisher gab es Vorbehalte, tiermedizinisches Personal an der Auswertung
       > von Corona-Tests zu beteiligen. Mittlerweile hat sich das geändert.
       
   IMG Bild: Human- oder tiermedizinisches Personal: Macht es einen Unterschied, wer den Abstrich vornimmt?
       
       Berlin taz | Mit den Corona-Infektionszahlen steigen auch die Testzahlen.
       In Berlin werden bereits seit vergangener Woche mehr Proben eingeschickt,
       als die Labore auswerten können. „Die rote Ampel haben wir schon
       überfahren“, [1][sagte Jan Kramer am Dienstag]. Er ist stellvertretender
       Vorsitzender des Verbands der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM).
       Die Testkapazität sei auch bundesweit erstmals ausgereizt.
       
       Möglicherweise könnten veterinärmedizinische Labore die Lücke bald
       schließen. Das war im Frühjahr schon einmal angedacht, aber auf Druck der
       Bundesärztekammer aus einem ersten Entwurf für ein überarbeitetes
       Infektionsschutzgesetz gestrichen worden.
       
       Eine „solche Ausweitung jenseits der Gebietsgrenzen der Humanmedizin“ sei
       zu vermeiden, [2][schrieb die Kammer damals]. Es ist unklar, „ob die von
       Tierärztinnen und Tierärzten üblicherweise betriebenen Laboratorien die
       erhöhten Sicherheitsstandards gewährleisten können“.
       
       Jetzt steht [3][die nächste Novellierung] an. Und sie sieht wieder vor,
       dass tiermedizinisches Fachpersonal in dessen Laboren Corona-Teste
       auswerten dürfen. Die Gesetzesänderung wird voraussichtlich im Laufe dieses
       Monats von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Die [4][Frankfurter
       Allgemeine Sonntagszeitung (FAS)] hatte im August mit Berufung auf
       Veterinärmediziner berichtet, dass so eine Verdreifachung der
       Testkapazitäten möglich sei.
       
       ## Schon jetzt helfen Veterinärlabore mit
       
       Astrid Behr vom Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) will die
       Argumentation der Bundesärztekammer auch nicht gelten lassen.
       „Veterinärlabore haben definitiv kein Qualitätsproblem“, schreibt sie der
       taz. „Im Gegenteil: Vet-Labore sind ebenso zertifiziert wie die
       humanmedizinischen Labore.“ Als Rückgrat der Tierseuchenbekämpfung hätten
       sie ausreichend Erfahrung mit standardisierten Untersuchungsreihen.
       
       Schon jetzt führen laut des Berichts der FAS die Gesundheitsbehörden in
       sieben Bundesländern PCR-Tests in staatlichen Veterinärlaboren durch. Auch
       in Spanien helfen tiermedizinische Labore seit Monaten bei der Testung mit.
       
       Siegfried Moder, der Präsident des bpt, hatte schon bei der Diskussion
       [5][im Frühjahr darauf hingewiesen], dass es ohne Klärung der
       Zuständigkeiten bei einer neuen Welle nicht möglich wäre, sofort auf die
       Labore zuzugreifen. Es dürfe bezweifelt werden, dass die Entscheidung gegen
       die veterinärmedizinischen Einrichtungen „tatsächlich der
       Gesundheitspolitik dient“, sagte er. „Wirtschaftspolitische Interessen
       dürften hier viel eher im Vordergrund gestanden haben.“
       
       Die Labore erhalten für jeden PCR-Test knapp 40 Euro von den gesetzlichen
       Krankenkassen. Bei den Privaten sind es sogar knapp 150 Euro. Derzeit
       werden in Deutschland knapp 1,5 Millionen Tests pro Woche durchgeführt. Aus
       dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen heißt es, dass die Tests
       halb so teuer sein könnten. „Labore gehören nicht zu den Hauptverlierern“,
       sagt Andreas Bobrowski, Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher
       Laborärzte.
       
       Er betont aber, dass die Labore neue Geräte anschaffen und das Personal
       aufstocken mussten, und weist ökonomische Gründe für die Vorbehalte
       gegenüber der Nutzung tiermedizinischer Strukturen von sich.
       
       Das Problem seien ohnehin nicht die zur Verfügung stehenden Labore, sondern
       das international knappe Material: „Ich bin seit 35 Jahren Labormediziner,
       aber so was habe ich noch nie erlebt“, so Bobrowski. Auch sei die Qualität
       bei der Probenentnahme durch veterinärmedzinisches Fachpersonal rechtlich
       nicht verbindlich definiert.
       
       Diese Lücke könnte zwar nun bald geschlossen werden. Dem ALM zufolge ist
       aber weder ein Mangel an Laboren oder Personal noch an Testmaterialien das
       eigentliche Problem. Stattdessen würden immer noch zu viele asymptomatische
       Personen getestet.
       
       Infizierte Personen müssten dafür mitunter zu lange auf ihre Befunde
       warten. „Wenn wir nicht endlich die Nationale Teststrategie eins zu eins
       umsetzen, dann ist die Laborversorgung mit SARS-CoV-2-PCR in Deutschland in
       Gefahr“, so ALM-Vize Kramer.
       
       In einer früheren Version dieses Textes wurde angedeutet, dass
       Corona-Tests, insbesondere die Abstrichentnahme, auch in tiermedizinischen
       Praxen von tiermedizinischem Personal durchgeführt werden solle. Das ist
       nicht so. Die Gesetzesänderung betrifft ausschließlich die Auswertung von
       Corona-Tests in Laboren.
       
       3 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.alm-ev.de/kw44-die-rote-ampel-haben-wir-schon-ueberfahren/
   DIR [2] https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Stellungnahmen/Form.hilfe_2._GE_Bevoelkerungsschutzgesetz_SN_BAEK_22042020_final.pdf
   DIR [3] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/B/Drittes_Bevoelkerungsschutzgesetz.pdf
   DIR [4] https://de.calameo.com/read/000029858ba09c63da9f9
   DIR [5] https://www.tieraerzteverband.de/bpt/presseservice/meldungen/2020_05_06_aus-vetmedlabore.php
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Maximilian Berkenheide
       
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